Islamische Anleihen Von Gläubigen zu Gläubigern

Noch vor wenigen Jahrzehnten gab es ihn so gut wie gar nicht. Heute boomt der Markt für islamische Finanzprodukte. Auch Europa versucht, an das Geld muslimischer Investoren zu kommen. Doch Deutschland bleibt außen vor.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Das Trade Centre in Dubai. Islamische Anleihen unterliegen den ethischen Regeln der Scharia. Quelle: ap

Düsseldorf Religion und Investmentstrategien haben eines gemeinsam: Sie brauchen jemanden, der an sie glaubt. Mehr als vier Millionen Menschen in Deutschland glauben zwar an den Islam. Finanzprodukte, die den Regeln des Islams folgen, haben aber bisher kaum ihren Weg nach Deutschland gefunden.

Ein Beispiel solcher religiöser Anlageformen sind islamkonforme Anleihen, so genannte Sukuk. Mit ihnen finanzieren sich in der arabischen Welt Unternehmen und Staaten. Sukuk sind keine klassischen Anleihen. Weil das islamische Recht Scharia das Zahlen und Verlangen von Zinsen verbietet, haben sie eine Struktur, die dieses Verbot beachtet. Etwa Sukuk Al Ijara, sie ist die zweithäufigste Anleiheart und klassischen Bonds am ähnlichsten.

Dabei verkauft das Unternehmen reale Güter an den Herausgeber der Sukuk, in der Regel eine Bank. Später mietet es die Güter von der Bank zurück, zu einem höheren Preis als dem Kaufpreis. Die Bank wiederum begibt die Anleihe, um sich das für den Kauf der Güter notwendige Geld zu besorgen. Durch das Leasing-Geschäft mit dem Unternehmen entsteht ihr ein Gewinn, den sie mit den Investoren der Anleihe teilt. Zugleich werden die Investoren auch Miteigentümer der Güter, die der Anleihe zugrunde liegen. Sie haben dadurch indirekt Teil am Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens und tragen das Risiko für die Assets.

Das Geschäft mit Sukuk hat im vergangen Jahrzehnt ein starkes Wachstum erfahren: In diesem Jahr wurden allein im ersten Halbjahr weltweit Sukuk im Volumen von etwa 62 Milliarden US-Dollar emittiert, zeigen die Daten des Zentrum für Islamische Finanzen in Malaysia (MIFC). Rund 60 Prozent von ihnen werden in Malaysia platziert. Seinen Höhepunkt erreichte der Markt im Jahr 2012, als es Firmen und Unternehmen gelang, über 140 Milliarden Dollar über Sukuk einzusammeln.

Im laufenden Jahr ist das Wachstum zwar gebremst, im dritten Quartal wurden mit 23 Milliarden rund ein Fünftel weniger als im Vorjahr eingesammelt. Doch zum Vergleich: Noch im Jahr 2000 begaben Emittenten weltweit gerade einmal islamische Anleihen im Volumen von 400 Millionen US-Dollar.

Privatanleger in Deutschland und Europa profitieren aber kaum vom Wachstum der religiösen Geldanlage. „Der Markt wird dominiert von institutionellen Investoren, die ihre Anleihen meist sehr lange halten“, erklärt Zaid el-Mogadeddi, Leiter des Institute For Islamic Finance And Banking (IFIBAF) in Frankfurt. Sein Institut berät Unternehmen und beteiligt sich an der Zertifizierung für islamische Finanzprodukte.

Am Sekundärmarkt seien daher nur wenige dieser Anleihen handelbar. Außerdem seien sie relativ unbekannt. „Die vorhandenen Produkte werden von den internationalen Anbietern nicht aktiv vermarktet“, sagt el Mogadeddi. In Deutschland ist der Markt für islamkonforme Finanzangebote daher sehr klein.


Rüstungsindustrie, Alkohol und Schweinefleisch sind tabu

Anders sieht es in Großbritannien aus. Die Briten haben in Europa die Vorreiterrolle in Sachen Islamic Finance angenommen. So kündigte im November der britische Finanzminister George Osborne an, dass auch Großbritannien im kommenden Jahr eine Sukuk-Anleihe begeben wird. Großbritannien bemüht sich um muslimische Investoren und hat auch eine islamische Bank.

