Immobilienfinanzierung Kaufen, bevor Preise und Zinsen davonlaufen

Der Boom auf dem Wohnungsmarkt geht 2017 nicht zu Ende. Zu den weiter steigenden Preisen kommen anziehende Zinsen. Mit dem Kauf der eigenen vier Wände zu warten macht deshalb ebenso wenig Sinn wie blind zuzugreifen.

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Die Hypothekenzinsen könnten im Jahr 2017 leicht anziehen.

Düsseldorf „Wollen Sie das Jahr 2017 nutzen, um den Traum vom eigenen Zuhause wahr werden zu lassen? Dann nutzen Sie die jetzt noch günstigen Zinsen!“ Mit diesem Spruch wirbt gegenwärtig das Baugeldvermittlungsportal Interhyp um Kunden. Schon vor zehn Jahren wussten die großen Wohnungsprivatisierer: Mieter für Wohneigentum zu begeistern ist leichter, wenn die Zinsen steigen als wenn sie fallen. Denn so lange die Zinsen zurückgehen, glauben potenzielle Haus- und Wohnungskäufer, dass in ein paar Wochen die Zinsen noch ein wenig niedriger sein werden. Und nun grassiert die Befürchtung, dass Baugeld in ein paar Wochen noch teurer sein wird.

Das ist möglich. Die Zinswende für Baugeld fiel zeitlich etwa mit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten im November zusammen. Dramatisch war der Anstieg der Zinsen seitdem nicht. Und Sprünge von einem Prozentpunkt in diesem Jahr erwarten weder Immobilienprofis noch die Ökonomen der großen Baufinanzierer. So heißt es im jüngsten Baufinanzierungsmonitor der Deutschen Bank: „Die Hypothekenzinsen könnten im Jahr 2017 leicht anziehen.“ Auch eine Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) vor wenigen Wochen unter Managern in der Immobilienwirtschaft ergab, dass kaum jemand mit deutlich steigenden Zinsen in diesem Jahr rechnet.

Doch um wie viel höher die monatliche Belastung ist, wenn die Zinsen steigen, können potenzielle Wohnraum-Käufer leicht im Internet für unterschiedliche Zins-Szenarien mit Zins- und Tilgungsrechnern, etwa dem der FMH-Finanzberatung, durchspielen. Die FMH-Finanzberatung liefert auch gleichzeitig einen Überblick über Konditionen verschiedener Anbieter. Am Freitag bewegten sich beispielsweise die Top-Konditionen für Darlehen mit 15-jähriger Zinsbindung bei drei Prozent Tilgung und einer maximalen Beleihung des zu erwerbenden Objektes von 60 Prozent bei etwa 1,6 Prozent Effektivzins.


Eigenkapitallücke reißt weiter auf

Jetzt zu kaufen macht auch deshalb Sinn, weil die Preise für Wohnimmobilien in den meisten Orten Deutschlands auch 2017 schneller steigen werden als die Einkommen. So schreibt die Deutsche Bank in ihrer jüngsten Analyse zum deutschen Haus- und Wohnungsmarkt: „Auch im Jahr 2017 werden die Wohnungs-, Hauspreise und Mieten in den Metropolen, aber auch bundesweit abermals kräftig zulegen.“ Allein die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser stiegen im vergangenen Jahr bundesweit um 8,3 Prozent und in den kreisfreien Städten, zu denen auch die sieben Metropolen Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München und Stuttgart zählen, sogar um 9,1 Prozent, hat das Immobilienmarktforschungsinstitut Empirica gerade ermittelt.

Ohnehin droht auch die Lücke zwischen Eigenkapitalbedarf für den Kauf einer Eigentumswohnung oder eines Wohnhauses und Erspartem immer größer zu werden. Ein Beispiel: Wer jetzt 80.000 Euro hat, um mit 20 Prozent Eigenkapital eine Großstadtwohnung zum Preis von 400.000 Euro zu kaufen, braucht am Jahresende womöglich 88.000 Euro, weil eine vergleichbare Wohnung dann zehn Prozent mehr kostet. Wenn sich seine 80.000 Euro Eigenkapital zwischenzeitlich mit einem Prozent verzinsen, was gegenwärtig nicht einmal schlecht wäre, hätte dann nur 80.800 Euro zur Verfügung. Solche Steigerungsraten sind nicht einmal weit hergeholt. Gerade hat die Immobilienmarktforschungsgesellschaft Empirica festgestellt, dass die Preise für neue Eigentumswohnungen im vergangenen Jahr in Deutschland um 8,5 Prozent gestiegen sind. In den kreisfreien Städten kletterten die Preise sogar um fast zehn Prozent.

Doch wer nun nur wegen der vermutlich leicht steigenden Zinsen und der nahezu sicher weiter stark steigenden Immobilienpreise schnell kauft, was ihm gerade angeboten wird, riskiert einen Fehlkauf. Das gilt für Selbstnutzer wie Kapitalanleger. Denn Selbstnutzer sollten sich rational verhalten wie Kapitalanleger. Wenn sie in ländlichen oder strukturschwachen Regionen bauen oder Häuser aus dem Bestand kaufen, riskieren sie Verluste, wenn sie aufgrund unglücklicher Lebensumstände wie etwa Arbeitsplatzverlust oder Scheidung ihr Haus oder ihre Wohnung verkaufen müssen.

