Geldanlage Wie Sparer weltweit ihr Vermögen bilden

Immobilien oder Aktien? Sicher oder riskant? So bunt die Welt ist, so einheitlich sind die Regeln, wie Menschen in schwierigen Zeiten rund um den Globus ihr Geld vermehren wollen. Ein Blick auf die Konten dieser Welt.

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Gold und Immobilien sind eine beliebte Geldinvestition in der Türkei. Quelle: dpa

Das Verhältnis der Deutschen zu ihrem Geld ist ein eigentümliches: Man hat es gerne, findet aber alles, was nach Finanzwelt riecht, befremdlich. Gelddinge scheinen den meisten Deutschen ähnlich attraktiv wie Stubenfliegen und vergleichbar angenehme Dinge des Lebens. Vier von zehn Deutschen halten Geldanlage für ein notwendiges Übel, haben die großen deutschen Direktbanken mal in einer Studie herausgefunden.

Und dementsprechend wenig mühevoll ist die durchschnittliche Geldanlage zusammengestellt: ganz viel Sparbücher, einige Tagesgeldkonten, Lebensversicherungen noch und nöcher, vielleicht ein paar Rentenfonds. Und damit fuhren die Deutschen auch eine ganze Zeit gar nicht so schlecht.

Nun aber hat sich die Welt des Geldes geändert. Kein Preis in den sogenannten Marktgesellschaften des Westens wird so heruntermanipuliert wie der Preis des Geldes, der Zins. Man will mit billigem Geld das Rad der Wirtschaft in Schwung halten. Tatsächlich ist die bürgerliche (Geld-)Welt aus den Fugen geraten. Wer spart, verliert. Negativzinsen fressen sich nicht nur durch die Reputationskonten von Notenbankern, sondern auch durch Sparbücher, Lebensversicherungen und ähnlich deutsche Geldanlagen.

Das aber stellt die Deutschen vor Fragen: Wohin mit dem Geld? Und was sind Alternativen zu Sparkonto und Co.? Dass es sie gibt, ohne Zweifel. In anderen Teilen der Welt legen die Menschen ihr Geld schließlich auch jenseits des deutschen Weges an. Aber wie? Und worauf vertrauen Menschen in schwierigen Zeiten? Geschichten aus der ganz privaten Welt des Geldes.


Türkei –Zauberer der Sparkreise

Nach den Anschlägen auf den Atatürk-Flughafen im Juni dieses Jahres witterte Timur Erten eine Chance. Er kaufte Aktien des Flughafenbetreibers TAV, die gerade abgestürzt waren, und hoffte auf Erholung. „Anfangs lief es auch ganz gut“, sagt der 37-Jährige. „Aber dann kam ja leider der Putschversuch am 15. Juli.“ Und seitdem rückte die Türkei dem Chaos nahezu wöchentlich einen Schritt näher. Auf den Putsch folgten „Säuberungen“ der Verwaltung, darauf Terror, darauf staatliche Gegenwehr, darauf neuer Terror. Die türkische Wirtschaft leidet seitdem und mit ihr die Menschen.

Für Timur Erten jedenfalls ist seine ganz persönliche Wohlstandsabsicherung im vergangenen Jahr nicht aufgegangen. „Wieder einmal“, sagt seine Frau Ilke und verdreht liebevoll die Augen. „So läuft es meistens, wenn er Aktien kauft.“ Das Paar sitzt auf der Couch in einer Mietwohnung in einem der liberalen, säkularen Viertel Istanbuls. Vor ihnen auf dem Teppich spielt ihr vierjähriger Sohn Denis.

Beide Ehepartner sind berufstätig. Ilke, 38, arbeitet in einer Werbeagentur, Timur im Kundensupport einer Möbelfirma. Jeder von ihnen verdient rund 6000 Türkische Lira im Monat, rund 1800 Euro. 600 Euro legen sie zusammen monatlich zurück. Zehn Prozent davon stecken sie in – ausschließlich türkische – Aktien. Ansonsten investieren die Ertens auf klassisch türkische Art: Sie kaufen Gold und Immobilien. Außerdem legen sie Geld in Devisen an. Zurzeit haben sie fast die Hälfte ihrer Barreserven in Dollar.