Das britische Steuerrecht ist inzwischen an Islam-Finanzprodukte angepasst. Beispielsweise entfällt die Doppelbesteuerung auf islamische Baukredite. Auch Infrastrukturprojekte wie das olympische Dorf in London oder Wohnungsbauprojekte in der britischen Hauptstadt wurden mit Hilfe islamischer Investoren gestemmt.

Solches Engagement gibt es in Deutschland noch nicht. Dabei ist die Deutsche Bank international im Geschäft mit den Anleihen ganz vorne mit dabei: Mit rund 2,4 Milliarden Dollar Emissionsvolumen belegt sie den dritten Platz unter den Banken, die Sukuk-Emissionen begleiten. In Frankfurt, Stuttgart und Berlin sind dagegen Sukuk von nur wenigen Emittenten - etwa des Staates Dubai – gelistet.

Eine islamische Bank, die die Anleihen anbieten würde, gibt es anders als in Großbritannien in Deutschland noch nicht. Zwar bemüht sich die türkische Bank „Kuveyt Turk“, als Vollbank anerkannt zu werden. Bislang gab die Bundesfinanzaufsicht Bafin dem Vorhaben aber kein grünes Licht.

Dabei scheint die Idee der religiösen Investments zunächst auch für deutsche Anleger interessant. „Grundsätzlich lohnen sich islamische Investments für alle Privatanleger und Investoren, die Wert auf ein ethisch-basiertes Investment legen“, sagt Finanzexperte el-Mogadeddi. Die islamischen Finanzangebote gelten als besonders ethisch, da etwa Investitionen in Rüstungsunternehmen verboten sind. Außerdem tabu sind Firmen, die Kinderarbeit erlauben, Alkohol herstellen oder Schweine schlachten.


Vergangene Pleiten sitzen noch tief im Bewusstsein

Ob eine bestimmte Anleihe islamkonform ist, entscheiden islamische Gelehrte in so genannten Scharia-Boards. „Sie sind beim jeweiligen Finanzdienstleister angesiedelt, der die Emissionen begleitet. In ihnen sitzen islamische Juristen und Ökonomen“, sagt Matthias Casper, Professor für Recht an der Uni Münster. Er untersucht, inwieweit sich das islamische Finanzsystem ins deutsche Recht integrieren lässt. „Das ist aber eine recht kleine Gruppe von Leuten, die sich für die Zertifizierungen bezahlen lassen. Und das, was sie abrechnen, ist äußerst intransparent.“ Wie ethisch die religiösen Investments wirklich sind, ist deshalb strittig.

Dass das Interesse an Islam-Investments begrenzt ist, überrascht den Wissenschaftler wenig. Schließlich hätten viele Muslime in den 1990er Jahren und zu Beginn des Jahrtausends schlechte Erfahrungen mit so genannten Konya-Modellen gemacht. In den Neunzigern waren sie ein beliebtes Finanzierungsinstrument in der Türkei und wurden auch in Deutschland als Islam-Holdings beworben, die später pleitegingen.

Doch nicht nur fehlendes Vertrauen, auch rechtliche Probleme machen es religiösen Anlegern schwer. „Es ist zum Beispiel fraglich, ob man für islamkonforme Investments die Verzugszinsen ausschließen kann“, sagt Caspers.

Die meisten Unternehmen hierzulande scheuen sich, islamische Anleihen zu begeben – auch wegen der Kosten. „Der Beratungsaufwand ist höher und teurer als beim Herausgeben einer herkömmlichen Anleihe“, sagt Caspers. Und doch bewiesen einige Unternehmen und öffentliche Haushalte auch in Deutschland in der Vergangenheit Mut zur islamischen Anleihe. Zum Beispiel das Land Sachsen-Anhalt. Es hat im Jahr 2004 eine islamische Anleihe aufgelegt. 2009 ist die Anleihe ausgelaufen und wurde vollständig zurückgezahlt. Islamisches Banking kann also auch in Deutschland funktionieren.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%