Engelmanns Eigenhandel

Der Spekulant: Schwager der Heuschrecke oder Diener der Gerechtigkeit?

Was haben sie in Prügel einstecken müssen - die Spekulanten: Den Euro sollen sie "attackiert", Griechenland in und Spanien an den Rand des Abgrunds gebracht haben. Ganz falsch, meint unser Kolumnist.

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Eine 1-Euro-Münze aus Quelle: dpa

Immer öfter liest man in den vergangenen Tagen, Spekulanten seien für jene Verwerfungen verantwortlich, die den europäischen Rentenmarkt seit einigen Wochen erschüttern. Da stellt sich die Frage: Was genau ist eigentlich ein Spekulant? Handelt es sich bei ihm tatsächlich um den Schwager der Heuschrecke? .Ist er jener üble  Finsterling, gegen den sich der Wolf aus Grimms Märchen vom Rotkäppchen ausnimmt wie der Liebling aller Schwiegermütter? Zeit, einmal in einschlägigen Fachbüchern nachzublättern und das Wesen der Spekulation und ihrer Protagonisten zu erkunden.  

Zumeist hilft für eine erste Definition ein Blick in den Duden. Der definiert in seiner 18. Auflage von 1980: "Spe/ku/lant der; -en, en <lat> (Kaufmann, der gewagte Geschäfte macht; waghalsiger Spieler)" Der Spekulant also zumindest ein Kaufmann, wenn auch einer, der einem Hasardeur gleicht. Aber damit würde er ja nur sich selbst und nicht anderen schaden?! Und weiter: "Spe/ku/la/ti/on die; -, -en (Vernunftstreben nach Erkenntnis jenseits der Sinnenwelt; Berechnung; Einbildung; gewagtes Geschäft)" Fußt die Entscheidung, auf den Niedergang von Anleihen der Euroland-Peripherie zu wetten, also auf einer übersinnlichen Erfahrung,  auf  einem siebten Sinn? Dass spekulieren gefährlich ist, und zwar in erster Linie für den, der spekuliert, nicht für Dritte, wird in dieser Definition erneut betont.

Das Wort Spekulation stammt aus dem Lateinischen, weshalb die kleine Recherche nach ihrem Wesen einen Blick in "Langenscheidts großes Schulwörterbuch Lateinisch-Deutsch" ratsam erscheinen lässt. Dort heißt es: "speculator, -oris, m 1. a) militärischer Späher im Kriege, Kundschafter, Spion b) Elitetruppe der Pretorianer, Leibwache des Feldherrn c) Henker 2. Erforscher, Forscher" Der Spekulant also Teil einer (Finanz-)Elite, vielleicht sogar mit Herrschafts-, will sagen: Insiderwissen? Oder doch nur einer, der über einen besseren Überblick verfügt und Dinge erspäht, die andere noch nicht gesehen beziehungsweise erkannt haben?  

Ohne Spekulation keine Absicherung

Dass "speculator" auch mit Henker übersetzt werden kann, könnte darauf hindeuten, dass der Spekulant tatsächlich anderen schadet - so wie es in letzter Zeit öfter behauptet wird. Aber haben sich die, die dem Henker begegnen, ihr Schicksal nicht in der Regel selbst zuzuschreiben? Und seit wann spricht der Henker das Urteil? Der Spekulant ist wohl doch eher ein Diener der Gerechtigkeit!

Dass die Spekulation keine Erfindung unserer Zeit ist, zeigt ein Blick in "Das kleine Börsenlexikon" von Rudolf Mindner - wohl ein Vorgänger des berühmten gleichnamigen Werks von Professor Hans E. Büschgen aus dem Jahre 1958. Eingezwängt zwischen den Schlagworten "Spannungskurse" und "Sperraktien" findet sich dort folgender Hinweis: "Spekulation, spekulieren. Aus einer Entwicklung der Marktpreise Nutzen ziehen. Bei der Wertpapierspekulation rechnet der Käufer mit steigenden, der Verkäufer mit fallenden Kursen (Horch, horch!). Für den Marktausgleich ist die aus Banken, Bankiers und Börsenmaklern bestehende Berufsspekulation unentbehrlich." Schon Ende der 50er Jahre wurde also das Wirken von Spekulanten als für das Funktionieren von Märkten unentbehrlich eingestuft! Ein interessanter historischer Aspekt.  

John Hull, Derivate - Experte aus Amerika, schlägt in seinem lesenswerten Standardwerk "Introduction to futures and options markets" in die gleiche Kerbe: "Whereas hedgers want to avoid an exposure to adverse movements in the price of an asset, speculators wish to take a position in the market." Spekulanten ermöglichen es Hedgern , das sind Marktteilnehmer, die Wertpapierbestände halten und keine hohen Verluste riskieren  wollen,   also erst, ihre Positionen abzusichern. Und sehr grundsätzlich und den Leser erhellend, erläutert Hull noch: "Either they are betting that the price will go up or they are betting that it will go down."

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