US-Aktien Experten erwarten Bullenschwäche

Fünf Jahre hatte der US-Aktienindex Standard & Poor's 500 ein sattes Gewinnwachstum, nun warnen Experten vor einem Einbruch. Investoren stocken bereits ihre Absicherungen gegen Verluste auf.

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Die Erwartungen für die kommenden Jahre sollten bei US-Aktien nicht zu hoch sein, raten Experten. Quelle: ap

New York Fünf Jahre lang lag das Gewinnwachstum im US-Aktienindex Standard & Poor's 500 bei mehr als 17 Prozent. Jetzt warnen Experten vor sinkenden Gewinnen und einem schwächeren Bullenmarkt. Kursanstiege von derzeit nahezu 25 Prozent jährlich werden sich in den kommenden zehn Jahren auf drei Prozent verringern, sagte Investmentchef Doug Ramsey von Leuthold Group LLC. Sein Kollege Jonathan Glionna von Barclays Plc sieht zu wenig Nachfrage aus den Auslandsmärkten, um den S&P 500 im Rest dieses Jahres um mehr als ein Prozent steigen zu lassen.

Weder Ramsey noch Glionna prognostizieren allerdings ein Ende des Bullenmarktes. Nachdem es mehr als zwei Jahre lang ohne Pause aufwärts gegangen ist, schwächen sich die Stimmungsindikatoren allerdings ab. Investoren nehmen so viele Absicherungstransaktionen wie seit 2008 nicht mehr vor - ein Zeitraum, in dem Aktien 15 Milliarden Dollar an Wert gewonnen haben.

Die Erwartungen für die kommenden Jahre zu dämpfen ist der Rat von Ramsey, der bei Leuthold in Minneapolis über Investorengelder von rund 1,7 Milliarden Dollar wacht. „Es ist gefährlich, beim derzeitigen Niveau weiter von überdurchschnittlichem Gewinnwachstum auszugehen”, sagte er, „denn wir haben keine gedrückten Gewinne wie 2009.”

Der S&P 500 hat seit Jahresbeginn 5,8 Prozent zugelegt, verglichen mit 16 Prozent im selben Zeitraum 2013 und zwölf Prozent in der Periode 2012. Zwar hat der Index dieses Jahr bereits mehr als 20 Mal neue Rekorde markiert, aber die Anstiege flachen sich ab. Die Bewertungen haben den höchsten Stand seit 2010 erreicht. Überdies bereiten sich die Investoren auf die Rücknahme der außerordentlichen Konjunkturmaßnahmen, im Händlerjargon “QE” genannt, durch die US-Notenbank vor.

„Das QE hat für einen angenehmen Rückenwind gesorgt, und wenn der nun abflaut, muss das Wachstum zunehmen”, sagte David Lafferty, leitender Marktstratege bei Natixis Global Asset Management in Boston. “Wir neigen jetzt wieder zu der Ansicht, dass Gewinne und Zukunftserwartungen für Aktien das Gewinnwachstum widerspiegeln sollten.”

Seit seinem Zwölfjahrestief im März 2009 hat der S&P 500 jährliche Gewinne von 24,2 Prozent verzeichnet. Im selben Zeitraum stiegen die Gewinne jährlich um 17 Prozent, wie von S&P Dow Jones und Bloomberg zusammengestellte Daten zeigen.

Das jährliche Umsatzwachstum dagegen ist mit rund 5,2 Prozent geringer ausgefallen. Unternehmen haben mit Kostensenkungen und Aktienrückkäufen die Lücke gefüllt. Die Margen im S&P 500 - die Differenz zwischen Ertrag und Ausgaben - hat in den letzten drei Monaten 2013 den Rekordstand von 9,8 erreicht und wird nach Schätzungen von S&P-Indexanalyst Howard Silverblatt im zweiten Quartal dieses Jahres bei 10,2 Prozent liegen.

„US-Aktien wechseln von einer Erholungsrally in eine Periode geringerer Erträge. Es zeigt sich, dass der Nutzen der Margenausweitung und der Aktienrückkäufe bereits eingepreist ist”, schrieb Barclays-Stratege Glionna in einer Studie. Seine Prognose für den S&P 500 in diesem Jahr lautet auf 1975 Punkte. Die Rückkehr zu einem schnelleren Umsatzwachstum werde zur Voraussetzung für höhere Bewertungen, sagte Glionna.


Anleger rüsten sich mit Absicherungen

Von Bloomberg befragte Analysten erwarten zwar ein Gewinnwachstum bis 2016 von jährlich acht Prozent. Aber laut Ramsey wird das Gewinnwachstum zukünftig einen geringeren Einfluss auf die Kurse haben. Er verwendet eine Formel, die die Gewinne über fünf Jahre glättet, und demnach wird der S&P 500 mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von etwa 21 gehandelt. In den achtzig Jahren von 1929 bis 2008 waren die Gewinne amerikanischer Unternehmen um durchschnittlich 5,3 Prozent jährlich gewachsen. Wenn diese Rate auch in den kommenden zehn Jahren gilt und die Bewertungen wieder zum Medianwert von 16,7 zurückkehren, so würde der S&P 500 bis 2024 einen Stand von 2646 erreichen - ein jährliches Plus von drei Prozent, laut Ramsey.

Die Bewertungen sind bereits ziemlich hoch”, erklärt er. „Es ist riskant, für die nächsten zehn Jahre von normalen Marktrenditen von zehn Prozent auszugehen, weil die Bewertungen einen Teil der zukünftigen Erträge einpreisen.”

Investoren stocken unterdessen ihre Absicherungen gegen Verluste im S&P 500 auf. In einer Umfrage der Bank of America von Anfang August erklärten 27 Prozent der Befragten, dass sie Vorkehrungen gegen einen Einbruch innerhalb der nächsten drei Monate getroffen haben - der höchste Anteil seit 2008.

In den zehn Tagen bis zum 14. August kamen an der Chicago Board Options Exchange auf hundert Kaufoptionen - also Termingeschäfte, die auf steigende Kurse setzen - 70 Puts, die vom Gegenteil ausgehen. Das ist der höchste Anteil seit Juni 2013, wie von Bloomberg zusammengestellte Daten zeigen.

„Der Markt hat in nur fünf Jahren fast 300 Prozent zugelegt”, schrieb Justin Golden von Lake Hill Capital Management LLC. „Bestimmte Ereignisse können eine Abwärtsspirale auslösen, und dann will niemand der Letzte sein, der aussteigt.”

Auch das stärkste Gewinnwachstum seit drei Jahren hat zuletzt nicht ausgereicht, um die Kurse steigen zu lassen. Geopolitische Krisen im Irak und in der Ukraine verhinderten das.

Nachdem die anhaltenden Gewinne den S&P 500 25 Prozent über sein vorheriges Hoch von 2007 gehoben haben, macht sich nun Unruhe unter den Investoren breit. Der Bullenmarkt ist jetzt stärker von Umsätzen und Gewinnen abhängig, erklärt David Kahn von Convergent Wealth Advisors: „Die Stimmung ist sehr defensiv”, sagte er, „fünf bis zehn Prozent jährlicher Ertrag in den nächsten Jahren wären nicht schlecht und reichen aus, damit die Investoren bei der Stange bleiben. Letztlich werden wir die Rechnung bezahlen müssen - entweder durch eine Marktkorrektur, oder durch reales Umsatzwachstum, damit der Markt in die nächste Phase eintritt.”

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