Tatiana Rizzante ist mit ihrem Latein am Ende. Schon wieder muss die Chefin des Turiner Softwarehauses Reply Investoren erklären, warum ihre Aktien so schlecht stehen. Die Geschäfte laufen gut, um 15 Prozent stieg der Umsatz im vergangenen Jahr, seit 1999 wuchs Reply von 18 auf fast 440 Millionen Euro Umsatz heran. Das Familienunternehmen, 1996 von Rizzantes Vater Mario gegründet, ist hoch profitabel, hat kaum Schulden. Doch die Börse straft mit Missachtung.
Nur den 6,5-fachen Jahresgewinn kostet Reply dort; das langjährige Durchschnitts-KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) für Aktien weltweit liegt bei 15. „Wir können derzeit melden, was wir wollen – der Kurs bewegt sich kaum.“ Warum das so ist, ahnt Rizzante: „Investments in Italien gelten als zu riskant, zu unsicher, zu wachstumsschwach“, vermutet die Managerin, „ich wette mit Ihnen: Wären wir ein britisches oder deutsches Unternehmen, unser Börsenwert läge bei gleichem Umsatz und Gewinn locker beim Dreifachen.“
Mit Ländermalus
Erfahrene Anleger wie Frank Fischer, Manager des Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen, bestätigen das. „Großinvestoren aus London und New York machen einen Bogen um die Aktienmärkte der Krisenländer in Südeuropa“, sagt Fischer, „kein Manager einer Pensionskasse oder eines Fonds will sich nachsagen lassen, er sei ohne Not ein hohes Länderrisiko eingegangen, während die Spatzen von den Dächern pfiffen, dass Griechen- land, Portugal, Spanien und Italien auf die Pleite zusteuern oder aus dem Euro fliegen könnten.“
Durch das massive Eingreifen der Europäischen Zentralbank in den letzten Wochen, die in zwei Tranchen rund eine Billion Euro in die notleidenden Bankensysteme vor allem Südeuropas gepumpt hat, wurden diese Ängste zumindest auf kurze Frist erstickt. Investoren fürchten jetzt die rigiden Sparprogramme, die in allen Krisenländern Südeuropas aufgelegt wurden und auf Jahre deren Konjunktur schwächen werden. „Nicht nur die Griechen, auch Portugal, Italien und Spanien haben zudem ein Strukturproblem“, meint Gerald Kichler vom Vermögensverwalter Flossbach von Storch in Köln, „sie sind zu unproduktiv, sie haben viel zu hohe Lohnstückkosten, und sie investieren zu wenig in Bildung, Forschung und Entwicklung.“
Chance auf Schnäppchen
So weit, so schlecht – und so bekannt. Doch was auf Länderebene stimmt, gilt nicht für alle Unternehmen. Anders als ihre Heimatstaaten sind viele italienische und spanische Firmen kerngesund. Sie haben kaum Schulden und wachsen, sie sind profitabel – und an der Börse unterbewertet. Der Länderabschlag gegenüber vergleichbaren Wettbewerbern kann sich jedoch auch wieder verringern; etwa dann, wenn sich Reformregierungen im Amt halten und Erfolge verzeichnen sollten.
Italienische Schnäppchenaktien
Branche: Industrie-Automation
ISIN: IT0004053440
Börsenwert: 370 Millionen Euro
Umsatz (2012 geschätzt): 441 Millionen Euro
Kurs-Gewinn-Verhältnis: 2011: 10,1; 2012 (geschätzt): 9,2
freier Cash-Flow: 50 Millionen Euro
Dividende: 2,7 Prozent Rendite
Netto-Finanzschulden: 71 Millionen Euro
Chance/Risiko (WirtschaftsWoche-Einschätzung für die nächsten 12-18 Monate, 1 = sehr niedrig, 10 = sehr hoch): 7/6
Stellt Bar-Code- und Funkchip-Lesegeräte (RFID) her, eine Schlüsseltechnik zum Automatisieren von Prozessen in Fertigung und Logistik. Nach Verlusten 2009 Turn-around geschafft.
