S&K-Prozess Anwälte fordern Abbruch des Mammutverfahrens

Im Betrugsverfahren um die Frankfurter Immobilien-Gruppe S&K wäre am Dienstag beinahe der erste Zeuge gehört worden. Doch dann erhoben die Verteidiger schwere Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft.

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Ein Justizbeamter steht am 24.09.2015 im Gerichtssaal des Landgerichts in Frankfurt am Main (Hessen) neben der Anklagebank, auf der die Firmengründer der Immobilienfirma S&K sitzen. Wegen schwerem und bandenmäßigen Betrugs sowie Untreue sind die beiden Firmengründer sowie vier weitere Männer angeklagt. Laut Anklage sollen die Männer mehrere tausend Anleger mit einem verschachtelten Firmen- und Beteiligungssystem um ihr Geld gebracht haben. Den Gesamtschaden beziffern die Ermittler auf mehr als 240 Millionen Euro. Foto: Arne Dedert/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ Quelle: dpa

Frankfurt Auf dem Aushang an der Tür zum Gerichtssaal stand es schwarz auf weiß: In der Hauptverhandlung um die Frankfurter Immobilien-Gruppe S&K sollte am Dienstag der erste Zeuge gehört werden. Doch dann kam mal wieder alles ganz anders. Nach knapp drei Stunden Verhandlungszeit war an einen Eintritt in die Beweisaufnahme nicht mehr zu denken. Stattdessen kassierten die Richter der 28. Wirtschaftsstrafkammer am Frankfurter Landgericht mehrere Anträge auf Aussetzung oder sogar Abbruch des Verfahrens. Grund dafür war einmal mehr der Streit um Akteneinsicht. Die Verteidiger der Angeklagten werfen der Staatsanwaltschaft vor, dass sie Akten zurückhalte.

Vor dem Frankfurter Landgericht müssen sich bereits seit Ende 2015 sechs Männer verantworten, die wegen schweren bandenmäßigen Betrugs und ebensolcher Untreue angeklagt wurden. Sie sollen mit einem verschachtelten Firmen- und Beteiligungssystem etwa 11.000 Anleger um mindestens 240 Millionen Euro gebracht haben. Wie das vonstattengegangen sein soll, hat die Frankfurter Staatsanwaltschaft in einer mehr als 1.750-seitigen Anklageschrift ausgeführt, die über Wochen vor Gericht vorgetragen worden war.

Bereits im Februar 2013 waren die sechs Angeklagten nach einer großangelegten Razzia in Untersuchungshaft gekommen. Einer von ihnen wurde im Mai auf freien Fuß gesetzt, nachdem er ein Geständnis abgelegt hatte.

Den Anstoß für einen Teil der zahlreichen Anträge hatte am vergangenen Freitag die Verteidigerin von Hauke B. gegeben, dem ehemaligen Geschäftsführer des Hamburger Emissionshauses United Investors. Schon seit etwa zwei Monaten fordere sie von der Staatsanwaltschaft Einsicht in diverse Akten von Personen, die in der Anklageschrift als „gesondert Verfolgte“ bezeichnet werden. Ausführlich schilderte sie ihre Korrespondenz mit einem der Frankfurter Staatsanwälte und warf der Behörde eine „klare Verzögerungstaktik“ vor.

Ihre öffentliche Beschwerde hatte Erfolg, ein Staatsanwalt überreichte ihr am Dienstagmorgen einen Umschlag mit Aktenmaterial auf zwölf DVDs. Das alleine reichte ihr und den anderen Verteidigern aber nicht. Die anderen Anwälte möchten nun ebenfalls Duplikate der Akten haben und fordern, dass die Kammer diese für alle beiziehe. Außerdem gaben sie an, Zeit für die Durchsicht der Unterlagen zu benötigen, deshalb müsse die Hauptverhandlung unterbrochen werden. Die Behauptung eines Staatsanwalts, dass ein Teil der Unterlagen ohnehin schon Teil der S&K-Akte sei, konnte sie nicht beruhigen. Im Gegenteil, nun entspann sich eine Diskussion darüber, wie gut der Staatsanwalt selbst eigentlich die Akten kenne und ob man der Behörde glauben könne, dass die Unterlagen vollständig seien.

