Netflix-Papier unter der Lupe Eine Aktie wie eine TV-Serie

Spannung garantiert: Die Aktie des Video-Streaminganbieters Netflix hat atemberaubende Kursschwankungen hinter sich – zuletzt ein Rutsch von 300 auf 55 US-Dollar. Jetzt lehnt sich ein Netflix-„Bulle“ weit aus dem Fenster.

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Das Netflix-Logo auf einer App: Die Aktie des Medienkonzerns schwankt sehr heftig. Quelle: AP

Top oder Flop? Wenn die Aktie des Elektrobauer Tesla als luftig bewertet gilt, dann muss das erst recht für den Video-Service Netflix gelten. 1997 als DVD-Versender gestartet und beinahe gescheitert, ist Netflix heute unbestrittener Weltmarktführer für Video-Streaming im Internet und expandiert in alle Länder der Erde.

Doch die Aktie wird zu einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 303 gehandelt, was im Vergleich zu anderen Medien- oder TV-Werten als extrem bezeichnet werden muss. Nach einem sagenhaften Kursplus von 125 Prozent im Vorjahr scheint derzeit auch die Luft aus dem Kurs raus zu sein. Seit Jahresbeginn liegt der Kursverlust bei 15 Prozent auf 97,30 Dollar. Der Technologieindex Nasdaq hat im gleichen Zeitraum 4,50 Prozent zugelegt. Und jenachdem welchen Analysten man fragt, hat die Aktie eine goldene Zukunft oder ist ein Tal des Jammers mit Ansage.

Ein Netflix-Bulle lehnte sich am Montag ganz weit aus dem Fenster. Mark Mahaney von RBC Capital erklärt die Aktie zu seiner „Kaufempfehlung Nummer eins“ und setzt ein Kursziel von rund 33 Prozent plus auf 130 Dollar.

Umfragen in USA, Großbritannien und Brasilien, wichtige Netflix-Märkte, hätten eine starke Position gezeigt. Mahaney glaubt, der Dienst habe „einen Grad an Nachhaltigkeit, Wachstum und Profitpotenzial“ erreicht, welches im Kurs nicht widergespiegelt sei. Bloomberg zitiert den RBC-Analyst mit der Aussage „alles zusammengenommen glauben wir, dass Netflix weiter wachsen und die Preise anheben und mit neuen Programmen seinen Nutzen für den Kunden beweisen kann.“

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Netflix selbst schürt mit ehrgeizigen Plänen den Hype: „Wir glauben auf Basis unseres derzeitigen Wachstums und der Entwicklung des Internet-TV, dass wir können auf 60 bis 90 Millionen Abonnenten in den USA wachsen können“, heißt es auf der Investor-Relations-Seite. Bei aktuell rund 47 Millionen Kunden ist das eine forsche Ansage.

Die Kinder sind für Analyst Ralph Schackard von William Blair die Zukunft des Streamingdienstes. Seine Schätzungen gehen von 36 Millionen Netflix-Freunden zwischen 10 und 24 Jahren aus, die heute auf Papas Abo Harry Potter oder Kung-Fu-Filme schauen. Verlassen sie das Haus, werden sie wie selbstverständlich mit dem eigenen Wasser- und Stromvertrag ihr Netflix-Abo abschließen. Schackard rechnet vorsichtig mit drei Prozent der jährlichen Nestflüchtlinge, die dem Streamingdienst treu bleiben werden, was nach seiner Rechnung gut eine Million Neukunden ausmacht. Das wäre respektabel, wenn man bedenkt, dass 2015 insgesamt rund 4,8 Millionen auf 47 Millionen im Heimatmarkt dazugekommen sind.


Markt für Videostreaming ist hat umkämpft


Trotzdem bleiben 60 bis 90 Millionen zahlende Kunden ein ambitioniertes Ziel. Selbst der Premium-Pay-TV-Kanal HBO, wesentlich länger im Markt, kommt gerade mal auf 36 Millionen US-Abonnenten. CEO Reed Hastings hat schon angekündigt langsam, aber sicher gegen die notorischen Passwort-Teiler vorzugehen, die heute ihren Netflix-Account mit Freunden und Bekannten teilen. Doch er geht vorsichtig vor. Er will keine Strafexpedition starten, sondern statt dessen die Loyalität ummünzen und die Fans mit leichtem Druck zu Zahlern machen.

Denn die Alternative könnte sonst ein Exodus der ausgesperrten Schwarzseher zu Amazons Prime-Videoservice für 99 Dollar pro Jahr sein, der dann nebenbei noch eine Leihbibliothek und kostenlose Warenlieferung bietet. Vorsicht ist auch angesagt, weil Netflix sich gerade von den Folgen einer leichten Preiserhöhung erholt. Die hat sich aber nach bisherigen Ergebnissen nicht wirklich negativ ausgewirkt, wie auch Analyst Mahaney in seinen Umfragen festgestellt haben will.

Eine Chance bestünde noch in einer Übernahme, um einen Wachstumsschub hinzulegen. Der Markt für Videostreaming ist extrem umkämpft. Neben Hulu sind in den USA noch Anbieter wie Sling TV oder Stream-TV erfolgreich. Hulu gehört den Mediengiganten Disney, 21st Century Fox und Comcast, hat aber nach einem Bericht von The Verge aber gerade einmal zwölf Millionen Abonnenten. Verkaufsgerüchte gab es immer wieder und Preise zwischen 15 und 25 Milliarden Dollar werden genannt. Ende des Jahres, schätzen Branchenanalysten, wird die Zukunft Hulus entschieden. Dann könnte Reed Hastings bereitstehen.

Aber es gibt auch Gegenstimmen. Gerade als Mahaney zum Sturm auf Netflix blies, fuhr ihm Victor Anthony von Axiom Capital Management mit einer kalten Dusche in die Parade. „Wir sehen wachsende Konkurrenz, schwindenden Preiserhöhungsspielraum und steigende Kosten für die Inhalte“, glaubt er. Das werde es schwierig machen, die langfristigen Ziele zu erreichen. Er sieht die Netflix-Aktie auf zwölf Monate Frist bei 80 Dollar. Anleger sollten also auf jeden Fall auch in Zukunft mit massiven Ausschlägen in beiden Richtungen bei Netflix rechnen.

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