Banken-Verstaatlichung Kabinett beschließt Enteignungsgesetz

Die Hypo Real Estate kann verstaatlicht, die Aktionäre der von der Pleite bedrohten Bank enteignet werden. Das hat das Bundeskabinett heute beschlossen hat. Die Hürden dafür sind jedoch hoch.

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Das sogenannte Quelle: dpa

Es soll als letztes Mittel dienen, wenn wirklich gar nichts mehr geht: „Rettungsübernahme- gesetz“ lautet der trockene Name für ein neues Gesetz, das die Koalition heute im Kabinett verabschiedet hat.

Nach langen Diskussionen verständigten sich Finanzminister Peer Steinbrück, Innenminister Wolfgang Schäuble, Justizministerin Brigitte Zypries und Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg auf die Details.

Das in der Koalition höchst umstrittene Gesetz soll nur bis zum 30. Juni 2009 gelten und ist ganz auf die Rettung der Bank Hypo Real Estate (HRE) zugeschnitten – und dehalb reden in Berlin auch alle schon „HRE-Gesetz“.

Mit dem neuen Gesetz hält sich die Bundesregierung alle Optionen zur Rettung der HRE offen, zerstreut aber zugleich die Sorge von Unions-Politikern und Liberalen, es könnte zu einer Enteignungswelle unter deutschen Banken kommen.

Denn zunächst strebt der Bund eine Kontrollmehrheit bei der HRE durch ein Übernahmeangebot an – und keine Enteignung. Um die Kontrolle bei der Immobilienbank zu erlangen, muss die Regierung mehr als 75  Prozent der Aktienanteile übernehmen.

Marktteilnehmern zufolge dient eine Enteignung der HRE vor allem der langfristigen Abwicklung der Bank, da diese viele langfristige Anleihen begeben hat, die weiterhin durch Staatsgarantien abgesichert werden müssen. Das Neugeschäft der HRE ist bereits zum Erliegen gekommen, eine Rückkehr auf den Erfolgskurs vergangener Jahre schließen Branchenkenner aus. Einzelne Geschäftsbereiche hat die HRE bereits verkauft.

Zankapfel Entschädigung geregelt

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück sieht in der HRE nach eigener Aussage eine systemrelevante Bank, die es zu stabilisieren gelte.Nach der Kabinettsentscheidung sagte Steinbrück, der Zusammenbruch der HRE könne eine „Erschütterungsdynamik über Deutschland hinaus“ auslösen. Andere Banken als die HRE habe die Regierung nicht im Visier. Zugleich kritisierte er die Diskussionen in Deutschland um eine Verstaatlichung von Banken. In den USA, Großbritannien und Irland seien Banken ohne großes Getöse verstaatlicht worden.

Nach Angaben von Steinbrück soll nach den Abstimmungen im Bundestag der Bundesrat am dritten April zustimmen. Danach könnten auf einer Sonder-Hauptversammlung der HRE die notwendigen Maßnahmen - Herabsetzung des Grundkapitals mit drastischer Kapitalerhöhung – zur Rettung des Instituts beschlossen werden.Sollten die Aktionäre nicht zustimmen oder klagen, werde es notfalls eine Enteignung geben, kündigte Steinbrück an.

Umstritten war zuletzt auch die Entschädigung im Falle einer HRE-Enteignung. Großaktionär J.C. Flowers könnte dem Entwurf zufolge den Durchschnittskurs der HRE-Aktie der vergangenen zwei Wochen für seine Anteile erhalten. Danach wären die Aktien des amerikanischen Investors grob geschätzt immerhin 60 Millionen Euro wert, legt man den Kurs der vergangenen zwei Wochen zugrunde. Im Falle einer Pleite wäre Flowers wohl leer ausgegangen, gemessen an seinem Investment von mehr als einer Milliarde Euro ist das natürlich nur ein Trostpflaster.

Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz  (DSW) hat im Interesse der übrigen Aktionäre bereits angekündigt, bei einer Enteignung der Hypo Real Estate für eine angemessene Entschädigung zu streiten und gegebenenfalls Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz einlegen will. Sollten nicht zuvor alle aktienrechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, sieht Rechtsanwalt Klaus Nieding von der DSW das Verhältnismäßigkeitsprinzip des Grundgesetzes missachtet. „Der normale Weg ist der einer Kapitalerhöhung, über die der Bund die Kontrollmehrheit erlangen könnte“, sagte er.

Bankenrettungspaket von 480 Milliarden Euro beschlossen

Dagegen äußerte sich der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier, als letztes Mittel würde das Grundgesetz eine Verstaatlichung gestatten.Wichtig sei, dass das enteignete Eigentum vom Staat zwingend zur Erfüllung einer bestimmten Gemeinwohlaufgabe benötigt würde. Dann müsste jedoch laut Grundgesetz auch eine Entschädigung der Eigentümer erfolgen. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel wettert gegen das Gesetz. Es sei unvereinbar mit der Marktwirtschaft.

Zugleich beschloss das Kabinett Änderungen an dem erst im Oktober beschlossenen Banken-Rettungspaket von 480 Milliarden Euro.

So wird die Garantiezeit für Anleihen deutscher Banken von drei auf fünf Jahre ausgeweitet. Dazu wird das Finanzmarkt-Stabilisierungsgesetz mit seinem Rettungsfonds Soffin ergänzt und die Garantiefrist von 36 auf 60 Monate verlängert. Bislang hat noch keine Bank vom Soffin-Angebot, riskante Wertpapierbestände für drei Jahre in staatliche Obhut zu geben, Gebrauch gemacht. Die betroffenen Banken fürchteten die kurze Frist und hohe Verlustabschreibungen bei Rücknahme der Papiere nach drei Jahren. Gestern hatte der Bankenverband ein Konzept für die Auslagerung fauler Wertpapiere vorgelegt.

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