Spielraum für Währungshüter Der Absturz des Goldpreises hilft Notenbanken

Mit dem Preisrutsch bei Gold erhalten die machtbewussten Zentralbanker einen weiteren Grund, mit ihrer lockeren Geldpolitik fortzufahren. Auch einige Ökonomen ändern ihre Meinung – die Angst vor der Inflation sinkt.

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Die Goldreserven der Schweizer Notenbank. Quelle: Reuters

Es gibt viele Erklärungen für den stärksten Einbruch des Goldpreises seit über 30 Jahren: Enttäuschende Konjunkturdaten aus China und den USA, die Sorgen um das globale Wirtschaftswachstum auslösen; Investoren, die ihre langjährigen Wetten aufgeben und dass die geldpolitischen Anreize die Inflation anheizen werden.

Andere Erklärungen reichen von der Ansicht, dass der Goldpreis bestimmte technische Niveaus erreicht hat bis hin zu Ängsten, dass die Zypern-Krise einen Ausverkauf der Goldreserven auch bei anderen auslösen könnte.

Aber die Kombination aus Wachstumssorgen und der verringerten Inflationsängsten stärkt die Position von US-Notenbankchef Bernanke und seinen internationalen Kollegen, die ihre Volkswirtschaften weiterhin mit Geld fluten – in der Hoffnung, die Konjunktur nimmt wieder Fahrt auf. Zudem dürfte es ihnen helfen, Kritiker in die Schranken zu weisen.

„Zentralbanken können jetzt, da der Goldmarkt in Bezug auf die Ängste vor Hyperinflation eingeknickt ist, opportunistisch sein und mit ihrer quantitativen Lockerung fortfahren“, sagte Edward Yardeni, Präsident und Chef-Investmentstratege bei Yardeni. „Sie könnten auch argumentieren, dass die Schwäche der Rohstoffpreise auf Wachstumssorgen deutet, was umso mehr ein Grund wäre, (ihren Weg) fortzusetzen“, fügte er an.

Der Goldpreis ist seit August 2011 um über 27 Prozent eingebrochen und befindet sich damit in einem Bärenmarkt. Davor hat sich Gold zwölf Jahre lang verteuert – getrieben von Investoren die darauf setzten, zunehmende Inflation und die Zentralbankhilfen würden Gold zu einem sicheren Hafen für ihr Vermögen machen – und in dem Glauben, der Preis würde immer weiter steigen.

Der Preisrutsch nun kam wenige Tage bevor sich die wichtigsten Finanzmister und Notenbankchefs in Washington treffen, um über Anzeichen einer weltweiten Wachstumsverlangsamung zu reden. Der Internationale Währungsfonds hatte gerade seine Prognose für das globale Wachstum auf 3,3 Prozent zurückgestutzt. Im Januar war der IWF noch von 3,5 Prozent Wachstum ausgegangen.

Die schwächeren Aussichten könnten eine Erklärung dafür sein, weshalb es zu dem Ausverkauf bei Gold und anderen Rohstoffen gekommen ist, meint Igor Arsenin, Leiter Zinsstratege bei Barclays. Der Preis für Rohöl der Sorte Brent ist am Dienstag erstmals seit Juli unter die Marke von 100 Dollar je Barrel gesunken. Den Zentralbanken liefere dies eine Rechtfertigung für ihre geldpolitische Lockerung, sagte Jonathan Wright, Professor für Ökonomie an der Hopkins-University in Baltimore. Wright war früher selbst für die Federal Reserve tätig.

„Mit den jüngsten Anzeichen von Konjunkturschwäche halte ich es für unwahrscheinlich, dass die geldpolitischen Anreize in absehbarer Zeit auch nur reduziert werden“, sagte Wright. „Zum vierten Mal in Folge beginnt das Jahr mit Lärm um die bevorstehende Exit-Strategie und dann verläuft alles im Sand“, ergänzte er.


Die Inflation bleibt aus

Aus Sicht der US-Notenbank würden die billigeren Rohstoffe die Notwendigkeit verstärken, dieses Jahr weiterhin Anleihen zu kaufen, sagte Joseph Gagnon, vom Peterson Institute for International Economics. „Wir haben uns noch nicht erholt und wir erholen uns nicht schnell“, sagte Gagnon, „in keiner Weise haben wir eine adäquate Erholung.“

Nach Ansicht von Neil Mackinnon, Stratege bei VTB, deutet der Goldpreiseinbruch daraufhin, dass Investoren infrage stellen, dass billiges Geld eine unkontrollierbare Inflation auslöst. Die weltweite Verbraucherpreisinflation ist im vergangenen Jahr um einen Prozentpunkt gesunken und dürfte sich nach Einschätzung der Volkswirte um Bruce Kasman von JPMorgan in den zwölf Monaten von 2,5 Prozent auf 2,0 Prozent abschwächen.

„Bisher waren die Märkte besorgt, das QE (Quantitative Easing, die Lockerung der Geldpolitik; Anm. d. Red.) Inflation bedeutet. Aber wir haben QE nicht nur bei der Fed, sondern auch bei der japanischen Notenbank – und trotzdem sieht die Weltwirtschaft unsicherer aus als noch vor drei oder vier Monaten, sagt Mackinnon, der früher beim britischen Finanzministerium tätig war. Das generelle Bild sei, dass die Inflation sehr gedämpft ist, ergänzte er.

Marcus Grubb, Investmentanalyst beim World Gold Council, sagt, Gold werde verkauft, weil die Investoren glauben, „dass die Erholung kommt und Gold dann als Anlage weniger sinnvoll ist“.

Der Preisrutsch um 13 Prozent innerhalb von zwei Tagen – der größte seit Januar 1980 – wurde zu einem „Panik-Ereignis“, dass nicht auf Fundamentaldaten beruhte, sagte Catherine Raw, Fondsmanagerin bei BlackRock, in einem Interview mit Bloomberg Television.

Frank McGhee, Chefhändler bei Integrated Brokerage, berichtete, dass einige Investoren versuchten, Geld zu beschaffen, um Positionen, die sie mit Krediten eingegangen waren, abzudecken. Goldman Sachs schrieb Mitte April, die Kehrtwende im Goldzyklus beschleunige sich und Investoren sollten das Edelmetall verkaufen. Besorgnis, dass Zypern gezwungen wird, einen Teil seiner Goldreserven zu verkaufen, hätten den Ausverkauf bei Gold ausgelöst, weil dies „potenziell eine umfangreichere Monetarisierung der Goldreserven bei anderen europäischen Zentralbanken widerspiegelt“, hieß es.

„Es gab große Angst, dass eine aggressive Zentralbankpolitik die Inflation anheizen oder die Währung schwächen würde und nichts ist passiert“, sagte Kit Juckes, Stratege bei Société Générale. „Die Tatsache, dass wir mitten im Jahr 2013 sind und nichts davon geschehen ist, hat ausgereicht, um für eine übergroße Korrektur bei Gold zu sorgen“, ergänzte er.

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