Nachfolge Li Lu und das Erbe von Warren Buffett

Investorenlegende Warren Buffett wird Ende August 80 Jahre alt, über seinen Nachfolger auf dem Chefsessel von Berkshire Hathaway wird seit Jahren spekuliert. Einem ehemaligen Studentenführer aus Chinas Protestbewegung geben Beobachter nun die besten Chancen.

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Warren Buffett, Chef von Quelle: AP

Vor 21 Jahren, als die chinesische Regierung die friedlichen Studentenproteste auf dem Pekinger Tienanmen-Platz niederschlug, gehörte Li Lu zu den Wortführern der Demokratiebewegung in China.

Heute ist der chinesische Dissident Li ein erfolgreicher Hedgefonds-Manager in den USA. Der 44-Jährige mit der bewegten Biografie gilt  als der aussichtsreichste Kandidat für die Nachfolge des wohl erfolgreichsten Finanzinvestoren der Welt: Warren Buffett.

Zwar erfreut sich der Star-Investor Buffett noch bester Gesundheit. Es gibt auch keinen Grund seinen nahen Ruhestand zu vermuten, geschweige denn zu fordern.

Doch früher oder später ist es soweit, schließlich feiert er in vier Wochen seinen 80. Geburtstag. Und bei verschiedenen Gelegenheiten hat Buffett auch schon kundgetan, seine Aufgaben als Vorstandschef seines Investment-Unternehmens Berkshire Hathaway würden binnen 24 Stunden von einem Nachfolger übernommen, sollte er plötzlich nicht mehr Herr seiner Sinne wäre oder sterben.  Nur einigen wenigen Menschen an der Spitze von Berkshire sei der Name des designierten Nachfolgers bekannt – und alle wären mit der Wahl zufrieden, so Buffett.

Wer sich hinter dem heimlichen Thronfolger verbirgt, darüber gab es viele  Hypothesen. Es war Buffets langjähriger Wegbegleiter Charlie Munger, stellvertretender Verwaltungsratschef von Berkshire Hathaway, der den Exil-Chinesen Li ins Spiel brachte.

Im Interview mit dem Wall Street Journal, sagte Munger, es wäre wahrscheinlich, dass Li einmal  Top-Investment-Manager bei Berkshire werde. „Meiner Meinung nach ist das abgemachte Sache“, sagte Munger, der sich mit seinen 86 Jahren selbst eines hohen Alters erfreut. 

Dem Bericht zufolge gilt es als wahrscheinlich, dass Li zumindest einen Teil des mehr als 100 Milliarden Dollar schweren Portfolios von Berkshire verwalten wird. Auch halten viele Beobachter eine Doppelspitze für möglich, bei der Li oberster Investment-Chef und der ebenfalls als Buffet-Nachfolger gehandelte David Sokol Verwaltungsratschef wird. Sokol ist derzeit Leiter von Berkshires Versorgertochter Mid American Energy Holdings.

Vom Pflegekind zum Dissidenten

Der ehemalige chinesische Studentenführer Li kann auf ein bewegtes, zum Teil tragisches Leben zurückblicken. Während  Mao Zedongs aufkommender Kulturrevolution 1966 geboren, schickten die Kommunisten Lis Vater, einen Ingenieur, zur Umerziehung in eine Kohlemine geschickt. Lis Mutter kam in ein Arbeitslager. Li wuchs in verschiedenen Pflegefamilien auf. Mit zehn Jahren durfte er zu seinen Eltern und Geschwistern zurückkehren.

Kurz nach der Familienzusammenführung zerstörte ein Erdbeben seinen Heimatort. Das Beben  forderte 240.000 Opfer. Zwar blieb Lis Familie verschont, doch „die meisten Menschen, die ich kannte, kamen um“, sagt Li.

