Zum System gehörte der Aufbau großer Aufsichts- und Beiratsgremien. So unterhält RWE traditionell Regionalbeiräte mit über 100 Mandatsträgern. Viele Beiräte werden dabei aus dem Kreis der Kommunen gewonnen (Landräte, Oberbürgermeister und andere politische Figuren. Ein Blick in die Listen lohnt sich). Das Resultat ist eine sehr eigene Mischung aus Managern, Gewerkschaftsvertretern und Funktionären mit politischem Background. Ein kostenträchtiges, eher schwerfälliges Business Modell, welches sich mit den Anforderungen der heutigen Zeit schwer tut.
Die Zeit des Aufbaus von Wirtschaftsimperien, letztlich finanziert auf dem Rücken und auf Kosten der Stromverbraucher, ist vorbei. Auch die Substanz von einst ist mehr oder minder dahin. Der RWE Konzern hat heute eine Marktkapitalisierung von gerade mal etwa sechs bis sieben Milliarden Euro. E.On wird mit etwa 16 Milliarden Euro an der Börse bewertet.
Vieles spricht dafür, die Rolle der Energieversorger grundsätzlich neu zu überdenken. Aufspaltungen in verschiedene Bereiche und ähnliche Pläne treffen meiner Ansicht nach nicht den eigentlichen Punkt. Heute geht es darum, den Wirtschaftsstandort Deutschland optimal und so kostengünstig wie möglich mit Energie zu versorgen. Dabei müssen gesellschaftspolitische Anliegen, wie Umweltschutz und erneuerbare Energiequellen, gleichermaßen mit reinen wirtschaftsstrategischen Standortüberlegungen unter einen Hut gebracht werden. Das Mandat einer börsengelisteten Aktiengesellschaft lautet aber anders. Hier geht es um ein freies kaufmännisches, erfolgreiches Handeln, zum Wohl der Aktionäre im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft. Das Ziel eines börsengelisteten Unternehmens ist die dauerhafte Gewinnsteigerung und langfristige Stärkung der anvertrauten Substanz, bei Wahrung der Interessen aller Stakeholder.
Es passt nicht mehr in die heutige Zeit, Anteilseigner an einem Energieversorger dauerhaft zu „bereichern“, auf Kosten der Allgemeinheit. Die Vorstände der Energieversorger können sich angesichts der politischen Eingriffe unmöglich treusorgend für das Kapital der Anteilseigner einsetzen.
So seltsam es aus dem Munde eines Börsen-Value-Investors klingen mag: In dieser Gesamt-Konstellation macht aus meiner Sicht eine Börsennotiz keinen Sinn. Es wäre eine Überlegung wert, die großen Energieversorger, wie RWE und E.On, in Staatsbesitz zu überführen. Die Aktionäre erhalten Abfindungsangebote, was bei den niedrigen Marktkapitalisierungen für den Staat leicht zu finanzieren wäre.
Zurück zum Staat?
Hier könnte ich mir zwei Varianten vorstellen: Wahlweise erhielte der Aktionär eine Barabfindung oder einen bevorrechtigten Bezug von festverzinslichen Energieversorger-Anleihen. Das würde Sinn machen. Denn die Energieversorger mit staatlicher Absicherung wären ideale Anleihenschuldner, die schadlos einen festen jährlichen Zins zur Finanzierung erwirtschaften können. Den Geldanlegern wäre damit mehr gedient. Die Anforderung stetig steigender Dividenden und eines Wertzuwachs seitens privater Aktionäre sehe ich auf Dauer nicht gesichert.
Der Anleihen-Kurszettel am Bonds-Markt würde also um einige sichere Obligationen reicher.
Und was das Organisatorische angeht, so wäre denkbar, kompliziert und teuer strukturierte Aktienkonglomerate Schritt für Schritt in einfach organisierte Dienstleister mit Behördencharakter zu transformieren. In einem solchen Szenario würde ich die Energieversorgungswirtschaft auf eine Stufe mit der Polizeiorganisation eines Landes stellen. Kein Investor käme auf die Idee, die Polizei an die Börse zu bringen. Wir sind in einem Zeitalter angekommen, wo die Absicherung wichtiger nationaler Grundbedürfnisse über kaufmännische Belange gestellt werden sollten.
Dies mag vermessen klingen, ist aber in der Marktwirtschaft nichts Neues. An der Börse ist das immer schon so gewesen. Für die einen bricht der Frühling an, für die anderen gehen die Lichter aus und sie verschwinden vom Kurszettel.