Branche: Hüttentechnik
ISIN: IT0000076486
Börsenwert: 1245 Millionen Euro
Umsatz (2012 geschätzt): 3011 Millionen Euro
Kurs-Gewinn-Verhältnis: 2011: 9,4; 2012 (geschätzt): 8,8
freier Cash-Flow: 31 Millionen Euro
Dividende: 1,8 Prozent Rendite
Netto-Finanzschulden: keine
Chance/Risiko (WirtschaftsWoche-Einschätzung für die nächsten 12-18 Monate, 1 = sehr niedrig, 10 = sehr hoch): 8/7
Weltweit führender Hersteller von Anlagen zur Stahlproduktion wie Hochöfen; stark in China und Indien. Erlitt Anfang 2011 Gewinneinbruch. Mehr Cash auf der Bilanz als Börsenwert.
Branche: Medizintechnik
ISIN: IT0003492391
Börsenwert: 1222 Millionen Euro
Umsatz (2012 geschätzt): 1090 Millionen Euro
Kurs-Gewinn-Verhältnis: 2011: 11,1; 2012 (geschätzt): 10,4
freier Cash-Flow: 77 Millionen Euro
Dividende: 2,3 Prozent Rendite
Netto-Finanzschulden: keine
Chance/Risiko (WirtschaftsWoche-Einschätzung für die nächsten 12-18 Monate, 1 = sehr niedrig, 10 = sehr hoch): 8/7.Spezialist für Labordiagnostik und Analysegeräte, weltweit in 24 Ländern aktiv, hoher Exportanteil, gute Gewinnmarge (Ebit: 25 Prozent vom Umsatz), 33 Millionen Euro netto Cash.
Branche: Öl und Gas
ISIN: IT0003132476
Börsenwert: 70.454 Millionen Euro
Umsatz (2012 geschätzt): 31.245 Millionen Euro
Kurs-Gewinn-Verhältnis: 2011: 7,96; 2012 (geschätzt): 7,2
freier Cash-Flow: 2737 Millionen Euro
Dividende: 6,1 Prozent Rendite
Netto-Finanzschulden: 26.789
Chance/Risiko (WirtschaftsWoche-Einschätzung für die nächsten 12-18 Monate, 1 = sehr niedrig, 10 = sehr hoch): 6/5
Weltweit aktiver integrierter Öl- und Gaskonzern. Im Vergleich zu Wettbewerbern niedrige Förderkosten, stark in Nordafrika. Libyen-Abschlag der Aktie sollte allmählich schwinden.
Branche: Automobil
ISIN: IT0001976403
Börsenwert: 5909 Millionen Euro
Umsatz (2012 geschätzt): 21.000 Millionen Euro
Kurs-Gewinn-Verhältnis: 2011: 6,8; 2012 (geschätzt): 4,6
freier Cash-Flow: -333 Millionen Euro
Dividende: 2,1 Prozent Rendite
Netto-Finanzschulden: 8878
Chance/Risiko (WirtschaftsWoche-Einschätzung für die nächsten 12-18 Monate, 1 = sehr niedrig, 10 = sehr hoch): 7/6
Niedriges KGV, dürfte zunehmend von Synergieeffekten aus der Beteiligung an Chrysler (58,5 Prozent) profitieren. Chrysler ist saniert, machte 2011 Rekordumsatz und wieder Gewinn.
Branche: Hypothekenvermittlung
ISIN: IT0004195308
Börsenwert: 134 Millionen Euro
Umsatz (2012 geschätzt): 58 Millionen Euro
Kurs-Gewinn-Verhältnis: 2011: 6,9; 2012 (geschätzt): 13,6
freier Cash-Flow: 13 Millionen Euro
Dividende: 11,6 Prozent Rendite
Netto-Finanzschulden: keine Angaben
Chance/Risiko (WirtschaftsWoche-Einschätzung für die nächsten 12-18 Monate, 1 = sehr niedrig, 10 = sehr hoch): 9/8
Die Aktie des Hypothekenvermittlers leidet stark unter der schlechten Stimmung im italienischen Finanzsektor, das nächste Quartal dürfte noch hässlich werden. Langfrist-Kauf.
Branche: Elektrotechnik
ISIN: IT0000076197
Börsenwert: 463 Millionen Euro
Umsatz (2012 geschätzt): 2804 Millionen Euro
Kurs-Gewinn-Verhältnis: 2011: 6,5; 2012 (geschätzt): 6,9
freier Cash-Flow: 8 Millionen Euro
Dividende: 5,6 Prozent Rendite
Netto-Finanzschulden: 240
Chance/Risiko (WirtschaftsWoche-Einschätzung für die nächsten 12-18 Monate, 1 = sehr niedrig, 10 = sehr hoch): 7/6.
