EU-Kleinanlegerstrategie Warum Privatanleger weiterhin kaum Unternehmensbonds kaufen können

Quelle: imago images

Eigentlich will die EU mehr Unternehmensanleihen für Kleinanleger zugänglich machen. Doch die geplante Reform könnte der Diskussion über ein Provisionsverbot in der Finanzberatung zu Opfer fallen.

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Privatanleger, die Unternehmensanleihen kaufen wollen, rennen oft gegen eine Wand. Daran hat sich zum Jahresstart 2024 nichts geändert: Im Januar waren 86 Prozent der Unternehmensanleihen, die an der Börse Stuttgart notiert sind, für Privatanleger nicht erhältlich. Das zeigt eine aktuelle Auswertung der Börse Stuttgart. Zwar gibt es Hoffnung, dass sich an diesem Zustand im Jahresverlauf etwas ändert. Doch diese Hoffnung schwindet, je weiter das Jahr fortschreitet.

Zum Hintergrund: Viele Anleihen gibt es nur in hohen Stückelungen. Sie lassen sich oft erst ab 100.000 Euro oder Dollar handeln. Darüber hinaus sind aber auch Zinstitel mit kleinerer Stückelung oft nicht für Privatanleger handelbar. Das liegt an Regeln der Europäischen Union zum Anlegerschutz. Viele Unternehmensanleihen enthalten eine spezielle Klausel. Die sogenannte Make-Whole-Klausel gewährt dem Emittenten das Recht, die Anleihe vor Ende der regulären Laufzeit zu kündigen. Er zahlt dann den Nominalwert des Papiers zurück, plus einer Entschädigung für entgangene Zinszahlungen.

In der Praxis machen Emittenten von dieser Möglichkeit nur selten Gebrauch. Unternehmensanleihen mit Make-Whole-Klausel werden aber von den Regulatoren als verpackte Anlageprodukte eingestuft. Und die dürfen Privatanleger nur kaufen, wenn es dafür ein Basisinformationsblatt (BIB) gibt.

Die meisten Unternehmen sparen sich den Aufwand für ein BIB. Ihre Anleihen sind dann für Privatanleger nicht erhältlich – anders als Staatsanleihen, selbst solche von hoch verschuldeten Staaten, bei denen Ausfälle wahrscheinlicher sind als bei soliden Unternehmen. Die aktuelle Regulierung führe zu einem „faktischen Produktausschluss“ für Privatanleger, kritisiert man bei der Börse Stuttgart. Überdies werde dadurch die Liquidität am Sekundärmarkt unnötig verringert.

Verhandlungen ziehen sich in die Länge

Die EU will im Rahmen ihrer geplanten Kleinanlegerstrategie Abhilfe schaffen. Unternehmensanleihen mit Make-Whole-Klausel sollen von der Verordnung für verpackte Anlageprodukte (PRIIP-Verordnung) ausgenommen werden. Das würde auf einen Schlag viele Unternehmensanleihen für Privatanleger handelbar machen. Das Problem: Die zuständigen Institutionen verhandeln noch über die Kleinanlegerstrategie, und das schon seit mehr als einem Jahr. Die Verhandlungen ziehen sich wegen einiger in der Finanzbranche hochumstrittener Punkte in die Länge. Vor allem ein mögliches Provisionsverbot in der Finanzberatung sorgt für Ärger, Lobbyisten machen Front dagegen.

Der Fahrplan für die Kleinanlegerstrategie ist komplex. Erst müssen sich das Europäische Parlament und der Rat der EU-Mitgliedsstaaten zum Vorschlag der EU-Kommission äußern. Dann müssen alle drei einen Text erarbeiten, der dann in alle Amtssprachen der EU übersetzt wird. Zum Schluss stimmt das EU-Parlament über den Vorschlag ab. Dieses aber wird Anfang Juni neu gewählt. Soll die Kleinanlegerstrategie noch in der laufenden Legislaturperiode verabschiedet werden, muss das also spätestens im Mai geschehen.

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Die Zeit läuft ab – und die Diskussionen laufen weiter. Am Donnerstag (22. Februar) trafen sich in Berlin Verbraucherschützer, Vertreter von Branchenverbänden wie dem Fondsverband BVI sowie einige Hochschulexperten, darunter Steffen Sebastian von der Universität Regensburg, auf Einladung der FDP in Berlin, um über die Kleinanlegerstrategie zu diskutieren. Einmal mehr ging es dabei vor allem um das Provisionsverbot. Nachdem es schon auf Ebene einzelner EU-Staaten derart hitzige Diskussionen gibt, könnte es sein, dass die EU-Institutionen die Kleinanlegerstrategie gar nicht erst zu Ende verhandeln. Die Reform der PRIIP-Verordnung würde dann zum Opfer der Debatte um das Provisionsverbot.

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