Seine Großmutter, eine der ersten Frauen in ihrer Stadt, die studierte, zeigte ihm den Wert von Bildung. Li studierte in Nanjing Physik. 1989 beteiligte er sich an den Studentenprotesten für mehr Demokratie und gegen Korruption in Peking und zählt zu den Mitorganisatoren der Demonstrationen auf dem Tiananmen Platz. Auch  an einem Hungerstreik nahm er teil.

Li Lu - Gründer von Himalaya Capital und LL Investment Quelle: Screenshot von der Homepage himalayacapital.com

Nach der blutigen Niederschlagung der Studentenrevolte floh er zunächst nach Frankreich, später in die Vereinigten Staaten. Er schrieb ein Buch über seine Erfahrungen und studierte an der Columbia University Recht, Wirtschaft und Betriebswirtschaftslehre.

Es war wohl ein Vortrag von Warren Buffett an der Columbia 1993, der seine Meinung über die Aktienmärkte änderte und sein Interesse weckte. Mit dem Erlös aus dem Verkauf seines Buches begann er  erste Investments. Als er 1996 seinen Abschluss machte, hatte er damit ganz hübsch verdient.

Nach einem Intermezzo bei einer Investmentbank gründete er den Hedgefonds Himalaya Partners und wenig später die Risikokapitalfirma LL Investment Partners. Über seine Kontakte zu amerikanischen Menschenrechtlern gelangte Li an zahlungskräftige Klientel, darunter Leute wie der Musiker Sting oder der ehemalige Chef des Verlags Random House Bob Bernstein, der auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch gegründet hat.

Berkshires innerer Kreis

Anfangs lief sein Unternehmen schlecht. Mit den vorrangig in Asien platzierten Investments erlitt sein Fonds aufgrund der Schuldenkrise in Asien 1998 deutliche Verluste. Aber nur ein Jahr später waren die Verluste ausgeglichen, neue Investoren vertrauten ihm Geld an. Ebenfalls über seine befreundeten Menschenrechtler gelangte er an den inneren Kreis des Berkshire-Managements. 2003 lernte er so auf einem Thanksgiving-Fest Charlie Munger kennen.

Munger und Li verstanden sich sofort prächtig. Mit seinem eigenen Geld sowie etlichen Millionen von Mungers Familie und weiteren 50 Millionen von anderen Investoren gründete Li 2004 neuen geschlossenen Fonds, berichtet das Wall Street Journal.

Lis erfolgreichstes Investment war der chinesische Batteriehersteller BYD. 2002 stieg Li ein, kurz nachdem BYD sein Börsendebüt in Hongkong feierte. Mit dem gemeinsam mit Munger gegründeten Fonds kaufte er ebenfalls Anteile an BYD.

Top-Performer dank BYD

Vor zwei Jahren  beauftragte Munger seinen Kollegen Sokol damit, ein BYD-Investment auch für Berkshire zu prüfen. Inzwischen hat das BYD-Investment Berkshire eine Wertsteigerung von 1,2 Milliarden Dollar beschert, die Investmentgesellschaft hält zehn Prozent der Anteile.

Abgesehen von dem sehr erfolgreichen BYD-Geschäft sind Lis Erfolge eher unauffällig. Vor allem dank seines BYD-Investments hat er Medienberichten zufolge seit 1998 mit seinem Fonds eine durchschnittliche Jahresrendite von 26 Prozent erwirtschaftet, im laufenden Jahr jedoch noch ein Minus von 13 Prozent in den Büchern.

Dass er jetzt als Anwärter auf den wohl begehrtesten Job der Finanzbranche gilt, liegt wohl auch an den speziellen Qualitäten, die Warren Buffett von einem möglichen Nachfolger fordert: Dazu gehöre weit mehr als Intelligenz, sagte Buffett einmal.

Für eine tragende Rolle bei Berkshire sei es notwendig, Probleme zu erkennen, noch bevor sie existierten. Und es helfe, unkonventionell zu denken. Davon kann man bei Li Lus bewegtem Leben wohl ausgehen.

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