Stellt hochwertige Hausgeräte wie Kühlschränke, Herde und Trockner her, wächst stark in Schwellenländern wie Russland. Extrem niedrige Umsatzbewertung an der Börse.
Branche: Medien
ISIN: IT0001398541
Börsenwert: 440 Millionen Euro
Umsatz (2012 geschätzt): 886 Millionen Euro
Kurs-Gewinn-Verhältnis: 2011: 9,3; 2012 (geschätzt): 8,5
freier Cash-Flow: 58 Millionen Euro
Dividende: 5,6 Prozent Rendite
Netto-Finanzschulden: 112
Chance/Risiko (WirtschaftsWoche-Einschätzung für die nächsten 12-18 Monate, 1 = sehr niedrig, 10 = sehr hoch): 8/7
Der Medienkonzern büßt wie fast alle Branchenvertreter Jahr für Jahr leicht an Umsatz ein; Konzentration auf Qualitätstitel (Print) sollte sich aber auszahlen; attraktive Dividende.
Branche: Haustechnik, Motoren
ISIN: IT0003317945
Börsenwert: 329 Millionen Euro
Umsatz (2012 geschätzt): 640 Millionen Euro
Kurs-Gewinn-Verhältnis: 2011: 10,3; 2012 (geschätzt): 9,9
freier Cash-Flow: 28 Millionen Euro
Dividende: 2,8 Prozent Rendite
Netto-Finanzschulden: 24
Chance/Risiko (WirtschaftsWoche-Einschätzung für die nächsten 12-18 Monate, 1 = sehr niedrig, 10 = sehr hoch): 7/6
Dank alternder Gesellschaften wächst der Bedarf an elektrisch automatisierten Türen, Toren, Beleuchtungssystemen, Rollläden, etc.; massiver Schuldenabbau; gute Gewinnmarge.
Branche: Kabeltechnik
ISIN: IT0004176001
Börsenwert: 2965 Millionen Euro
Umsatz (2012 geschätzt): 1592 Millionen Euro
Kurs-Gewinn-Verhältnis: 2011: 10,8; 2012 (geschätzt): 8,7
freier Cash-Flow: 76 Millionen Euro
Dividende: 2,0 Prozent Rendite
Netto-Finanzschulden: 989
Chance/Risiko (WirtschaftsWoche-Einschätzung für die nächsten 12-18 Monate, 1 = sehr niedrig, 10 = sehr hoch): 7/6
Der Kabelhersteller wäre ein Hauptprofiteur des geplanten weltweiten Ausbaus der Stromnetze; Prysmian hat auch Hochseekabel für Offshore-Windparks und Telekom im Programm.
Branche: Pharma
ISIN: IT0003828271
Börsenwert: 1149 Millionen Euro
Umsatz (2012 geschätzt): 823 Millionen Euro
Kurs-Gewinn-Verhältnis: 2011: 9,6; 2012 (geschätzt): 8,6
freier Cash-Flow: 132 Millionen Euro
Dividende: 5,4 Prozent Rendite
Netto-Finanzschulden: 30
Chance/Risiko (WirtschaftsWoche-Einschätzung für die nächsten 12-18 Monate, 1 = sehr niedrig, 10 = sehr hoch): 8/6
Breites Produktspektrum von Herz-Kreislauf- über Haut- bis Magenmedikamenten. Stark in Osteuropa. Margenstark (Ebit-Marge 21 Prozent), anlegerfreundliche Dividendenpolitik.
Branche: Software und Systemintegration
ISIN: IT0001499679
Börsenwert: 150 Millionen Euro
Umsatz (2012 geschätzt): 437 Millionen Euro
Kurs-Gewinn-Verhältnis: 2011: 6,9; 2012 (geschätzt): 6,4
freier Cash-Flow: 20 Millionen Euro
Dividende: 2,6 Prozent Rendite
Netto-Finanzschulden: 14
Chance/Risiko (WirtschaftsWoche-Einschätzung für die nächsten 12-18 Monate, 1 = sehr niedrig, 10 = sehr hoch): 7/5
Seit der Gründung 1996 jedes Jahr mit zweistelligem Umsatzwachstum, gute Gewinnmarge (11,3 Prozent), neben Italien stark in Deutschland (Ex-Syskoplan) und Großbritannien.
