Post aus Harvard

Europas Notenbanken scheitern mit ihrer USA-Kopie

Martin Feldstein Quelle: Bloomberg, Montage
Martin S. Feldstein US-amerikanischer Ökonom, Professor für Wirtschaftswissenschaften und ehemaliger Oberster Wirtschaftsberater für US-Präsident Ronald Reagan Zur Kolumnen-Übersicht: Post aus Harvard

Die extrem lockere Geldpolitik der EZB droht zu scheitern. In den USA hat die Notenbank Fed mit einer Politik extrem niedriger Zinsen und riesigen Aufkäufen von Staatsanleihen nach der Krise von 2009 für neues Wachstum und eine Entspannung auf dem Arbeitsmarkt gesorgt. Quantitative Easing war in den USA riskant, aber erfolgreich. In Europa aber überwiegen die Risiken. Warum dieser Weg Europa kaum Nutzen bringt.

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Strategien der Notenbanken: Federal Reserve-Chefin Yellen und EZB-Chef Draghi. Quelle: AP/dpa

Die Federal Reserve, unsere Zentralbank in Washington, hat mit ihrer Politik des billigen Geldes Erfolg gehabt – oder jedenfalls viel mehr Erfolg als ihr Gegenstück in Frankfurt, die Europäische Zentralbank. Quantitative Easing (QE) hat sich in der amerikanischen Version viel besser bewährt als in der Variante, die wir in der Euro-Zone sehen. Aber warum ist das so? Das ist eine wissenschaftliche Frage, die zu einer ganz praktischen geldpolitischen Frage führt: Wird es die EZB je schaffen, mit QE stärkeres Wirtschaftswachstum und höhere Inflation zu erreichen?

Quantitative Easing – das bedeutet, dass eine Zentralbank Anleihen mit langer Laufzeit in großen Mengen aufkauft und gleichzeitig verspricht, die kurzfristigen Zinsen über längere Zeit niedrig zu halten. Die amerikanischen Notenbanker hatten diese Politik begonnen, nachdem sie zu dem Schluss gekommen waren, dass die heimische Volkswirtschaft auf traditionelle geldpolitische Maßnahmen nicht wie erhofft reagierte - und auch nicht auf die 2009 von der US-Regierung begonnene ausgabenfreudige Fiskalpolitik, den so genannten fiskalischen Stimulus. Wie Ben Bernanke argumentierte, der damalige Präsident der Fed, sollte seine unkonventionelle Geldpolitik die Langfristzinsen nach unten treiben und so die Investoren motivieren, von Anleihen bester Qualität auf Aktien und andere eher riskante Wertpapiere umzuschichten. Das wiederum würde die Kurse dieser Papiere in die Höhe treiben, damit die Vermögen der Privathaushalte erhöhen und auf diesem Weg die Konsumneigung der amerikanischen Verbraucher.

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Die Strategie ging in den USA auf. Allein im Jahr 2013 stiegen die Aktienkurse um durchschnittlich 30 Prozent, die Immobilienpreise um 13 Prozent, so dass das Nettovermögen der amerikanischen Privatleute gleichzeitig um zehn Billionen Dollar stieg. Der Wohlstandsgewinn führte dazu, dass die Verbraucher mehr Geld ausgaben, und das löste den üblichen Multiplikatorprozess aus: Das amerikanische Bruttoinlandsprodukt stieg 2013 um 2,5 Prozent und die Arbeitslosenrate fiel von acht auf 6.7 Prozent. Die wirtschaftliche Expansion ist seitdem weiter gegangen, und im Augenblick verzeichnen wir eine Arbeitslosenrate von fünf Prozent. Bei Hochschulabsolventen sind es sogar nur 2,5 Prozent..

Aber was tut sich in Europa? Die EZB verfolgt seit längerem eine ähnliche Strategie wie die Fed: Wertpapierkäufe im großen Stil und extrem niedrige (ja sogar negative) kurzfristige Zinssätze. Frankfurt tut also dasselbe wie Washington. Nur der Zweck ist ziemlich verschieden, und das Ergebnis auch.

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Denn in Europa ist Aktienbesitz keineswegs so verbreitet wie in den USA. Quantitative Easing kann bei Ihnen also nicht dazu dienen, die Privathaushalte reicher zu machen. Das weiß auch die EZB. Sie verfolgt mit ihrer Niedrigzinspolitik auch ein anderes Ziel – wichtig, aber nie offen proklamiert: Die Europäische Zentralbank möchte den Netto-Export aus der Euro-Zone stimulieren und sorgt darum für eine Abwertung des Euro. Das haben die europäischen Notenbanker im Prinzip auch geschafft: Gegenüber der amerikanischen Währung sank der Kurs des Euro vom Sommer 2014 bis zum Herbst 2015 von 1,40 auf 1,06 Dollar.

