Rhön-Klinikum Überraschender Coup sorgt für Aktienhoch

Der Klinik-Verkauf an Fresenius katapultiert die Rhön-Aktien in die Höhe. Analysten sprechen von einem „großartigen Deal“. Auf die Aktionäre wartet nun eine Sonderdividende.

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Konzern-Zentrale der Fresenius AG in Bad Homburg: Für über drei Milliarden Euro übernimmt das Unternehmen mehrere Einrichtungen der Rhön-Kliniken. Quelle: dpa

Frankfurt Die Milliardenübernahme eines Großteils ihrer Kliniken durch Fresenius hat die Aktien von Rhön-Klinikum am Freitag nach oben katapultiert. Wenige Minuten nach Börsenstart standen die Titel des Klinikbetreibers bei 19,44 Euro und schnellten mit einem Plus von 11,4 Prozent an die MDax-Spitze. Vorbörslich hatten die Papiere zeitweise fast ein Drittel an Wert gewonnen. Der MDax legte um 0,13 Prozent zu. Die im Dax notierten Fresenius-Aktien gewannen 5,4 Prozent. Fresenius-Titel verzeichneten ein Plus von 4,2 Prozent.

Analysten haben am Freitag positiv auf die Übernahme zahlreicher Rhön-Kliniken durch Fresenius reagiert. „Wir haben vor einem Jahr eine Übernahme als langfristig vorteilhaft gewertet, und wir gehen davon aus, dass die Vorteile eines nationalen Netzwerks und der entstehenden Synergien immer noch greifen“, schrieben die Analysten von Jefferies in einem Kommentar. „Wir begrüßen die Transaktion, durch die Fresenius der klare Marktführer in Deutschland wird.“ Ein Händler bezeichnete das Geschäft zudem als „großartigen Deal, vor allem für die Rhön-Aktionäre“. Der Konzern will nämlich in etwa zwei Drittel der Einnahmen an die Aktionäre weitergeben. Aber auch für Fresenius wertet der Börsianer den Kauf positiv. Die Analysten von Kepler reagierten mit einer Kauf-Empfehlung für die Rhön-Aktien. Für Rhön-Investoren sei das ein sehr attraktiver Deal, schrieben sie. Allerdings könnten Rechtsstreitigkeiten mit Asklepios und B.Braun folgen.

Die Spitzen von Fresenius und Rhön haben in den vergangenen Monaten mit ihren Juristen in aller Stille einen Plan ausgeheckt, der alle überrascht: Fresenius übernimmt nicht den gesamten Rhön-Konzern, sondern nur den Großteil seiner Kliniken. Konkret übernimmt Rhön 43 Kliniken und 15 medizinische Versorgungszentren für 3,07 Milliarden Euro. Die Aufsichtsräte und Vorstände beider Unternehmen hätten das Geschäft bereits abgesegnet und entsprechende Verträge unterschrieben, sagte ein Fresenius-Sprecher. Eine Zustimmung der Rhön-Aktionäre sei nicht mehr nötig. Sie sollen mit einer Sonderdividende von bis zu 13,80 Euro pro Aktie von dem Verkauf profitieren.

Wegen des Klinik-Verkaufs dürfte Rhön in absehbarer Zeit aus dem MDax fallen. „Ich gehe nicht davon aus, dass das in diesem Jahr noch passiert, aber im nächsten Jahr steht das sicher an“, sagte LBBW-Analyst Berndt Fernow. Noch ändere sich an der Marktkapitalisierung nichts. „Aber wenn sie den riesigen Erlös an die Aktionäre ausgeschüttet haben, dann dürfte der Aktienkurs in sich zusammenfallen, und dann werden sie auch aus dem MDax fallen.“ Fernow verwies auf das Beispiel Altana, bei dem es 2007 vergleichbar gelaufen sei. Altana hatte sein Pharmageschäft verkauft und war so auf die Chemiesparte geschrumpft. In der Konsequenz rutschten die Titel damals vom Dax in den MDax ab.

Mit diesem überraschenden Coup von Fresenius-Chef Ulf Schneider nimmt der monatelange Kampf um die Beherrschung von Rhön-Klinikum eine unerwartete Wendung. „Der Erwerb der Kliniken der Rhön-Klinikum AG ist ein bedeutender Schritt im weiteren Ausbau unseres Krankenhausgeschäfts“, sagte Schneider. Fresenius schluckt mit dem Kauf der Rhön-Zentren den fränkischen Klinikbetreiber praktisch durch die Hintertür. Rhön richtet sich im Gegenzug völlig neu aus und konzentriert sich künftig auf wenige Krankenhäuser, darunter auch die Uni-Klinik Gießen und Marburg. Damit zerschlägt Rhön-Gründer Eugen Münch sein Lebenswerk.