Branche: Gasherde- und heiztechnik
ISIN: IT0001042610
Börsenwert: 164 Millionen Euro
Umsatz (2012 geschätzt): 156 Millionen Euro
Kurs-Gewinn-Verhältnis: 2011: 12,1; 2012 (geschätzt): 11,0
freier Cash-Flow: 13 Millionen Euro
Dividende: 5,0 Prozent Rendite
Netto-Finanzschulden: 13
Chance/Risiko (WirtschaftsWoche-Einschätzung für die nächsten 12-18 Monate, 1 = sehr niedrig, 10 = sehr hoch): 7/6
Das Management hat nach dem Gewinn- und Umsatzeinbruch 2009 das Steuer herumgerissen; Cash-Flow und Gewinn haben sich erholt. Kurs spiegelt das noch nicht wider.
Branche: Automobilzulieferer
ISIN: IT0000076536
Börsenwert: 273 Millionen Euro
Umsatz (2012 geschätzt): 1356 Millionen Euro
Kurs-Gewinn-Verhältnis: 2011: 6,5; 2012 (geschätzt): 5,6
freier Cash-Flow: 16 Millionen Euro
Dividende: 7,0 Prozent Rendite
Netto-Finanzschulden: 319
Chance/Risiko (WirtschaftsWoche-Einschätzung für die nächsten 12-18 Monate, 1 = sehr niedrig, 10 = sehr hoch): 7/6
Stellt vor allem Filteranlagen und Fahrwerkstechnik (Federungen, Stoßdämpfer) her. Kunden sind quasi alle großen Kfz-Hersteller in Asien, den USA, Europa. Profitabilität nimmt zu.
Branche: Glas
ISIN: IT0004171440
Börsenwert: 390 Millionen Euro
Umsatz (2012 geschätzt): 740 Millionen Euro
Kurs-Gewinn-Verhältnis: 2011: 11,5; 2012 (geschätzt): 10,6
freier Cash-Flow: 21 Millionen Euro
Dividende: 6,8 Prozent Rendite
Netto-Finanzschulden: 73
Chance/Risiko (WirtschaftsWoche-Einschätzung für die nächsten 12-18 Monate, 1 = sehr niedrig, 10 = sehr hoch): 7/6
Produziert Glas für die Nahrungsmittel- und Kosmetikindustrie. Weit geringer verschuldet und trotzdem günstiger als der deutsche Branchenkollege Gerresheimer.
Spanien und Italien etwa haben Schuldenbremsen nach deutschem Vorbild eingeführt, Beamtenpensionen gekürzt und das Rentenalter angehoben. Zudem gibt es erste Schritte zur Liberalisierung des Arbeitsmarkts, „die zwar noch in den Kinderschuhen stecken, aber stark an die Agenda 2010 von Ex-Kanzler Gerd Schröder erinnern“, meint Fischer. Einige Unternehmen könnten zudem auch eine noch schwächere Binnenkonjunktur in ihren Heimatländern verschmerzen, weil sie den Großteil ihrer Gewinne längst im Ausland reinholen, etwa im boomenden Lateinamerika.
Spanien: Solider als der Staat
Zum Beispiel der Telekomriese Telefónica: Die Madrilenen mussten für 2011 einen Umsatzrückgang im Heimatmarkt Spanien um 7,6 Prozent gegenüber 2010 melden. Obwohl der Auslandsumsatz zugleich um rund 13 Prozent stieg, kam die Aktie massiv unter Druck. Sie notiert so tief wie 2003, dabei betragen Umsatz, Gewinn und Cash-Flow ein Vielfaches der damaligen Werte. Das KGV liegt bei rund acht, die Dividendenrendite bei mehr als zehn Prozent.
