Prozess Was Hoeneß mit seiner Körpersprache sagt

Im Prozess muss Hoeneß verbergen, was ihn so beliebt machte: seine echte Emotionalität. Michael Moesslang, Experte für Körpersprache, hat sich die kurzen Sequenzen angeschaut, die im Gerichtssaal gedreht werden dürfen.

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Uli Hoeneß vor Gericht mit seinen Anwälten Hanns W. Feigen (links) und Markus Gotzens (rechts). Quelle: AP

Welche Signale wären die richtigen? Soll sich Uli Hoeneß überzeugt und siegessicher geben? Das könnte ihm als Hochmut ausgelegt werden. Soll er sich reumütig und als ängstlicher Verlierer zeigen? Das könnte die Staatsanwaltschaft stärken. Und vor allem: Wie glaubt Hoeneß selbst, dass es ausgeht?

Im Grunde kann er weder die eine noch die andere Seite zeigen, beides könnte ihm negativ ausgelegt werden. Bleibt also das möglichst neutrale Verhalten, denn da sind noch die Öffentlichkeit und das Umfeld des FC Bayern. Schließlich geht es letztlich für ihn auch um die Frage, ob er Präsident bleiben kann. Also versucht Hoeneß sich neutral zu geben. Selbstsicher, freundlich lächelnd, aber nicht übertrieben siegesgewiss. Seine sonst so emotionale Art unterdrückt er, was ihm sichtlich schwer fällt. Jeder würde in seiner Situation angespannt sein, es geht schließlich um Strafe und Ehre.

Seine Lippen zeigen Anspannung

Wenn Hoeneß den Gerichtssaal am Münchner Landesgericht betritt, presst er die Lippen zusammen, öffnet sie nur mehrmals kurz, um nach Luft zu schnappen. Er geht zu seinem Stuhl. Am ersten Tag ist er noch unsicher, welcher ihm zugewiesen wurde. An den folgenden Tagen zeigt er umso mehr Zielstrebigkeit. Am zweiten Prozesstag ist er vor seinen Anwälten am Platz und hält sich mit den Händen am Stuhl fest. Locker soll es wirken. Sobald seine Anwälte kommen, huscht ihm ein Lächeln über die Lippen. Nicht zu den Anwälten. Er lächelt mit Blick nach unten. Das ist ein Ausdruck der Erleichterung und der kurzen Entspannung.

Als Hoeneß dann kurze Worte mit den beiden Anwälten wechselt, lächelt er wieder. Will er den locker Scherzenden zeigen? Natürlich nur dezent, nicht arrogant? Doch genau da ist auch die Nervosität zu erkennen. Er vergisst nun seine Körpersprache zu kontrollieren und beginnt kaum merklich von einem Fuß auf den anderen zu wippen. Kurz darauf lächelt er zwar ein bisschen in die Kameras und doch beginnen seine Finger auf der Stuhllehne zu spielen. Die Anspannung sucht sich ihre Bewegungsmöglichkeiten.

Warum Hoeneß so beliebt ist

Das Geheimnis der Beliebtheit des Bayern-Präsidenten liegt in seiner echten Emotionalität. Er weiß Freude und Wut zu zeigen. Er kann jubeln und sich sichtlich freuen, er kann stinksauer sein und sehr laut werden und er kann die Tränen der Rührung nicht unterdrücken, als er auf der Hauptversammlung des FC Bayern den Rückhalt der Fans spürt. Er ist echt und zeigt immer was er spürt. Vor Gericht muss er sich nun verstellen. Das ist Hoeneß nicht gewohnt. Und doch glaubt man es ihm fast.

Man muss schon sehr genau hinschauen, um zu merken, wie viel Konzentration es ihn kostet. Da wurde sicher beratschlagt und trainiert, damit niemand etwas Falsches hinein interpretiert. Bei einem Prozess dieser Größenordnung überlässt man möglichst nichts dem Zufall. Hoeneß ist Profi genug, seine Wirkung ist ihm wohl bewusst.

Doch es gibt Signale, die man nicht verbergen kann. Schließlich läuft Körpersprache weitgehend unbewusst ab, sich ständig darauf zu konzentrieren schaffen wir nicht. Ein auffälliges Signal ist beispielsweise die Blinzel-Frequenz. Normalerweise blinzeln wir 30–40 Mal in der Minute. Nicht so Hoeneß. Er blinzelt so gut wie gar nicht. Ein Zeichen, dass er sich sehr konzentriert und auch sehr im Außen ist, also beobachtet, wie andere ihn beobachten.

Der Anwalt zeigt sich als Profi

Auch sein Anwalt Feigen inszeniert sich bewusst. Dass er am ersten Prozesstag Hoeneß über den Mund gefahren ist - „Erzählen Sie hier nichts vom Gaul!“ -, war ebenso wenig Zufall wie das unruhige Hin-und-her-Blicken und nonverbale Kommentieren der Zeugenvernehmung am dritten Prozesstag. Als Profi könnte er das auch ruhig beobachten. Doch er weiß, wie er die Aufmerksamkeit auf bestimmte Aussagen lenken kann, die letztlich entscheidend werden können.

Insgesamt macht Hoeneß auf mich den Eindruck, als erwarte er einen Freispruch in der Frage nach der Zulässigkeit der Selbstanzeige. Schuldig als Steuerhinterzieher fühlt er sich trotzdem und bereut auch. Eine Gefängnisstrafe könne er womöglich sogar verkraften. Viel wichtiger ist ihm, Präsident des Fußballvereins zu bleiben. Körpersprache verrät letztlich doch immer eine Menge mehr als Worte sagen.

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