Unternehmensanleihen Der Markt wird zum Flaschenhals

Das Angebot steigt, die Nachfrage sinkt: Der Handel mit Unternehmensanleihen entwickelt sich zunehmend besorgniserregend. Besonders riskant wird es, wenn viele Investoren auf einmal verkaufen wollen.

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Ein Händler an der Frankfurter Börse. Der Markt für europäische Unternehmensanleihen ist seit der Finanzkrise um rund 70 Prozent zurückgegangen. Quelle: dpa

Frankfurt Händler von Anleihen haben dem Vermögensverwalter Gary Kirk seine Arbeit sehr erschwert, als er Ende des ersten Halbjahrs Unternehmensanleihen verkaufen wollte. Nach dem er „Ausrede um Ausrede“ erhalten hatte, gab er auf.

„Es war schwieriger als es sein sollte“, sagt Kirk, der bei TwentyFour Asset Management in London arbeitet. Die Banken boten Kurse, die weit unter seinen Erwartungen lagen. Oder sie sagten, sie hätten sich aus dem Geschäft zurückgezogen. „Es war sehr, sehr schwierig, irgendjemandem ein Gebot aus der Nase zu ziehen“, klagt Kirk.

Die Liquidität am Markt für europäische Unternehmensanleihen ist seit der Finanzkrise von 2008 um rund 70 Prozent zurückgegangen und sinkt weiter. Dabei haben die Neuemissionen zugenommen und das Gesamtvolumen des Marktes ist gewachsen, wie aus Angaben von Royal Bank of Scotland Group hervorgeht. Eine europäische Unternehmensanleihe wird RBS zufolge nun im Durchschnitt einmal täglich gehandelt, während sie vor zehn Jahren noch fast fünfmal am Tag den Eigentümer wechselte.

Die Europäische Zentralbank ebenso wie die Bank von England nannten in ihren jüngsten Finanzstabilitätsberichten den Mangel an Liquidität an den Anleihemärkten als Grund zur Sorge. Das Risiko liegt darin, dass im Fall eines Umschlags der Stimmung alle Bondinvestoren gleichzeitig verkaufen wollen.

Der Handel mit den Anleihen ist schwieriger geworden, obwohl das Emissionsvolumen von Unternehmensbonds dieses Jahr um mehr als 25 Prozent auf rund 565 Milliarden Euro gestiegen ist, im Vergleich zu 447 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum. Das zeigen von Bloomberg zusammengestellte Daten. Historisch niedrige Renditen, gestützt von den beispiellosen geldpolitischen Anreizen der Zentralbanken, führen zu Besorgnis, dass sich eine Blase am Bondmarkt bildet. Aufsichtsinstanzen und Analysten erhoben bereits ihre Stimmen und warnten vor künftiger Instabilität.

Vermögensverwalter sollten ihre Positionen durch Hedging absichern, um dem Risiko von Verlusten auf illiquide Wertpapiere zu entgehen, sagt Kirk. „Der Ausstieg wird zu einer Herausforderung werden, das ist die Sorge jedes Portfoliomanagers - und wenn sie es nicht ist, dann sollte sie es sein“, fügt Kirk an.


Gefahr einer Überreaktion

Für die Strategen Stephane Deo und Ramin Nakisa von der UBS in London ist das Verhältnis von Emissionen zu täglichem Handelsumsatz ein „besorgniserregendes Zeichen“. Der Mangel an Liquidität sei ein Schlüsselthema und könne zu einer scharfen Überreaktion am Markt führen, schrieben sie in einem Bericht vom 24. Juli. „Wir hegen ernsthafte Zweifel an der Fähigkeit der Markt-Macher, in einem volatilen Szenario für Liquidität zu sorgen“, hieß es weiter.

Die Händler sind weniger bereit als vor der weltweiten Finanzkrise, Anleihen in die Bücher zu nehmen, während sie nach Käufern suchen, weil die seither eingeführten Vorschriften von den Banken verlangen, mehr Eigenkapital gegen ihre Handelsgeschäfte vorzuhalten. „Die Fähigkeit der Händler, Risiken in die Bücher zu nehmen hat sich strukturell verringert“, sagt Alberto Gallo, Leiter Makro-Kredit-Analyse bei RBS in London.

Höhere Kosten des Handels führen auch dazu, dass es für die Banken interessanter wird, sich entweder ganz zurückzuziehen oder sich nur noch auf bestimmte Sektoren des Marktes zu konzentrieren. Die Schweizer UBS beispielsweise streicht 10.000 Stellen und zieht sich aus dem größten Teil ihres Anleihe-Handels zurück.

Banco Bilbao Vizcaya Argentaria, die zweitgrößte spanische Bank, konzentriert sich auf einige lateinamerikanische Länder, die südlichen US-Bundesstaaten sowie Südeuropa, wie Oscar Alvarez, Leiter Credit weltweit mit Sitz in London, berichtet. „Die Banken werden keine Liquidität mehr bereitstellen, daher müssen Investoren einspringen“, schlussfolgert er.

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