Fresenius war 2012 mit der Übernahme von Rhön-Klinikum gescheitert, weil sich der Konkurrenten Asklepios in letzter Minute bei der fränkischen Klinikkette eingekauft hatte. Kürzlich kündigte der Medizintechnikkonzern B. Braun an, seinen Anteil an Rhön auf über 25 Prozent aufzustocken, womit der Konzern einen Rhön-Verkauf dauerhaft hätte verhindern können. B. Braun und Asklepios wollten so die Schaffung eines übermächtigen Anbieters auf dem deutschen Klinikmarkt verhindern. „Die Blockade ist aufgehoben - die Kuh ist vom Eis“, sagte ein Beteiligter zu dem Fresenius-Vorstoß. B. Braun lehnte eine Stellungnahme ab, auch Asklepios wollte sich nicht äußern.

Fresenius übernimmt von Rhön Kliniken und Versorgungszentren, die im laufenden Jahr zusammen einen Betriebsgewinn (Ebitda) von 250 Millionen Euro und einen Umsatz von rund zwei Milliarden Euro erzielen sollen. Das sind rund zwei Drittel der Gesamterlöse von Rhön-Klinikum. Fresenius legt dafür 3,07 Milliarden Euro auf den Tisch - was ausschließlich über Fremdkapital finanziert werden soll. Fresenius übernimmt keine Finanzschulden von Rhön. Zusammen mit der eigenen Kliniktochter Helios könne Fresenius künftig in Deutschland eine flächendeckende Klinik-Versorgung anbieten.

Rhön will sich in Zukunft vor allem auf Krankenhäuser konzentrieren, an denen Spitzenmedizin und universitäre Forschung betrieben wird. Die Basis des nun deutlich kleineren Konzerns bilden die Häuser in Bad Berka und Frankfurt/Oder, der Stammsitz in Bad Neustadt sowie die Universitätskliniken in Gießen und Marburg. Die „neue Rhön“ formiert sich aus zehn Kliniken an fünf Standorten. Rund 15.000 Mitarbeiter erwirtschaften einen Umsatz von etwa einer Milliarde Euro. „Wir starten auf der Basis einer stabilen Ertragskraft, die wir für steigerungsfähig halten“, sagte Rhön-Klinikum-Chef Martin Siebert.


Helios wird durch Übernahme größter privat Klinikbetreiber Europas

Das Bundeskartellamt muss noch grünes Licht für das Geschäft geben. Dort hieß es am Freitagmorgen, es liege noch keine Anmeldung der Pläne von Fresenius vor. Rhön will nach eigenen Angaben die EU-Kommission bitten, die Pläne durch das Kartellamt prüfen zu lassen. Damit könnte das Verfahren erheblich verkürzt werden. Bei bestimmten Krankenhäusern ist auch die Zustimmung der ehemaligen Eigentümer nötig, meist der jeweiligen Kommune. Fresenius will den „überwiegenden Teil der Transaktion“ bis Ende des Jahres über die Bühne bringen.

Die Fresenius-Tochter Helios wird nach der Übernahme mit 117 Kliniken und einem Umsatz von rund 5,5 Milliarden Euro der größte private Klinikbetreiber in Europa sein. In Deutschland wird Helios der erste Anbieter mit einem flächendeckenden Kliniknetz und kann damit Angebote wie eine private Zusatzversicherung für gesetzlich Versicherte einführen. Damit würde ein großer Traum von Rhön-Gründer Münch erfüllt, der den Verkauf an Fresenius vor rund zwei Jahren einfädelte. Seine Idee war es, einen allumfassenden Klinikversorger mit angeschlossener Zusatzversicherung zu schaffen. Der nun deutlich geschrumpfte Rhön-Klinikum-Konzern ist hingegen nur noch auf wenige Standorte beschränkt.

„In Zukunft wird die Mehrheit der Menschen in Deutschland binnen einer Stunde eine Helios-Klinik erreichen können“, erklärte Fresenius. Zudem will der Konzern künftig eng mit den verbliebenen Rhön-Kliniken zusammenarbeiten und ist offen, auch weitere Krankenhäuser in dieses Netzwerk aufzunehmen. Der Zukauf werde sich bereits im ersten vollen Jahr nach seinem Abschluss positiv auf das Ergebnis je Aktie auswirken. Einmalaufwendungen von rund 80 Millionen Euro vor Steuern sind dabei allerdings nicht eingerechnet. Vor allem im Einkauf kann Fresenius durch den Klinikerwerb Kosten einsparen.

Fresenius-Chef Schneider hat den Konzern aus dem hessischen Bad Homburg in den vergangenen Jahren durch zahlreiche Milliarden-Übernahmen zu einem globalen Firmenkonglomerat ausgebaut. Die in aller Öffentlichkeit gescheiterte Übernahme von Rhön-Klinikum 2012 war für ihn allerdings ein großer Rückschlag.

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