54 Prozent des operativen Gewinns (Ebitda) stammen inzwischen aus Lateinamerika, wo die Kaufkraft steigt und margenträchtige Dienstleistungen wie mobiles Internet und Mobilfunk, anders als in Europa, noch nicht ihre Wachstumsgrenzen erreicht haben. Wie die meisten Telefonkonzerne ist Telefónica mit 56 Milliarden Euro zwar relativ hoch verschuldet. Bonität, Profitabilität und Wachstumspotenzial sind aber besser als die der meisten Telekomkonzerne in Europa, einschließlich der Deutschen Telekom. „Die Telefónica-Aktie war uns lange Zeit zu teuer“, sagt Kichler, „aber dank des Spanien-Abschlages ist die Aktie nach unseren Maßstäben jetzt zum ersten Mal seit Jahren wieder auf Kauf-Niveau.“
Nicht den ganzen Index kaufen
Kichler warnt aber vor einem Einstieg an der Madrider Börse nach dem Gießkannen-Prinzip: „Spaniens Börse ist stark von Banken und Bauträgern geprägt; beide Branchen sind wegen der Hypothekenkrise eng miteinander verknüpft, und diese Krise ist nicht ausgestanden.“ Es wird noch Jahre dauern, die massiven Überkapazitäten und die Preisblase am spanischen Immobilienmarkt auf ein tragfähiges Niveau abzubauen; spanische Banken sind daher noch tabu. „Darüber hinaus lähmt die Bankenkrise über die eingeschränkte Kreditvergabe die gesamte Wirtschaft des Landes. Wenn spanische Aktien, dann die von Unternehmen, die einen Gutteil ihrer Umsätze im Ausland machen“, sagt Kichler. „Diese Aktien werden als spanisch wahrgenommen und sind entsprechend unter Druck; ihr Geschäft leidet aber nur teilweise unter der dortigen Wirtschaftskrise.“
Spanische Schnäppchenaktien
Branche: Getränke und Genussmittel
ISIN: ES0125690513
Börsenwert: 1535 Millionen Euro
Umsatz (2012 geschätzt): 880 Millionen Euro
Kurs-Gewinn-Verhältnis: 2011: 16,7; 2012 (geschätzt): 15,9
freier Cash-Flow: 65 Millionen Euro
Dividende: 2,9 Prozent Rendite
Netto-Finanzschulden: 88
Chance/Risiko (WirtschaftsWoche-Einschätzung für die nächsten 12-18 Monate, 1 = sehr niedrig, 10 = sehr hoch): 6/5
Die Brauerei, an der u. a. die Dr. Oetker-Gruppe eine 24-prozentige Beteiligung hält, wächst in allen Geschäftsbereichen (Wasser, Bier, Wein und Logistik); geringe Verschuldung.
Branche: Software und Systemintegration
ISIN: ES0118594417
Börsenwert: 1566 Millionen Euro
Umsatz (2012 geschätzt): 711 Millionen Euro
Kurs-Gewinn-Verhältnis: 2011: 9,5; 2012 (geschätzt): 8,6
freier Cash-Flow: -30 Millionen Euro
Dividende: 6,0 Prozent Rendite
Netto-Finanzschulden: 530
Chance/Risiko (WirtschaftsWoche-Einschätzung für die nächsten 12-18 Monate, 1 = sehr niedrig, 10 = sehr hoch): 6/5
Software für komplexe Netze wie Telefon und Strom sowie Verkehrsleitsysteme. Vergleichbar mit der deutschen PSI, jedoch wesentlich günstiger bewertet.
Branche: Telekommunikation
ISIN: ES0178430E18
Börsenwert: 57.392 Millionen Euro
Umsatz (2012 geschätzt): 63.176 Millionen Euro
Kurs-Gewinn-Verhältnis: 2011: 8,3; 2012 (geschätzt): 7,8
freier Cash-Flow: 8398 Millionen Euro
Dividende: 10,5 Prozent Rendite
Netto-Finanzschulden: 62.154
Chance/Risiko (WirtschaftsWoche-Einschätzung für die nächsten 12-18 Monate, 1 = sehr niedrig, 10 = sehr hoch): 6/5
Wie die gesamte Branche mit Schwächen in Europa, aber starkes Wachstum in Schwellenländern, vor allem Lateinamerika. Schwellenländeranteil an Umsatz und Gewinn steigt schnell.
Branche: Aufzüge und Rolltreppen
ISIN: ES0184933812
Börsenwert: 3665 Millionen Euro
Umsatz (2012 geschätzt): 823 Millionen Euro
Kurs-Gewinn-Verhältnis: 2011: 18,5; 2012 (geschätzt): 17,6
freier Cash-Flow: 212 Millionen Euro
Dividende: 5,5 Prozent Rendite
Netto-Finanzschulden: keine
Chance/Risiko (WirtschaftsWoche-Einschätzung für die nächsten 12-18 Monate, 1 = sehr niedrig, 10 = sehr hoch): 7/6
Gehört mehrheitlich dem US-Technologie-Riesen United Technologies. Schuldenfrei. Die Aktie ist nicht ganz billig, profitiert jedoch stark vom Bauboom in den Schwellenländern.