Europas Arbeitslosenquote ist ein Problem

Ich hatte seit Jahren für einen niedrigen Wechselkurs des Euro plädiert, also muss ich diese Strategie loben. Allerdings ist festzustellen, dass der Kursverfall den Netto-Export der Eurozone zwar stimuliert hat, die Auswirkung auf die Exportzahlen der einzelnen Euro-Mitgliedstaaten und ihre Wirtschaftsleistung aber sehr begrenzt sind.

Das lässt sich erklären. Zum einen wickeln die Euro-Länder einen großen Teil ihres Außenhandels mit anderen Ländern der Euro-Zone ab – da verändert der niedrige Außenwert des Euro gar nichts. Hinzu kommt, dass selbst Exporte in die USA wenig vom schwachen Euro tangiert werden, weil europäische Exporteure ihre Lieferungen in der Regel in Dollar fakturieren und diese Dollarpreise nur sehr langsam an den veränderten Wechselkurs anpassen. Gita Gopinath, meine Kollegin in Harvard, hat das voriges Jahr in einem wichtigen Aufsatz nachgewiesen. Auch darum stieg der gesamte Netto-Export aus der Euro-Zone von September 2014 bis September nur um drei Milliarden Euro – eine kaum spürbare Veränderung in einem Wirtschaftsraum mit einer jährlichen Leistung von elf Billionen Euro.

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Es gibt ein weiteres Motiv für die Anleihekäufe der EZB: Sie will dafür sorgen, dass die Geschäftsbanken in der Euro-Zone mehr Geld zur Verfügung haben, das sie an Unternehmen und Privatleute ausleihen können. Das funktioniert bisher kaum: Es gibt nur einen sehr schwachen Anstieg solcher Darlehen.

Und dann möchte die EZB die durchschnittliche Inflationsrate in der Euro-Zone mithilfe von QE steigern – auf ihr Ziel von knapp unter zwei Prozent. In den USA hat das funktioniert: QE hat die so genannte Kerninflation – also die Teuerung ohne Berücksichtigung der sinkenden Energie- und Lebensmittelpreise – in den vergangenen zwölf Monaten auf 2,1 Prozent steigen lassen. Das war eine Nebenwirkung des Anstiegs der realen Nachfrage, der sich aus der niedrigeren Arbeitslosigkeit ergab. Die hat inzwischen zu steigenden Löhnen geführt, und so ergibt sich die Teuerung. 

In der Euro-Zone kann diese Strategie wahrscheinlich nicht funktionieren, da die Arbeitslosenrate immer noch bei fast zwölf Prozent liegt, ungefähr fünf Prozentpunkte mehr als vor Beginn der Rezession. Mit Quantitative Easing dürfte die EZB eine stärkere Inflation nur auf dem Umweg über höhere Importpreise erreichen, die aus dem Kursverfall des Euro resultieren. Das hat aber nur eine sehr begrenzte Wirkung, und die Kerninflation in der Eurozone liegt immer noch unter einem Prozent.

EZB-Präsident Mario Draghi reagierte letztens auf neue Belege der wirtschaftlichen Schwäche der Euro-Zone und Daten über die extrem niedrige Inflation mit der Andeutung, es sei gut möglich, dass seine Bank bei der nächsten geldpolitisch wichtigen Sitzung im März die Geldpolitik noch weiter lockern werde. Das könnte eine weitere Absenkung von jetzt schon negativen kurzfristigen Zinssätzen bedeuten, auch eine Ausweitung oder Verlängerung des Programms Zum Aufkauf von Wertpapieren..

Die Erfahrungen der vergangenen Jahre und die hier vorgestellten Überlegungen legen nahe, das seine solche Linie sehr wenig zu Wirtschaftswachstum und gewünschter Preisentwicklung in der Euro-Zone beitragen wird. Um wirkliche Fortschritte bei der Belebung ihrer Volkswirtschaften zu machen, dürfen sich die einzelnen europäischen Staaten nicht so sehr auf Quantitative Easing und die EZB verlassen. Sie müssen sich auf Strukturreformen und auf ihre eigenen Haushaltspolitik konzentrieren.

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