Finanzkrise Keine Denkverbote bei der Hypo Real Estate

Auch eine Enteignung der Hypo-Real-Estate-Aktionäre kann grundsätzlich kein Tabu mehr sein. Es wird aber wohl nicht so weit kommen.

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WirtschaftsWoche-Redakteur Cornelius Welp

Das Debakel der Münchner Hypo Real Estate nimmt immer groteskere Formen an. Und das nicht nur wegen der geradezu absurden Größenordnungen, die es inzwischen angenommen hat. Bei einer Bilanzsumme von 400 Milliarden Euro garantiert der Staat nun bereits mit mehr als 100 Milliarden Euro das Überleben des maroden Immobilien– und Staatsfinanzierers. Jeder Bundesbürger haftet also mit rund 1200 Euro für die Fehleinschätzung der Ex-Manager, dass sich langfristige Verbindlichkeiten auch kurzfristig finanzieren lassen. Klar ist: Die bisherigen Milliarden sind immer noch zu wenig. Die Bank braucht nicht nur Garantien, sie braucht auch frisches Kapital.

Der Staat kann die Bank nicht einfach pleite gehen lassen. Leider. Denn natürlich wäre das die konsequente und wünschenswerte Lösung. Doch das Experiment, an Lehman Brothers in den USA ein Exempel zu statuieren, ist grandios gefloppt. Und auf einen Versuch, ob die Hypo Real Estate insgesamt oder in Teilen nun systemwichtig ist oder nicht, will es wohl niemand, der einigermaßen bei Trost ist, ankommen lassen.

Berlin erhöht den Druck

Es kann nur darum gehen, das Risiko für den Steuerzahler möglichst gering zu halten. Die billigste Lösung ist die beste. Da sind im Zweifel selbst ordnungspolitische Grundprinzipien zweitrangig. Schließlich ist dies keine normale Krise mehr, die sich mit normalen Mitteln kontrollieren lässt. So weh es tut: Sie ist in erster Linie die Folge eines beispiellosen Markt- und Managementversagens. Deshalb kann selbst eine Enteignung als ultima ratio akzeptabel sein. Der Investor JC Flowers verdient nur eingeschränkten Schutz. Normalerweise wäre die Bank ohnehin längst pleite, der Wert von Flowers’ Anteilen und denen der übrigen Aktionäre bei Null. Der Markt hätte die Investoren also längst enteignet. Dass Flowers den Schaden nun möglichst begrenzen will, ist verständlich. Das darf aber nicht dazu führen, dass er wegen der Staatsgarantie seine Verluste minimiert.

Vermutlich wird es ohnehin nicht zur formalen Enteignung kommen. Viel spricht dafür, dass in Berlin derzeit kräftig mit dem Säbel gerasselt wird, um in den Verhandlungen Druck auszuüben. Juristisch sind auch andere Wege denkbar, die – notfalls ebenfalls ohne Zustimmung der Aktionäre - zum gleichen Ziel führen. An einem massiven Staatseinstieg, das ist die traurige Nachricht, führt jedoch kein Weg vorbei.

Der könnte noch bei einigen anderen Banken bevor stehen. Dass die Wiesbadener Aareal Bank nun Staatshilfen in Anspruch nimmt, obwohl ihr Geschäft noch einigermaßen solide läuft, könnte ein Vorgeschmack auf noch härtere Zeiten sein. Da ist es nur wenig beruhigend, dass bereits rund ein Drittel des Gesamtvolumens des deutschen Rettungsfonds vergeben ist. Dabei kommen auf die Banken aus der Krise der Realwirtschaft noch erhebliche Belastungen zu. Das 480-Milliarden-Rettungspaket könnte schlicht zu klein sein.

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