Neben Telefónica erfüllen zum Beispiel der Softwarekonzern Indra, der Aufzug- und Rolltreppenhersteller Zardoya-OTIS und der Getränkekonzern DAMM dieses Beuteschema. Indra machte 2011 erstmals die Hälfte seiner Umsätze im Ausland, vor allem in Brasilien ist der Hersteller von Software zur Steuerung komplexer Netzwerke wie Strom, Telefon oder Flugüberwachung stark.
Der verprügelte Markt
Es dürften bald noch mehr als 50 Prozent sein: Während der Inlandsumsatz mit gut drei Prozent nur schwach zulegte, wuchsen die Auslandsumsätze gegenüber 2010 um 17 Prozent. Dennoch ist Indra, verglichen mit deutschen oder US-Branchenkollegen, fast schon grotesk günstig bewertet: Das KGV liegt bei 8,5, die Dividendenrendite bei fast sieben Prozent. Zum Vergleich: Die – zugegeben deutlich größeren – Softwareanbieter SAP und Oracle kommen auf doppelt so hohe KGVs von 17 und 14, ihre Dividendenrenditen liegen aktuell bei nur rund drei Prozent.
Der am übelsten verprügelte Markt neben Griechenland ist Italien. Zwei Jahrzehnte Korruption und Vetternwirtschaft Marke Silvio Berlusconi haben die Börsenwerte eines der zehn größten Industrieländer der Welt fast auf das Niveau einer Bananenrepublik geführt. Anders als etwa die spanische oder irische Börse, die lange Zeit noch vom Immobilienboom getrieben wurden, schwächelt die Börse Mailand schon seit geraumer Zeit: Sie hat zum Beispiel gegenüber dem Dax in den letzten Jahren 65 Prozent eingebüßt.
Italien: Insider greifen zu
Dabei ist viel Qualität mit nach unten gerissen worden. Norditalien, das industrielle Herz des Landes, gehört zu den wirtschaftsstärksten Regionen Europas, wie Fischer betont: „Norditalien hat eine mittelständisch geprägte Struktur, zahlreiche inhabergeführte und konservativ gemanagte Spezialisten sitzen dort“, sagt Fischer, „viele sind technologisch führend und entsprechend erfolgreich im Export.“
Im Ausland bekannt ist vor allem die Luxus- und Mode-Industrie. Doch deren anhaltender Absatzerfolg in China und in anderen Schwellenländern hat sich an der Börse schon herumgesprochen; die Aktien sind entsprechend teuer. Weniger bekannt sind die vielen mittelständischen Familienunternehmen aus eher technischen Branchen wie Maschinen- und Anlagenbau, Automobilzulieferer, Pharma, Medizintechnik und IT.
Griechische Schnäppchenaktien
Branche: Lotteriegesellschaft
ISIN: GRS343313003
Börsenwert: 103 Millionen Euro
Umsatz (2012 geschätzt): 1116 Millionen Euro
Kurs-Gewinn-Verhältnis: 2011: 3,5; 2012 (geschätzt): 2,6
freier Cash-Flow: -48 Millionen Euro
Dividende: 7,4 Prozent Rendite
Netto-Finanzschulden: 381
Chance/Risiko (WirtschaftsWoche-Einschätzung für die nächsten 12-18 Monate, 1 = sehr niedrig, 10 = sehr hoch): 9/8
Außer in Griechenland stark im Ausland, vor allem im US-Geschäft; geschickte Akquisitionspolitik bei frei werdenden Wett-Lizenzen. Nicht ganz so günstig bewertet wie OPAP.
Branche: Lotteriegesellschaft
ISIN: GRS419003009
Börsenwert: 2297 Millionen Euro
Umsatz (2012 geschätzt): 5140 Millionen Euro
Kurs-Gewinn-Verhältnis: 2011: 4,7; 2012 (geschätzt): 5,4
freier Cash-Flow: 441 Millionen Euro
Dividende: 11,0 Prozent Rendite
Netto-Finanzschulden: keine
Chance/Risiko (WirtschaftsWoche-Einschätzung für die nächsten 12-18 Monate, 1 = sehr niedrig, 10 = sehr hoch): 9/8
Fast nur in Griechenland aktiv. OPAP ist profitabel, doch der Staat schöpft zunehmend Gewinne ab. Aktie ist extrem billig; hohe Dividende dürfte weiterhin bezahlt werden.
