Nach deutschem Erbrecht ist es beispielsweise möglich, schon zu Lebzeiten auf seinen Pflichtteil des Erbes zu verzichten. Meist geht dies mit einer Schenkung – sozusagen der Auszahlung des Erbteils – einher. Solche Vereinbarungen sind jedoch beispielsweise in Frankreich, Italien und Spanien unwirksam. Einige Staaten kennen anders als in Deutschland zum Beispiel Noterbrechte, die etwa in Frankreich dafür sorgen, dass erbende Kinder mehr als nur den Pflichtteil erhalten. In Belgien haben Ehegatten zwingend Anspruch auf Nutzung und Erträge aus dem Erbe – juristisch Nießbrauch genannt. Kinder, die nach belgischem Erbrecht beispielsweise eine vermietete oder von der hinterbliebenen Gattin bewohnte Immobilie erben, profitieren dann nicht von Mieteinnahmen und dürfen die Witwe auch nicht vor die Tür setzen.
Problematisch können auch Erbverträge oder gemeinschaftliche, sogenannte Berliner Testamente sein, in denen sich Ehegatten gegenseitig zu alleinigen Erben und die Kinder zu Schlusserben nach dem Tod der Eltern erklären. Ein solches Testament beziehungsweise so ein Erbvertrag ist in Italien unwirksam. „Ein deutsches Ehepaar, das in Deutschland ein Berliner Testament gemacht hat und nach Italien gezogen ist, hat seit dem 17. August keine Garantie mehr, dass seine Wunschverteilung des Nachlasses auch wirklich umgesetzt wird“, warnt der auf deutsch-italienisches Recht spezialisierte Rechtsanwalt Jürgen Reiss aus Frankfurt. Das Pflichtteilsrecht sei in Italien wesentlich stärker ausgeprägt als in Deutschland, selbst nach deutschem Recht Enterbte könnten sich in Italien einklagen und ihren Pflichtteil fordern, erläutert Reiss.
Zu Lebzeiten deutsches Erbrecht wählen
Wer dauerhaft ins Ausland zieht, sollte sein Erbe daher genauestens regeln, am besten mittels Testament. Dabei sieht das neue EU-Erbrecht auch die Wahlmöglichkeit vor, sich entweder für das Erbrecht des Staates zu entscheiden, dem er angehört, oder in dem er sich gewöhnlich aufhält. Wer sein Testament vor Inkrafttreten des neuen EU-Erbrechts gemacht hat, sollte es daraufhin prüfen und gegebenenfalls mit Hilfe eines Anwalts und Notars anpassen. Diese helfen auch bei der Beurteilung, welches Erbrecht im individuellen Fall vorteilhafter ist.
In vielen Fällen ist es sicher sinnvoll, das deutsche Erbrecht zu wählen. Dazu muss das Testament eine sogenannte „Rechtswahlklausel“ enthalten. Darin erklärt der Erblasser, dass er die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und für seine gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen nach Art. 22 EU-ErbVO die ausschließliche Geltung deutschen Erbrechts wählt. "Für deutsche Staatsangehörige wird sich vielfach die Rechtswahl für deutsches Erbrecht empfehlen", erklärt Siemers. Für das Testament gilt: Je klarer und einfacher das Testament verfasst ist, umso eindeutiger ist es auch in einer fremden Sprache. Notare helfen bei einer rechtssicheren Formulierung des Testaments. Wichtig: Nach deutschen Vorschriften muss das Testament eigenhändig ge- und mit vollem Namen unterschrieben sein, es sei denn, ein Notar erstellt es..
Spezielle Nachlassvollmachten erleichtern dabei die Abwicklung des Erbfalls. Das neue EU-Erbrecht führt zudem ein europäisches Nachlasszeugnis ein. Damit können Erben wie auch Testamentsvollstrecker ihre rechtliche Stellung nachweisen und sich die grenzüberschreitende, mehrfache Beantragung von Erbscheinen ersparen.
Wer sich so in seinem Testament – für die Wahl des anzuwendenden Erbrechts ist ein solches zwingend erforderlich – für das deutsche Erbrecht entscheidet, hat aber in jedem Fall den Vorteil, dass er sich in juristisch bekanntem Terrain bewegt – auch wenn Vermögensteile im europäischen Ausland liegen. So kann er sicher sein, dass sein Erbe seinen Wünschen entsprechend unter den Hinterbliebenen aufgeteilt wird.
Ein Problem bleibt den Erben dennoch erhalten. "Das Erbschaftsteuerrecht bleibt von der neuen Regelung unberührt", sagt Siemers. "Eine Doppelbesteuerung durch in- und ausländische Vorschriften zur Besteuerung des Erbes und eine in vielen Fällen unzureichende Steueranrechnung dürfte auch weiterhin Erben, Finanzämter und Anwälte beschäftigen."