Nach Ansicht des BAG handelt es sich bei der Regelung im ETV jedoch um gar keine sogenannte einfache Differenzierungsklausel, also eine Klausel, die zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und Nicht-Gewerkschaftsmitgliedern (Außenseitern) differenziert. Stattdessen unterscheidet diese Klausel, die den persönlichen Geltungsbereich definiert, vielmehr zwischen Alt-Gewerkschaftsmitgliedern und später eingetretenen Gewerkschaftsmitgliedern. Es handelt sich gleichsam um eine tarifliche „Binnenregelung“. Die Stichtagsregelung formuliert somit lediglich Anspruchsvoraussetzungen für die tariflichen Leistungen. Da es sich bei der Festlegung des persönlichen Geltungsbereichs um keine Differenzierungsklausel handelt, kommt auch ein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht in Betracht.
Des Weiteren konnten die Richter auch keinen Verstoß gegen die negative Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) der Außenseiter feststellen, da die Regelung im ETV als „Binnenregelung“ lediglich zwischen verschiedenen Gruppen von Gewerkschaftsmitgliedern differenziere. Diese schränke aber weder die Handlungs- noch die Vertragsfreiheit des Arbeitgebers noch die der Außenseiter ein. Auch ein unzulässiger faktisch erhöhter Beitrittsdruck zur Gewerkschaft resultiere daraus nicht.
Das sehr feinsinnige Urteil des BAG ist unter formal-juristischen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt. Die Klägerin hatte versucht, durch einen nachträglichen Beitritt zur IG Metall doch noch höhere Abfindungen zu erhalten, und war auch kurze Zeit nach ihrem Eintritt bereits wieder aus der Gewerkschaft ausgetreten. Dieser Versuch, die Vergünstigungen zu erhalten scheiterte zu Recht. Vielfach verkannt wird auch, dass die Rechtsprechung des BAG zu den sogenannten Differenzierungsklauseln gerade keine Rolle spielt, da die hier vorliegende „Binnenregelung“ nicht zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und Außenseitern, sondern nur innerhalb der Gewerkschaftsmitglieder unterscheidet.
Dennoch ist auch eindeutig, dass hier die Tarifverhandlungen von der IG Metall genutzt worden sind, um Vorteile für die eigenen Mitglieder zu erzielen. Dies führte letztendlich zum „verspäteten“ Beitritt der Klägerin. Ob aber Massenentlassungen der geeignete Rahmen sind, um für sich selbst zu werben, erscheint doch fragwürdig und wenig sozialverträglich. Daher gewinnt man wieder einmal den Eindruck, dass hier die Durchsetzung eigener Interessen und die Stärkung der eigenen Bedeutung von der Gewerkschaft über das Wohl der Arbeitnehmer gestellt werden. Ein Bild, das aktuell durch die Verhandlungsführung der GdL in den Tarifverhandlungen mit der Deutschen Bahn bestätigt wird.