Branche: Spielwaren und Kinderkleidung
ISIN: GRS282183003
Börsenwert: 468 Millionen Euro
Umsatz (2012 geschätzt): 490 Millionen Euro
Kurs-Gewinn-Verhältnis: 2011: 5,4; 2012 (geschätzt): 5,2
freier Cash-Flow: 36 Millionen Euro
Dividende: 5,1 Prozent Rendite
Netto-Finanzschulden: keine
Chance/Risiko (WirtschaftsWoche-Einschätzung für die nächsten 12-18 Monate, 1 = sehr niedrig, 10 = sehr hoch): 8/7
Händler mit sehr solider Bilanz, Jumbo expandiert stark in Bulgarien. Dank starker Fokussierung auf das Billigpreissegment bislang kein Umsatzeinbruch in Griechenland.
Zwar sind italienische Mittelständler im Schnitt relativ hoch verschuldet; während in Deutschland eine Schuldenlast (je nach Branche) von etwa dem 1,1- bis 1,7-fachen operativen Jahresgewinn üblich ist, liegen diese Werte an der Mailänder Börse im Schnitt gut 40 Prozent höher. Wer sich aber die Mühe macht, den Kurszettel genauer zu analysieren, findet zahlreiche Unternehmen mit geringen Schulden, hohen Gewinnmargen und starkem Exportwachstum.
Gründer, Vorstände und Aufsichtsräte griffen vermehrt zu
Indesit etwa stellt Küchengeräte wie Induktionsherde, Spülmaschinen oder Kühltheken her. Das Familienunternehmen, das bis 2005 als Merloni firmierte, setzte 2011 weltweit 2,8 Milliarden Euro um und machte 150 Millionen Euro Gewinn (Ebit); die Nettofinanzschulden hat Indesit seit 2005 von 520 auf 180 Millionen Euro abgebaut. An der Börse kostet Indesit nur den 6,5-fachen Gewinn von 2011, die Dividendenrendite liegt bei 5,6 Prozent. Zum Vergleich: Der deutsche Branchenkollege Rational bringt es auf ein KGV von 24.
Ähnliche Relationen herrschen, abseits von Luxusgütern, in fast allen Branchen. Beispiel IT: Softwareentwickler wie Reply oder Datalogic bringen es trotz schuldenfreier Bilanz und ansehnlichen Nettogewinnmargen von rund zehn Prozent nur auf niedrige einstellige KGVs; vergleichbare deutsche Werte wie Bechtle oder Software AG kosten den 14-fachen Gewinn von 2011. „Natürlich sind nicht alle Firmen eins zu eins vergleichbar; die deutschen Vertreter sind in der Regel noch etwas profitabler. Aber von der unternehmerischen Leistung her ist so ein Abschlag nicht zu rechtfertigen“, sagt Hendrik Leber, Chef der Fondsgesellschaft Acatis.
So sehen das offenbar auch die Unternehmensinsider. In den vergangenen Monaten griffen die Gründer, Vorstände und Aufsichtsräte an der Mailänder Börse vermehrt zu und kauften per saldo so viele Aktien ihrer eigenen Unternehmen wie seit 2003 nicht mehr. So stiegen Unternehmensinsider unter anderem beim Kabelhersteller Prysmian, bei Datalogic und beim Pharmakonzern Diasorin ein.
Konzerne im Sonderangebot
„Am stärksten leiden die Mittelständler unter dem Länder-Abschlag, aber er trifft auch Weltkonzerne mit Töchtern in 60 oder 70 Ländern und zweistelligen Milliardenumsätzen“, sagt Leber. Er hat zum Beispiel den Ölkonzern Eni gekauft. „Die Gewinnqualität ist vergleichbar mit BP und Exxon, aber bewertet ist Eni wie ein kleiner Ölwert aus einem Dritte-Welt-Land“, sagt Leber. Eni, die hierzulande unter ihrer Tankstellenmarke Agip besser bekannt ist, überzeugt im Vergleich zu anderen Multis durch niedrige Förderkosten und hohe Dividendenqualität.
