Eines der Grundprinzipien der Geldanlage ist Diversifikation – man legt nicht alle Eier in einen Korb. Wenn ein Markt schwankt, soll ein anderer dies ausgleichen. So fallen die Schwankungen im Gesamtportfolio geringer aus. Dies ist auch ein Beitrag zum Risikomanagement.
Allerdings stellt sich die Frage: Funktioniert Diversifikation vor dem Hintergrund eines durch Verzerrungen und Anomalien gekennzeichneten aktuellen Marktumfelds noch?
Wie wird Diversifikation gemessen?
Die Wirksamkeit von Diversifikation wird in der Regel über die Korrelationskennzahl gemessen, welche zwischen -1 (perfekte Diversifikation) und 1 (keine Diversifikation) den Grad des Gleichlaufs angibt. Nicht nur Märkte schwanken über die Zeit, sondern auch die Korrelation ist solchen Fluktuationen unterworfen: zwei Märkte, die heute nicht gleichlaufen, können dies morgen tun und umgekehrt.
Über die Kolumne
In Zeiten negativer Zinsen und quantitativer Lockerung steht so manche vormals gültige Faustregel des Finanzmarkts auf dem Kopf. In dieser Reihe bringen Experten der CFA Society Germany etwas Ordnung in unsere heutige Verkehrte (Finanz)welt. Die CFA ist der mitgliedsstärkste Berufsverband für die Investmentbranche in Deutschland. Gemeinsam mit dem globalen Mutterverband CFA Institute, engagiert sich die CFA Society Germany seit Jahren für professionelle und ethische Standards in der Investmentbranche.
In der Vergangenheit war die Korrelation zwischen Aktienmärkten insgesamt historisch gesehen im Mittel nicht hoch. Das heißt: Ein breit aufgestelltes Portfolio bot entsprechende Vorteile.
Seit der Finanzkrise von 2008 ist die Korrelation jedoch erheblich angestiegen, wie eine Auswertung von 30 großen Aktienindizes weltweit zeigt (siehe Grafik).
Im selben Zeitraum ist die Fluktuation, gemessen an der Volatilität, die die Abweichung einzelner Renditen von der durchschnittlichen Rendite angibt („Standardabweichung“), seit der Finanzkrise deutlich zurückgegangen. Statistisch hat sich also das Risiko der Anlage verringert (siehe Grafik).
Versagt Diversifikation in (Nach-)Krisenzeiten?
Kurios wird es, wenn man beide Messgrößen gegenüberstellt: Tage mit hohen Schwankungen an den Aktienmärkten relativ zu solchen mit hoher Korrelation zwischen Märkten. In einem solchen Szenario würden etwa Aktien in Europa, den USA und Asien gleichzeitig fallen: Je stärker die Marktschwankungen, desto höher die durchschnittliche Volatilität. Je gleichmäßiger die Schwankung, desto ausgeprägter die Korrelation. Die Grafik "Korrelation und Volatilität" zeigt, dass diese Kombination über Märkte hinweg seit 2008 stark zugenommen hat.
Dies hat weitreichende Folgen für Händler und Portfoliomanager – einerseits kann man sich nicht mehr darauf verlassen, dass Verluste an einem Markt durch Gewinne an einem anderen aufgefangen werden. Vielmehr jedoch muss man damit rechnen, dass je höher die Verluste in einem Markt sind, diese umso höher auch in anderen Märkten ausfallen.
Dabei ist zu bemerken, dass solche Effekte vor allem kurzfristiger Art sind – langfristig wirkt die Maxime „Eier über Körbe verteilen“ weiterhin zuverlässig.
Zu den Ursachen lässt sich rätseln – einerseits sorgen algorithmischer Handel und der Zuwachs von Exchange Traded Funds (ETFs) sicherlich dafür, dass sich Marktbewegungen stärker verknüpfen. Andererseits sind viele Bewegungen am Aktienmarkt in den letzten Jahren direkt oder indirekt auf Geldpolitik zurückzuführen. Diese haben sich häufig über verschiedene Märkte fortgesetzt.
Derzeit sprechen viele Faktoren dafür, dass sich die Märkte in Zukunft fundamental wieder stärker entkoppeln sollten.
Ein in Europa bevorstehender Brexit, konjunkturelle Schwächen in China und die restriktivere Geldpolitik in den USA sowie die Auswirkungen dessen auf die Weltwirtschaft lassen individuelle Stärken und Schwächen der Volkswirtschaften wieder mehr in den Vordergrund rücken. Auch wenn die Entwicklungen der Zukunft weniger positiv sind, sollten sie dennoch „mehr verteilt“ sein.
Das Volumen passiv verwalteter Portfolien wie ETFs nimmt allerdings weiter zu und Marktliquidität ist tendenziell rückläufig. Dies könnte kurzfristige Schwankungen weiterhin beflügeln – Achtsamkeit ist geboten.