Was für Timur seine Aktien sind, sind für Ilke die Sparkreise. Einmal die Woche trifft sich Ilke dazu mit 20 Freundinnen zum Kaffee. Wie alle anderen Teilnehmerinnen zahlt Ilke 19 Mal 200 Lira ein. Jedes Mal erhält eine der Frauen die Summe. Nächste Woche ist Ilke dran. Sie bekommt dann 4000 türkische Lira, rund 1200 Euro. Ilke ist in dreien solcher Runden. Was beim ersten Mal hören irgendwie sinnbefreit wirkt, funktioniert aber wie eine Bank unter Freunden. Die Gruppe spart quasi für den Einzelnen. Außerdem entsteht so ein sozialer Zusammenhalt. Diese Sparkreise sind in der ganzen islamischen Welt verbreitet und fast immer Frauensache. Stolz sind die Ertens, dass sie keine Schulden haben.


Uganda – die Sehnsucht nach Betongold

Jeden Abend, wenn Edward Sekyewa von seinem Büro in Ugandas Hauptstadt Kampala nach Hause fährt, freut er sich auf seine Familie, die Frau, die zwei Kinder – und auf seine Baustelle. Jede Minute seiner Freizeit und jeden Schilling seines Ersparten hat der 42-Jährige in den vergangenen fünf Jahren in den Bau seines neuen Eigenheimes gesteckt. Direkt neben seinem bisherigen Haus ragt nun ein vierstöckiges Einfamilienhaus über die Mauern des Grundstücks.

Das Eigenheim ist für die meisten mittelständischen ugandischen Männer stets die erste Investition, abgesehen vom Auto. Typisch ist auch, wie Sekyewa von den Eltern ein Stück Land vererbt zu bekommen. Darauf hatte er vor zehn Jahren von seinem ersten Einkommen ein kleines Haus gebaut. Jetzt, mit drei Kindern wird es eng, und als Direktor seiner eigenen Nichtregierungsorganisation, die sich aus internationalen Geldern finanziert, kann er es sich leisten, etwas zur Seite zu legen.

Sekyewa berichtet, die Ugander würden mehr oder weniger die Tradition beibehalten, ihr Geld in Stein anzulegen: zuerst ein eigenes Heim, dann weitere Häuser oder Wohnhäuser, die vermietet werden und aus deren Mieten sich in Zukunft die teuren Schulgebühren für die Kinder bezahlen lassen. Diese können pro Jahr pro Kind umgerechnet bis zu 1000 Euro betragen.

Sein Geld bei der Bank anzulegen, dies würde Sekyewa nie in den Sinn kommen, sagt er. „Nur wenige Ugander haben in Aktien oder anderen Anleihen investiert, dazu ist die Wirtschaft zu instabil und das Vertrauen in das System zu gering.“ Zudem seien die Gebühren einer guten Privatschule für ugandische Verhältnisse bereits eine solide Investition in die Zukunft, zumindest die seiner Kinder.


Brasilien – der Ruf der Märkte

Der 39-jährige Rodrigo Rebelo aus der Drei-Millionen-Einwohner-Metropole Salvador im Nordosten Brasiliens hat eine dieser typischen brasilianischen Zickzackkarrieren hingelegt, bevor er seine Berufung als Investor entdeckte: Erst studierte er Ingenieurwesen. Aber die Praktika langweilten ihn. Er wechselte zu Mathematik, begann schon bald zum Geldverdienen Nachhilfe zu geben.