Auch Fiat ist, verglichen mit deutschen oder japanischen Automobilwerten, spottbillig, meint Leber. „Das Geschäft ist mit einem KGV von 6,1 für 2012 und von 4,5 für 2013 so bewertet, wie ein südeuropäischer Autokonzern in Rezessionszeiten eben bewertet ist“, sagt Leber. Die profitable Beteiligung an Chrysler (die Italiener halten 58,5 Prozent an dem US-Autobauer) gibt es zum aktuellen Preis der Fiat-Aktien gratis dazu. Seit Juni konsolidiert Fiat den Chrysler-Gewinn und -Umsatz in der eigenen Bilanz, der Börsenwert Fiats hat sich seit Mai aber nochmals halbiert.
An der Börse krass unterschätzt wird zudem das Gewinnpotenzial der Allianz mit Chrysler. Unter der Regie der Italiener, die zum Beispiel im Stahleinkauf und beim Händlernetz bereits Kosten sparen, kehrte der ehemalige Daimler-Partner, der vielen Experten stets als nicht sanierungsfähig galt, zurück in der Erfolgsspur: Chrysler machte 2011 einen Rekordumsatz von 55 Milliarden Dollar und schreibt jetzt schwarze Zahlen.
Langer Atem nötig
Trotz der verlockenden Bewertungen der Mailänder Aktien: „Einen längeren Atem sollte man mitbringen“, warnt Fischer, „die nächsten ein, zwei Quartale dürften bei einigen Werten noch mau ausfallen.“ Wer sich einen Korb aus zehn günstig bewerteten und soliden Unternehmen zusammenstellt, dürfte auf Sicht von ein, zwei Jahren profitieren.
Lukrativ scheint der Medienkonzern L’Espresso, der unter anderem die Qualitätszeitung „La Repubblica“ herausgibt. Zwar herrschen auch dort der branchenübliche Spardruck und der tägliche Kampf um die Anzeigenkunden. „L’Espresso hat die Zeichen der Zeit aber früher als andere erkannt und konsequent, aber intelligent gespart, ohne den Umsatz zu gefährden“, meint Fischer.
Einen zweiten Blick wert ist auch der Hypothekenvermittler Gruppo Mutui-Online, in Deutschland vergleichbare Firmen sind die deutlich teureren Hypoport und Interhyp. Gruppo Mutui leidet nicht nur unter dem üblichen Italien-, sondern auch unter dem Branchenmalus der Finanzindustrie. „Das ist gleich zweimal ,igitt‘ “, sagt Leber, „da sollten geduldige Value-Investoren hellhörig werden.“ Kurzfristig könnte die Aktie noch billiger werden: Bei jeder neuen Krisennachricht würden Londoner Hedgefonds, die Gelder freimachen wollen, die Aktie auf den Markt werfen, sagt Fischer „dabei hat Gruppo Mutui als reiner Vermittler überhaupt keine Kreditrisiken auf den eigenen Büchern.“
Zocker in Athen
Wem italienische Kreditvermittler noch zu langweilig sind, der sollte sich der Athener Börse zuwenden. Für nüchterne Rechner wie Leber gibt es „weder böse noch gute Griechen, sondern nur billige und teure Aktien“. Billig ist zum Beispiel die Aktie des Spielwarenhändlers Jumbo, der außer in Griechenland auch Läden in Bulgarien und auf Zypern betreibt. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt bei 5,2; die Dividendenrendite bei 5,1 Prozent. Noch mehr Rendite bieten die beiden teilstaatlichen Lotteriebetreiber OPAP und Intralot.
Bei OPAP lockt die niedrige Bewertung. Das KGV beträgt rund fünf, die Dividendenrendite elf Prozent. „Intralot ist ebenfalls billig und hat daneben noch ein gut funktionierendes Auslandsgeschäft“, sagt Leber. So hat das Unternehmen zuletzt mehrere Lotterielizenzen in den USA erworben.
In schwierigen Zeiten
Dass der klamme griechische Staat sich künftig wahrscheinlich größere Teile der fetten Gewinne der beiden Lotto-Feen einstreichen wird, kann Leber nicht abschrecken: „Der Staat hat bereits 2011 die Besteuerung erhöht, und wenn schon? Jetzt habe ich bei OPAP statt 19 noch 11 Prozent Dividendenrendite.“
Selbst wenn Athen noch einmal so drastisch an die Lotteriegewinne heranginge, blieben immer noch sechs Prozent Rendite. Wahrscheinlich wird es aber mehr werden: In schwierigen Zeiten, soll der italienische Dichter Cesare Pavese einmal gesagt haben, bieten Lotterien die einzig realistische Chance, reich zu werden. Das dürften auch viele Griechen so sehen.