Wetten mit Derivaten Riesen-Positionen eines Händlers verzerren Indizes

Ein Händler bei der US-Großbank JP Morgan Chase soll derart großvolumige Wetten bei Kreditderivaten aufgebaut haben, dass er den Markt lenken und Indizes verzerren kann. Nun hagelt es Kritik.

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Die Zentrale von JP Morgan in New York Quelle: dapd

Frankfurt Die immensen Kreditderivate-Positionen und die daraus resultierende Marktmacht des Händler hat nicht nur zu Kritik von Konkurrenten geführt, die dadurch Verluste einstecken mussten. Auch Politiker warnen, dass die Transaktionen von Bruno Iksil als Beispiel für die übertriebene Risikoneigung der Banken dienen und unter das anstehende Eigenhandelsverbot fallen könnten.

Der Einfluss Iksils auf den Markt hat dazu geführt, dass einige Konkurrenten ihn "Voldemort" nennen, nach dem Bösewicht in den Harry-Potter-Büchern. Andere bezeichnen ihn aufgrund seiner riesigen Positionen als den "Londoner Wal". Iksil arbeitet im Chief Investment Office der Bank in London, wo er zusammen mit 400 Mitarbeitern insgesamt 350 Mrd. Dollar verwaltet. Laut JP Morgan ist die Sparte hauptsächlich dafür da, um Risiken abzusichern und überschüssiges Kapital zu investieren.

Vier Hedge-Fonds-Manager und Händler erklärten jedoch gegenüber Bloomberg News, dass die Transaktionen Iksils so groß sind, dass sie Indizes bewegen. Sie würden eher nach Eigenhandel aussehen, hieß es, also nach Wetten mit dem eigenen Geld der Bank. Vor dem Hintergrund der anstehenden Einführung der sogenannten Volcker-Regel wächst auch die Kritik von Seiten der Politiker. Die nach dem früheren Federal-Reserve-Chef Paul Volcker benannte Regel verbietet unter anderem den Eigenhandel und setzt der Risikobereitschaft der Banken Grenzen. Die Regel, die im Juli in Kraft treten soll, ist Teil der umfassenden US- Finanzmarktreform, dem "Dodd-Frank Act".

"Es würde mich nicht wundern, wenn die Volcker-Befürworter dies als Testfall nehmen würden", sagt Douglas Landy, ein Partner bei der Anwaltskanzlei Allen & Overy LLP in New York. Clifford Rossi, der an der Robert H. Smith School of Business der University of Maryland lehrt und zuvor Managing Director bei Citigroup Inc. war, bestätigt, dass die großvolumigen Transaktionen Iksils eindeutig nach der Volcker-Regel riefen. Die Behörden benötigten jedoch mehr Informationen von JPMorgan, der größten US-Bank nach Bilanzsumme.


Rätselraten über Verlust- und Gewinnpotenzial

Weder Iksil noch JP Morgan wird ein Fehlverhalten vorgeworfen. Und das vollständige Ausmaß der Aktivitäten des Händlers und das damit zusammenhängende Verlust- oder Gewinnpotenzial seiner Transaktionen für die Bank ist nicht bekannt. Joe Evangelisti, ein Sprecher von JP Morgan, wollte zu spezifischen Aktivitäten von Iksil keine Stellung nehmen. Der Händler selbst antwortete nicht auf Anfragen von Bloomberg News per Telefon und E-Mail.

Zwar soll die Volcker-Regel im Sommer in Kraft treten, die Aufsichtsbehörden arbeiten allerdings noch an konkreten Abschnitten des Maßnahmenpaktes. Fraglich ist beispielsweise noch, was für Ausnahmen festgeschrieben werden sollen, in Situationen, wenn Finanzfirmen sich gegen Risiken in ihren Handelsgeschäften und bei der Kreditvergabe absichern wollen.

"Die umfangreichen Wetten von Iksil machen die inhärenten Risiken beim Handel im Stile von Hedge-Fonds deutlich", sagt Senator Jeff Merkley, der zusammen mit Senator Carl Levin die Volcker-Regel in das Dodd-Frank-Gesetz einfügte. Wenn solche Handelsgeschäfte zusammenbrechen, wolle man nicht, dass die daraus resultierende Kernschmelze bei Banken stattfinde, von denen die Kreditvergabe an Familien und Unternehmen abhinge, betonte er.

Brad Miller, ein Mitglied des Repräsentantenhauses, gibt zu bedenken, dass JP Morgan bei Problemen in jedem Fall haftbar wäre. Potenzielle Solvenz-Schwierigkeiten der Bank würden dann letztendlich auf die USA, die US-Wirtschaft und die US- Steuerzahlen zurückfallen, selbst wenn die Transaktionen in London stattfänden und nur eine Auslandssparte in sie verwickelt sei.

Unabhängig von der Kritik von außen dürften die Berichte über die großvolumigen Transaktionen von Iksil jedoch auch bei JP Morgan intern hohe Wellen schlagen, sagt Darrell Duffie, ein Professor an der Stanford University. "Wenn die Handelsaktivitäten tatsächlich Teil einer Absicherungs-Strategie waren, dann gäbe es nicht die Absicht, damit den Markt zu bewegen. Die offensichtlichste Abhilfe ist nun, das Ausmaß zu beschränken, sodass in Zukunft nicht mehr derart große Handelspositionen aufgebaut werden können", erklärt Duffie.

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