Inzwischen arbeitet er an zwei Privatschulen als Oberstufenlehrer für Mathe. Mit dem Gehalt als Lehrer finanzierte er das parallele Jurastudium. Inzwischen ist er Partner in einer Anwaltskanzlei. Und verheiratet. Die Familie hat zwei Jungen, sechs und knapp zwei Jahre alt. Seine Frau will noch eine Tochter, aber Rebelo zögert. Er will seine Familie und sich erst absichern. Er sagt: „Reich kann ich als Lehrer nicht werden – nur als Anwalt oder als Investor habe ich die Chance, ein Vermögen zu machen.“ Doch sein Debüt als Investor misslang, die gekauften Aktien stürzten sofort ab.

Rebelo will jetzt mehr wissen über Aktien und Anleihen. Er besucht Investorenkurse und studiert Unternehmensberichte. Seine Anwaltshonorare parkt er in Staatsanleihen. Im Hochzinsland Brasilien bekommt er real mindestens acht Prozent im Jahr dafür. Rebelo will weiter die Familienausgaben vom Lohn als Lehrer bestreiten, aber alle Einnahmen aus der Kanzlei in die Börse und Bonds stecken. Bislang ist er auf der sicheren Seite: Er hat das Gros seiner Ersparnisse in einen Mischfonds seiner Staatsbank liegen, wo er das Geld sofort abziehen kann. Er sucht ein Grundstück, um darauf das Erdgeschoss seines Haues zu bauen. Wenn er sein bisheriges Apartment dann verkauft hat, wird er den ersten Stock seines Hauses draufsetzen. Was übrigbleibt, geht in Aktien.

Das Wochenende verbringt Rebelo am liebsten auf einer Farm. Sein Hobby: Team Penning. Mit zwei anderen Reitern muss er so schnell wie möglich drei Rinder aus einer Herde aussondern. Auch bei seinem Hobby macht er eine Gewinn-Verlust-Rechnung: „Der Gewinn ist der Stressabbau.“


Australien – alles fürs Alter

Immobilien sind für Australier weit mehr als Dächer über ihren Köpfen. Sie sind Anlagen und Altersversorgung, Statussymbol und ständiges Gesprächsthema. In wohlhabenden Großstadtkreisen kaufen Eltern neuerdings Wohnungen für ihre Vorschulkinder. „Besser früh als nie“, so das Argument. Ganz so einfach hatte es Fran Jones, 38-jährige Produktdesignerin und Mutter von drei Kindern, nicht.

In Canberra, wo sie mit vier Geschwistern aufwuchs, kauften die meisten ihrer Freunde mit 21 ihr erstes Apartment. „Im Vergleich dazu war ich spät dran“, sagt Fran, die erst vor zehn Jahren in Melbourne zuschlug. Ihr Drei-Zimmer-Haus kostete sie 300.000 australische Dollar (damals 180.000 Euro). 15.000 zahlte sie an, den Rest finanzierte sie, der feste Job genügte der Bank als Sicherheit.

Auch mit geringem Guthaben zu kaufen ist trotz steigender Hauspreise fast eine Selbstverständlichkeit. Niedrige Zinsen – im August senkte die Notenbank den Leitzins auf ein Rekordtief von 1,5 Prozent – machen derlei Schulden attraktiv. Mittlerweile haben Fran und ihr Gatte für 600.000 australische Dollar ein Haus in einem anderen Vorort gekauft.

Frans Gatte Cameron hat sich als Gutachter selbstständig gemacht, Fran ihre eigene Designfirma. Ein kleiner Anbau im Garten fungiert als Familien-Office, gut 200.000 Dollar hoffen sie dieses Jahr zu verdienen. „Wir überlegen manchmal, in eine weitere Immobilie zu investieren, einfach, damit wir den Fokus nicht verlieren und nicht alles ausgeben“, lacht Fran. Auf Pension oder Regierungszahlungen mögen sie sich im Alter jedenfalls nicht verlassen. „Wir wollen von Investments leben“, sagen beide mit Blick auf die etwa 300.000 Dollar in ihren Pensionskassen, die sie jetzt als Freiberufler selbst aufstocken.

