Staatsanleihen Italiens Gläubiger lassen sich nicht schockieren

Das Ergebnis der Volksabstimmung in Italien sorgt an den Anleihemärkten kurz für Wirbel. Mittlerweile jedoch erholen sich die Kurse italienischer Staatsanleihen. Eine Spurensuche.

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Nach dem gescheiterten Verfassungsreferendum will Italiens Premier zurücktreten. Quelle: Imago

Frankfurt Mit dieser Reaktion hätte kaum jemand gerechnet: Die Italiener haben ihren Premier Matteo Renzi abgestraft und klar gegen dessen geplante Verfassungsreform votiert. Doch von Unsicherheit ist an den Märkten keine Spur. Im Gegenteil: Die Aktienmärkte steigen, und Investoren verabschieden sich von den als sicherer Anlagehafen geltenden deutschen Bundesanleihen. Im Gegenzug zum fallenden Kurs steigt die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe wieder über die Marke von 0,3 Prozent. Das entspricht einem Anstieg von 0,04 Prozentpunkten gegenüber dem Freitag.

„Vor dem Referendum in Italien waren die Bund-Renditen bereits deutlich gesunken, von daher war das Potenzial für weitere Renditerückgänge begrenzt“, meint Christoph Rieger, Leiter der Zins- und Kreditstrategie bei der Commerzbank. Zudem hätten die Investoren inzwischen Erfahrungen mit überraschenden Wahlausgängen. „Nach dem Brexit-Votum und der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten hielten die Schocks und die Flucht in die sicheren Anlagehäfen schließlich nur kurz an“.

Mit Blick auf die Bundesanleihen sind 0,3 Prozent Rendite für zehnjährige Papiere nicht viel. Auch bei italienischen Anleihen hält sich der Renditeanstieg in Grenzen. Die Rendite der zehnjährigen italienischen Staatsanleihe klettert zwar um 0,11 Prozentpunkte auf zwei Prozent. Mitte November hatte sie aber sogar noch etwas höher gelegen. „Italiens Anleihemärkte hatten die Ablehnung der Verfassungsreform schon größtenteils eingepreist“, meint Adrian Hilton, Anleiheportfoliomanager bei Columbia Threadneedle Investments.

Dennoch sind die Renditeanstiege bemerkenswert – gerade bei Bundesanleihen. Denn bis zum Herbst kannten die Bundesanleihen nur eine Richtung: Die Kurse stiegen und die Renditen fielen immer weiter. Ihr historisches Tief hatte die Rendite der zehnjährigen Bundesanliehe im Juli mit minus 0,2 Prozent markiert. Auch im September lag sie immer noch 0,15 Prozent im Minus. Anleger, die damals eine zehnjährige Bundesanleihe kauften und sie bis zur Fälligkeit halten, machen somit einen kleinen Verlust.

Der Wind hat sich aber gedreht. Immer mehr Experten sprechen davon, dass der mehr als 35-jährige Bullenmarkt mit weltweit steigenden Anleihekursen und fallenden Renditen zu Ende geht. Das verunsichert Investoren.

Für den Umschwung gibt es mehrere Gründe: Zum einen machen sich Anleger wieder Sorgen über die Inflation. Die Ursachen dafür sind der gestiegene Ölpreis und die angekündigte Politik des designierten US-Präsidenten Donald Trump. Trump will die Wirtschaft über ein Konjunkturprogramm und Steuersenkungen ankurbeln. In den USA ist herrscht aber schon jetzt nahezu Vollbeschäftigung. Die Folge: „Mit Trump ist das Schreckgespenst der Inflation nach Amerika zurückgekehrt“, sagt Brian Tomlinson, Fondsmanager bei Allianz Global Investors.


Ex-Bundesbankchef Axel Weber warnt

Das dürfte auch die US-Notenbank Fed auf den Plan rufen. Eine Zinserhöhung in den USA im Dezember gilt gerade nach den jüngsten Arbeitsmarktdaten aus den USA als ausgemachte Sache. Investoren fürchten aber, dass die Fed die Leitzinsen im nächsten Jahr noch stärker als erwartet anheben könnte. Dies hat die Rendite der zehnjährigen US-Anleihe auf bis zu 2,3 Prozent und damit über ihren Stand vom Jahresanfang steigen lassen.

Dazu kommt: Investoren vertrauen auch der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht mehr uneingeschränkt. Die meisten Anleger erwarten zwar noch, dass die EZB bei ihrer Sitzung an diesem Donnerstag beschließen wird, ihr Anleihekaufprogramm noch etwas zu verlängern. Der EZB dürfte daran gelegen sein, Sorgen zu besänftigen, meint Neil Dwane, Stratege bei Allianz Global Investors. Dennoch: Spätestens im kommenden September dürfte die EZB eine Diskussion um das Auslaufen der Anleihekäufe anstoßen, meint Laurence Mutkin, Zinsstratege bei der BNP Paribas. Sorgen um dieses sogenannte „Tapering“ belasten die Märkte schon länger.

Axel Weber, Verwaltungsratschef der Schweizer Großbank UBS und Ex-Chef der Deutschen Bundesbank, sieht die Lage noch viel kritischer. Die britische „Financial Times“ zitiert ihn mit der Aussage, dass die EZB im nächsten September sogar schon die Leitzinsen erhöhen könnte, um so der Fed zu folgen. Darauf, so Weber, wären die Märkte nicht vorbereitet.

Das stimmt wohl, denn eine Leitzinserhöhung im Euro-Raum hat von den großen Banken kaum jemand auf der Agenda. „Die Aussagen von Weber passen ins Bild von den Ängsten vor einem Ende des Anleihe-Bullenmarktes, bewegen den Markt aber nicht“, meint dazu Rieger von der Commerzbank. Weber hat im Jahr 2011, schon damals ein Gegner der Krisenpolitik unter dem damaligen EZB-Chef Jean-Claude Trichet, seinen Job als Bundesbankpräsident aufgegeben.

Zur Zinspolitik äußert er sich aber immer noch gern: Anfang des September hatte Weber auf der Handelsblatt-Tagung „Banken im Umbruch“ noch prophezeit, dass die Realzinsen auf Dauer sehr niedrig bleiben würden. Grund dafür seien die „Kombination aus demografischem Wandel und technologischem Fortschritt“. Daran werde sich noch nicht einmal etwas ändern, wenn die Notenbanken den Zinshebel umlegen und sich von ihrer „ungeeigneten“ Geldpolitik verabschieden würden.

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