Schwarzgeldschmuggel Warum fünf Rentner ihren Anlageberater entführten

Rentner entführen einen Anlageberater, der sie betrogen haben soll, um ihr Geld zurückzubekommen. Kriminell oder verzweifelt? In Traunstein sucht das Gericht Antworten.

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Strand in Florida Quelle: REUTERS

Zum Rauchen sollte ihre Geisel auf die Terrasse. Damit der Gestank nicht im Haus blieb. Danach, so stellten sich das seine Entführer wohl vor, hätte James Amburn wieder in den mit Styropor verdunkelten Kellerraum gehen sollen. Amburn floh, seine Entführer liefen hinterher. Ein Nachbar stoppte Amburn, weil zwei seiner fünf Entführer, Roland K. und Willi D., „Hey, halt den fest, das ist ein Einbrecher!“ riefen. Roland ist 74, Willi 60. Da hatten sie noch mal Glück.

Das Glück ist mit den Dummen, heißt es. Wenn das so wäre, dann säßen Willi, Roland und seine Frau Sieglinde und das Ehepaar Gerhard und Iris F. wohl in einer der Villen, die sie in Florida besitzen. Dann hätten sie ihre 3,3 Millionen Dollar wiederbekommen und dächten, dass sie gerade noch mal Glück gehabt hätten. Ob es unrecht gewesen ist, was sie getan haben, wäre ihnen vielleicht egal gewesen. Es hätte funktioniert, und keinem wäre was passiert, in ihren Augen. Sie hätten ja nur bekommen, was ihnen zusteht.

Zweistellige Millionenbeträge in die Schweiz transferiert

Die 3,3 Millionen hatten die fünf Freunde, die sich vor gut zehn Jahren in Florida kennenlernten, einem dortigen Anlageberater anvertraut. Eben jenem James Amburn, der zwar für Florida keine Lizenz als Steuerberater hatte, aber wusste, wie man deutsche Rentner in Florida umgarnt, um Schwarzgeld unterzubringen. In Florida gibt es für deren größeren Mut oder Fahrlässigkeit sogar ein geflügeltes Wort: Palmenfieber.

Und zunächst hatte das Quintett auch Glück. Amburn machte ordentliche Renditen. Doch dann, im Sommer 2005, brachen die Geschäfte zusammen. Die Einlagen, die Renditen – alles war weg. Was tun?

Die fünf Freunde stellten Nachforschungen an. Sie stießen auf Konten Amburns, auf zweistellige Millionenbeträge, von denen es hieß, sie seien in die Schweiz transferiert worden. Und sie fassten einen Plan: Wenn sie legal nicht an ihr Geld gelangten, dann eben durch Entführung. „Die haben geglaubt, die bräuchten ihm nur sanft auf die Brust zu klopfen, um an ihr Geld zu kommen“, sagt Anwalt Harald Baumgärtl, der Willi D. vertritt.

Zelle statt Villa

Also fotografiert Roland K. am 8. Juni 2009 die Wohnung Amburns, der mittlerweile in Speyer in Deutschland lebt. Er bastelt aus Umzugskartons und Fliegengitter ein provisorisches Gefängnis für den Amerikaner, lauert ihm auf und überwältigt ihn am 16. Juni zusammen mit seinem Komplizen Willi.

Dass die beiden Entführer den geknebelten Amburn mit einer Sackkarre im Karton durch die Speyrer Straßen fuhren, hat kein Aufsehen erregt. Glück. Dass Amburn sich während der Autofahrt von Speyer nach Chieming aus dem Karton befreien kann, bei einem Stopp aus dem Kofferraum springt, wieder eingefangen und zusammengeschlagen wird, was ihm zwei Rippenbrüche einbringt, ist brutal – und Glück für die Entführer, die ihr Opfer an den Chiemsee verschleppen.

In der Garage der K.s treffen alle wieder zusammen. Iris hat Kuchen mitgebracht, ein Stuhlkreis wird zum Tribunal: Amburn soll das Geld rausrücken. Ein Fax an seine Bank schicken. Und Amburn gehorcht. Er weiß, dass sein Berater im Urlaub ist. Er will Zeit gewinnen. Am dritten Tag der Entführung, nach der Zigarette auf der Terrasse, gelingt ihm fast die Flucht. Dann reicht es Roland und Willi.

Ein weiteres Fax wird geschickt. Zu dumm nur, dass die Entführer die Kennung nicht ausschalten und eine Nummer zum Rückrufen angeben. Zu dumm, dass sie den versteckten Code nicht erkennen, den Amburn hineinschmuggelt: „Also sell call.pol.ICE.“ Auch dem Banker wird erst klar, worum es geht, als er die Nummer anruft und Amburn ihm einen Hinweis gibt. Sofort verständigt der Schweizer die Polizei, die nach vier Tagen die Geiselhaft beendet.

Räuberische Erpressung und Geiselnahme. Das wirft die Staatsanwaltschaft Traunstein den Freunden vor. Mindestens fünf Jahre Haft stehen darauf. Zelle statt Villa. Dass das Glück nicht mit den Dummen ist, das wissen sie jetzt. Aber ob für Dummheit mildernde Umstände gelten?

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