Nicht zuletzt brauchen die Kinder Geld: Außer Klavier- und Schwimmunterricht zahlen die Jones für Heidi und Antons Kindergarten insgesamt 300 Dollar für drei Tage. Auf eine private Schule will das Paar dagegen verzichten – sie würde mit insgesamt 450.000 Dollar Gebühren zu Buche schlagen. Jones finden das verrückt. „Da stecken wir vielleicht lieber hier und da Geld in Tutoren oder Reisen, auf denen lernen die Kinder ja auch was“, sagt die Designerin.


China – Rendite durch Bildung

Pan Jin blickt kurz in das Zimmer ihrer Tochter. Die 13-Jährige sitzt gebeugt an ihrem Schreibtisch. Eine kleine Lampe leuchtet auf ihr Aufgabenheft. „Sie muss noch einige Stunden arbeiten“, sagt Pan und schließt vorsichtig die Tür. Um später Chancen auf einen guten Job zu haben, muss die 13-Jährige bis spät in die Nacht Hausaufgaben machen. Damit sie morgens erholt in der Schule ankommt, haben die Eltern sich ein Auto gekauft. Dazu kommt am Wochenende Nachhilfeunterricht in fast allen Fächern.

Für 60 Minuten zahlen die Eltern über eine Onlineplattform rund 14 Euro. Soll es Privatunterricht sein, fällt deutlich mehr pro Stunde an. So oder so bedeutet der ständige Nachhilfeunterricht viel Geld für die kleine Familie. Pan Jin ist zwar Lehrerin für Mathematik an einer der besten Mittelschulen der Stadt, pro Monat bleiben ihr aber umgerechnet dennoch nur 675 Euro.

Das Durchschnittsgehalt in Shanghai liegt bei knapp 970 Euro. Ihr Ehemann arbeitet als Programmierer. Zusammen kommen sie auf umgerechnet 2700 Euro. Größter Kostenpunkt der Familie: das Abbezahlen der Wohnung. Die Drei-Zimmer-Wohnung, die sie bereits vor sieben Jahren gekauft haben, als die Immobilienpreise in Shanghai noch nicht astronomisch hoch waren. Nur 270.000 Euro haben sie bezahlt. Heute ist die Wohnung das Sechsfache wert.

Mittlerweile gehört der Familie noch eine zweite Wohnung einige Stockwerke darüber. Dort wohnen heute die Großeltern, später soll die Tochter einziehen. Immobilien gelten in China immer noch als beste Altersvorsorge. Die gigantischen Summen für diese Käufe bekommen die meisten Chinesen nicht von einer Bank geliehen, sondern über ein undurchsichtiges Netz von Schattenbanken und privaten Krediten.

Wie die meisten chinesischen Familien haben Pan und ihr Ehemann nur ein Kind. Bis vergangenes Jahr war ein zweites Kind nur unter bestimmten Bedingungen möglich. Aber selbst ohne die Gesetze aus Peking hätte sich die Familie gegen ein Geschwisterchen entschieden. Die Ausbildung sei schlicht zu teuer, so Pan. Und neben der Ausbildung will sich die Familie auch etwas leisten können. Sie leben sparsam und kochen meist zu Hause. Aber jedes Jahr fliegt sie dafür einmal ins Ausland. Europa, die USA und Australien. Viel Geld zum Sparen bleibt so nicht.

Das tragen sie aber komplett zur Bank. Eine Weile haben sie das Geld an der Börse investiert, wie viele ihrer Freunde. „Wir verstehen allerdings nicht viel davon“, sagt Pan. Als dann die Kurse im vergangenen Sommer in den Keller stürzten, hörten sie ganz damit auf. Auf dem Küchentisch liegen Bilder, die ihre Tochter gemalt hat. An der Wand hängt eine Nachzeichnung von Van Goghs Sternennacht. „Sie will Malerin werden“, sagt Pan, vielleicht in der Animationsbranche. Da mache man richtig Geld, hat Pan gehört.

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