Immobilienpreise Steigende Mieten werden die Inflation anheizen

Die deutschen Verbraucher freuen sich über stabile Preise: Die Inflationsrate ist mit 1,4 Prozent derzeit so niedrig wie seit über zwei Jahren nicht mehr. Doch im kommenden Jahr könnte es damit vorbei sein.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Wohnungsmieten steigen in bestehenden Mietverhältnissen aktuell um drei bis fünf Prozent im Jahr. Quelle: dpa

Berlin Auch wenn die Inflationsrate mit 1,4 Prozent derzeit so niedrig wie seit über zwei Jahren nicht mehr ist, kann es im kommenden Jahr bereits damit vorbei sein. Dann dürften die mit dem Immobilienboom steigenden Mieten die Lebenshaltungskosten nach oben treiben.

"Der inzwischen deutliche Anstieg der Immobilienpreise wird vermehrt auf die Mieten durchschlagen", erwartet der Konjunkturexperte des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI), Torsten Schmidt. Postbank-Chefvolkswirt Marco Bargel sieht das ganz ähnlich: "Der Immobilienboom währt nun schon einige Jahre. Das kommt nun mit Verzögerung bei den Mietpreisen an." Die Teuerungsrate dürfte deshalb im kommenden Jahr auf 2,0 Prozent klettern, erwartet das RWI. Die Europäische Zentralbank spricht nur bei Werten knapp unter dieser Marke von stabilen Preisen.

Mieten können die Inflationsrate stärker beeinflussen als andere Waren und Dienstleistungen. Der Grund: Sie machen etwa 21 Prozent des Warenkorbes aus, den das Statistische Bundesamt zur Berechnung der Inflationsrate heranzieht. Zum Vergleich: Der Anteil der Lebensmittel liegt mit 10,3 Prozent nicht einmal halb so hoch.

Allerdings können Immobilienbesitzer in Deutschland nicht nach Belieben an der Preisschraube drehen. Sie dürfen bei bestehenden Mietverhältnissen nur so viel draufschlagen, wie für Wohnraum in vergleichbarer Größe und Lage gezahlt wird - die ortsüblichen Vergleichsmieten sind im Mietspiegel zu finden. Deshalb dauert es eine Weile bis der Immobilienboom in den Mieten und damit auch in der Teuerungsrate sichtbar wird. "In diesem Jahr sehe ich noch wenig Druck", sagt UniCredit-Ökonom Alexander Koch. "Aber ab nächstem Jahr könnten die Wohnungsmieten allein 0,5 Prozentpunkte zur Inflationsrate beitragen."


Bis zu 30 Prozent mehr Miete

Und die klettern vor allem in Ballungsgebieten und Universitätsstädten deutlich - in bestehenden Mietverhältnissen aktuell um drei bis fünf Prozent im Jahr, so der Deutsche Mieterbund. "Die sogenannte Wiedervermietungsmiete - die Miete, die nach einem Umzug oder einem Wohnungswechsel gezahlt werden muss - liegt hier im Durchschnitt 20 bis 30 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete." Auch die Bundesbank beobachtet die Entwicklung aufmerksam: "Die Neuvertragsmieten wurden 2012 erneut spürbar angehoben. Seit 2010 ist der Mietanstieg bei neuen Wohnungen rund vier Mal, bei Bestandsobjekten rund drei Mal so hoch wie im Durchschnitt der vorangegangenen Dekade ausgefallen."

Grund dafür ist der Immobilienboom. Billiges Baugeld und die Angst vor Inflation lässt viele Deutsche in "Betongold" flüchten. Die Preise für Wohneigentum zogen deshalb in den vergangenen beiden Jahren um jeweils mehr als fünf Prozent an. Die Preissteigerungen sind auch nach Beobachtungen der Bundesbank inzwischen auf den Mietmarkt übergesprungen.

Verstärkt wird diese Entwicklung durch die wachsende Zahl der Haushalte. Sie legte in den vergangenen zehn Jahren von 38,7 auf 40,3 Millionen zu. Experten gehen davon aus, dass es 2025 schon 41,1 Millionen Haushalte geben wird. "Mit dieser erhöhten Wohnungsnachfrage hält das Wohnungsangebot nicht Schritt", beklagt der Mieterbund. Schon heute fehlten 250.000 Mietwohnungen.

Das Dilemma wird durch Zuzug noch größer: 2012 kamen über 340.000 Menschen mehr aus dem Ausland hierher als Deutschland verlassen haben. Denn die Schuldenkrise lässt viele Griechen, Spanier, Portugiesen und Italiener nach einem Job in Deutschland suchen. Auch das treibt die Mieten. Experten erwarten deshalb, dass dadurch die Inflation noch einige Zeit befeuert wird. "Das ist keine Eintagsfliege, sondern wird einige Jahre so bleiben", sagt RWI-Experte Schmidt.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%