Rein rechtlich

Chefs müssen Briefgeheimnis auch digital beachten

Dürfen E-Mails von Kollegen im Urlaub automatisch umgeleitet werden? Was geschieht mit den E-Mails, wenn der Mitarbeiter das Unternehmen verlässt? Entscheidend ist die private Nutzung.

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Mail Quelle: dpa

Die E-Mail-Konten von Mitarbeitern sind in vielen, insbesondere wissensorientierten, Unternehmen, der Dreh- und Angelpunkt der Tätigkeit. Schon bei urlaubsbedingter Abwesenheit stellt sich aber die Frage, wie mit den Mails des Mitarbeiters umgegangen wird. Dürfen sie automatisch weitergeleitet und von Dritten gelesen werden? Und was geschieht mit dem Account und den Mails, wenn der Mitarbeiter das Unternehmen verlässt? Entscheidend ist hier, ob der Arbeitgeber erlaubt hat, die E-Mail-Accounts auch privat zu nutzen. Denn dann gilt das Fernmeldegeheimnis.

Klare gesetzliche Vorgaben hinsichtlich der Nutzung von E-Mails bei dienstlicher oder privater Nutzung gibt es nicht. Die insbesondere im Jahre 2011 diskutierte Novelle des Beschäftigtendatenschutzes wurde bislang nicht verabschiedet. Es verbleibt deshalb bei der bisherigen, insgesamt unklaren Rechtslage.

Bei der Nutzung von E-Mail-Accounts und den dort ein- sowie ausgehenden E-Mails ist zunächst danach zu differenzieren, ob der Arbeitgeber die private Nutzung erlaubt hat. Ist sie untersagt, sind sämtliche E-Mails dienstlich und damit der Geschäftspost des Arbeitgebers gleichzustellen. Ansonsten ist der Arbeitgeber rechtlich gesehen Telekommunikationsdiensteanbieter und unterliegt dem Fernmeldegeheimnis. Der Arbeitgeber kann in diesem Fall bei Abwesenheit oder Ausscheiden eines Mitarbeiters nur in sehr beschränktem Umfang auf den Account zugreifen. Dies gilt auch hinsichtlich der dienstlichen E-Mails.

Ist ein Mitarbeiter abwesend, kann der Arbeitgeber vergleichbar der Geschäftspost bei der rein dienstlichen Nutzung von E-Mails bestimmen, ob ein anderer Mitarbeiter auf eingehende E-Mails zugreifen kann, um diese zu bearbeiten, oder diese an einen Vertreter weitergeleitet werden.

Fernmeldegeheimnis endet bei der Archivierung

Entsprechendes gilt hinsichtlich der Archivierung bei vollständigem Ausscheiden eines Mitarbeiters. E-Mails sind nach den gesetzlichen Aufbewahrungspflichten zu archivieren. Da sie in der Regel personenbezogene Daten des jeweils bearbeitenden Mitarbeiters enthalten, sind dessen Daten jedoch gemäß § 20 Abs. 3 Nr. 1 Bundesdatenschutzgesetz zu sperren. Ist die private E-Mail-Nutzung zugelassen, ist eine solche Regelung jedoch wegen des Fernmeldegeheimnisses nicht ohne weiteres zulässig. Da theoretisch jede E-Mail im Account eines Mitarbeiters privat sein könnte, „infiziert“ die Privatnutzung die übrigen E-Mails. Auf diese darf der Arbeitgeber deswegen zunächst einmal nicht zugreifen.

In diesen Fällen empfiehlt sich eine Betriebsvereinbarung, die das Vorgehen regelt. Gibt es keinen Betriebsrat im Unternehmen, kann zwar grundsätzlich die Einwilligung des Arbeitnehmers hierzu eingeholt werden. Die Freiwilligkeit der Abgabe derartiger Einwilligungserklärungen im Arbeitsverhältnis wird jedoch von einigen Datenschutzrechtlern für unwirksam gehalten.

Zum Teil wird jedoch angenommen, dass das Fernmeldegeheimnis bei der Archivierung der Daten endet, da dies das Ende des Übermittlungsvorgangs darstellt. Danach ist die Archivierung von E-Mails nach Ausscheiden eines Mitarbeiters auch bei erlaubter Privatnutzung zulässig.

Probleme bei privater Nutzung

Folgt man dieser Ansicht nicht, verbleibt lediglich eine Regelung im Arbeitsvertrag, nach der der Mitarbeiter verpflichtet ist, dafür Sorge zu tragen, dass er während seiner Abwesenheit keine privaten E-Mails erhält bzw. private E-Mails vor seinem Ausscheiden löscht oder seine privaten Kontakte über sein Ausscheiden informiert, damit diese nicht archiviert werden. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, kann zumindest argumentiert werden, dass er sich mit einer Archivierung einverstanden erklärt hat. Der Arbeitgeber handelt damit nicht vorsätzlich, da er davon ausgehen kann, dass der Mitarbeiter die privaten E-Mails gelöscht hat oder seiner Informationsverpflichtung nachgekommen ist.

Will der Arbeitgeber diese Unsicherheiten vermeiden, muss er die private E-Mail Nutzung grundsätzlich untersagen und die Einhaltung dieses Verbotes ebenso kontrollieren wie Verstöße dagegen sanktionieren. Nach überwiegender Auffassung in der Fachliteratur greift ansonsten der Grundsatz der betrieblichen Übung, wonach die Privatnutzung bei unterlassenen Kontrollen und Sanktionen zugelassen ist.

Häufig wird auch diskutiert, dem Mitarbeiter zwei Accounts zur Verfügung zu stellen, einen dienstlichen und einen privaten. In der Praxis wird dies jedoch kaum umgesetzt, da die Gefahr des falschen Abspeicherns von (wichtigen) dienstlichen E-Mails als zu groß angesehen wird.

Private E-Mails bleiben privat

Bei Ausscheiden eines Mitarbeiters gibt es datenschutzrechtlich nur dann eine Vorgabe, wenn in der Abwesenheitsnotiz auf die private E-Mail-Adresse verwiesen werden soll. Dem muss der Mitarbeiter zustimmen. Im Regelfall liegt ein solches Vorgehen jedoch nicht im Interesse des Arbeitgebers, da er zum einen nach dem Ausscheiden des Mitarbeiters nicht mehr kontrollieren kann, ob derartige E-Mails bearbeitet werden, und er zum anderen im Regelfall nicht riskieren möchte, so Kunden zu verlieren, indem der ausgeschiedene Mitarbeiter diese womöglich in seiner neuen Arbeitsstelle betreut.

Sollte die Firmenpolitik dies nicht verbieten, könnte stattdessen der Hinweis auf das Ausscheiden des Mitarbeiters verbunden mit der Bekanntgabe der Kontaktdaten des neuen zuständigen Mitarbeiters als Abwesenheitsnotiz für einen Zeitraum von bspw. 1-2 Monaten geschaltet werden, um anfragende Kunden nicht im Ungewissen über die Bearbeitung ihrer Anfrage und den neuen Ansprechpartner zu lassen.

So wird auch das Problem vermieden, dass nach Ausscheiden des Mitarbeiters private E-Mails an einen neuen Sachbearbeiter ohne Zustimmung des Mitarbeiters gesandt werden.

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