Wie schwer es ist, Standorte und Lagen mit weit überdurchschnittlichen Wert- und Mietsteigerungen zu identifizieren, haben gleich mehrere in der vergangenen Woche veröffentlichte Analysen gezeigt. So stellte das Immobilienvermittlungsportal Immowelt fest, dass Mittelstädte die höchsten Mieten haben und nennt dabei die Bodensee-Stadt Konstanz mit einer monatlichen Quadratmetermiete von 11,70 Euro und Bad Homburg, zwischen Frankfurt und dem Taunus gelegen, mit 10,90 Euro.

Zwar sind die Monatsmieten in München mit im Schnitt mehr als 16 Euro pro Quadratmeter immer noch höher, aber für Städte mit weniger als 100.000 Einwohnern sind dies erstaunlich hohe Mieten. Verblüffend sind auch die Mietsteigerungsraten mancher der zwischen 50.000 und 100.000 Einwohner großen Städte. Vermieter im mittelhessischen Gießen können sich laut Immowelt über seit 2011 im Schnitt um 42 Prozent auf 10,10 Euro gestiegene Mieten freuen. Im baden-württembergischen Aalen, in Eschweiler in der Nähe von Aachen und im bayerischen Landshut stiegen die Mieten seit 2011 um mehr als 30 Prozent. Wer hätte diese Städte vor fünf Jahren vorn gesehen?


Mietanstieg in Mittelstädten größer als in Metropolen

Das Maklerhaus Engel & Völkers (E&V) wählte einen anderen Betrachtungszeitraum und ein anderes Segment. Die Hamburger untersuchten die Entwicklung der durchschnittlichen Mieten und Preise in 57 Großstädten für Wohn- und Geschäftshäuser von 2015 auf 2016. Dort liegt Offenbach ganz vorn mit einem Mietplus von 14,3 Prozent auf 10,21 Euro Monatsmiete pro Quadratmeter. Unter die zehn Städte mit den größten Mietsprüngen im vergangenen Jahr kommt Berlin als einzige der sieben Metropolen auf Platz vier. E&V berichtet von einem Plus von 9,1 Prozent auf 10,10 Euro, womit Berlin hinter Friedrichshafen am Bodensee und Kempten im Allgäu liegt. Anders ausgedrückt: Vermieter von Mehrfamilienhäusern haben es in den meisten Metropolen zurzeit schwerer Mietsteigerungen durchzusetzen als in vielen Mittelstädten.

Auch die Preise wachsen vor allem in den guten bis sehr guten Lagen der Metropolen nicht mehr in den Himmel. „In den teuren Lagen in den A-Städten sind die Preisobergrenzen erreicht“, stellt Maike Brammer, Leiterin der Analyseabteilung von E&V, fest. Auch bei den Preisen für Einfamilienhäuser sind Regionalzentren ganz vorn dabei. In die Reihe der zehn überdurchschnittlich teuren Einfamilienhausstandorte schob sich Empirica Augsburg und der Preisabstand von Heidelberg auf Stuttgart nahm zu. In der Hauptstadt Baden-Württembergs waren die Preise zuletzt sogar leicht rückläufig und in München stagnierten die Eigenheimpreise, schreibt Empirica.

Vom für Kapitalanaleger wichtigen Vermietungsmarkt berichten Makler schon eine Weile, dass die Luft bei Mieten oberhalb von zehn Euro für sie dünner wird. So ist auch nachzuvollziehen, dass in München 2016 die Steigerungsrate bei 4,4 Prozent lag. Dort wurden in Mehrfamilienhäusern im Schnitt 16,07 Euro Miete gezahlt.

Nichtsdestotrotz sind die Immobilienmarktanalysten der Deutschen Bank überzeugt: „München bleibt die dynamischste deutsche Stadt, und sowohl der hohe Einwohnerzuwachs
als auch die rekordverdächtig niedrige Leerstandsquote dürften noch über Jahre für weitere Preiserhöhungen sorgen. Die Leerstandsquote wird von anderen Analysten auf höchstens ein Prozent geschätzt. Das heißt, dass eine Reserve für Mieterwechsel und die damit üblicherweise verbundenen Renovierungsarbeiten fehlt.

Für Berlin erwarten die Experten der Bank weitere Miet- und Preissteigerungen, weil die Beschäftigtenzahlen dort weiter zunehmen. Schließlich kommt das vehemente Interesse großer börsennotierter Wohnungsgesellschaften an Wohnungen in Berlin nicht von ungefähr. Frankfurt ist für die Bankanalysten zurzeit kein Ort mit großer Preisdynamik. Sie empfehlen dort mögliche Brexit-Effekte zu beobachten. Sollte der Austritt der Britten aus der Europäischen Union zu größeren Arbeitsplatzverlagerungen von London nach Frankfurt führen, würde dies die Preise für Einfamilienhäuser erhöhen, meinen sie. Dagegen falle in Hamburg „die nachlassende Mietdynamik und recht rege Bauaktivität auf“. Das spricht dafür, dass an der Elbe die und Preise weniger stark steigen als in den anderen untersuchten Metropolen Berlin, Düsseldorf, Frankfurt und München.

Beim Vergleich der Preissteigerungsraten konnte 2016 keine dieser Städte mit den Raten der zehn preisdynamischsten Mittelstädte mithalten. Die Liste für Wohn- und Geschäftshäuser mit den höchsten Preissteigerungsraten führt bei E&V Kempten mit rund 44 Prozent Plus auf 2,120 Euro pro Quadratmeter an und selbst in Braunschweig auf Platz zehn sind die Quadratmeterpreise in Wohn- und Geschäftshäusern noch um gut 20 Prozent gestiegen auf 1.472 Euro pro Quadratmeter.

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