Auch ein Antrag der Verteidigerin von Jonas Köller zielte auf mehr Akteneinsicht ab. Sie nannte Dutzende von Akten, die sie und ihre Kollegen einsehen müssten, um nachvollziehen zu können, wie das laufende Verfahren überhaupt entstanden sei. Ein Staatsanwalt habe im Vorfeld Verfahren eingestellt, die Ermittlungen aber unter einem anderen Aktenzeichen weiterlaufen lassen. Auch seien viele Verfahren unter einem Aktenzeichen gebündelt worden, ohne dass die dahinterstehende Systematik ersichtlich sei.

Auch Verfahren aus Bayern seien davon betroffen. Für ihren Mandanten habe das zum einen zur Folge, dass ihm rechtliches Gehör verwehrt worden sei. Er habe annehmen müssen, dass Ermittlungen eingestellt worden seien, während sie tatsächlich weiterliefen und habe sich nicht dazu äußern können.


Nächster Angeklagter äußerst sich

Wegen der notwendigen Einsichtnahme in die Akten und der Aufarbeitung der Verfahrensgeschichte beantragte die Anwältin ebenfalls eine Aussetzung des Verfahrens. Beschwichtigungsversuche der Staatsanwälte führten nur dazu, dass sich andere Verteidiger umso hitziger in die Diskussion einmischten. Die Akten seien manipuliert, deshalb habe sich sein Mandant auch nicht zur Anklage eingelassen, sagte einer der Schäfer-Verteidiger. „Das Gericht muss das Verfahren durch ein Prozessurteil einstellen“, sagt er. Das Prozesshindernis in Form der seiner Meinung nach manipulierten Akten ließe sich nicht mehr heilen. Wie mit den Anträgen umgegangen werden soll, muss nun die Kammer des Gerichts entscheiden.

Inmitten dieser Streitereien zwischen Verteidigern und Anklägern gab es am Dienstag aber noch eine kurze Phase, in der einer der Angeklagten zu Wort kam: Marc-Christian S., der sowohl in den Immobilienhandel als auch in den Ankauf von Lebensversicherungen eingebunden gewesen sein soll, machte Angaben zu seiner Person.

Der knapp 42-Jährige war Anfang des Jahres als erster Angeklagter gefragt worden, ob er zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft Stellung nehmen wollte. Offenbar wollte er sich aber nicht äußern, bevor nicht die Unternehmensgründer – Stephan Schäfer und Jonas Köller – zu Wort gekommen waren. Köller hat inzwischen eine sehr umfangreiche Sacheinlassung abgegeben, während Schäfer sich nicht äußern wollte.

S. beschrieb sich selbst als strebsamen Menschen, der als Jugendlicher mal eine Laufbahn als Pilot bei der Bundeswehr anvisiert hatte, sich dann für eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann entschieden und diese auch mit Spaß abgeschlossen habe. Später sei seine Begeisterung für die Immobilienwirtschaft geweckt worden und er habe bei einer Immobilienmaklergesellschaft im Taunus gearbeitet.

Seine Einlassung zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft soll in den nächsten Wochen noch folgen. Doch schon jetzt zog er seine Erfahrungen, die er bei der Maklergesellschaft gesammelt habe heran, um Vorwürfe aus der Anklage zu relativieren: So würden die Staatsanwälte S&K beispielsweise vorwerfen, dass Immobilien innerhalb kurzer Zeit gekauft und schnell wieder verkauft worden seien. Aber das sei doch in der Branche ganz normal, sein ehemaliger Arbeitgeber habe das auch so gemacht. Daneben versäumte er nicht zu betonen, wie eng die Bande zu seinen Eltern und Geschwistern seien – ein Aspekt, der bei der nächsten Haftprüfung relevant werden könnte.

Bekannt geworden waren die Chefs der S&K-Immobiliengruppe, Schäfer und Köller, insbesondere durch Fotos, die sie bei dem zeigen, was die Staatsanwaltschaft als „ausschweifenden Lebensstil“ bezeichnet: mit dem Lamborghini ins Büro, Übernachten in der Hugh-Hefner-Suite, Feiern mit Elefanten. Stephan Schäfer und Jonas Köller lebten und liebten wohl den Exzess.

Vor dreieinhalb Jahren hatte die Staatsanwaltschaft Frankfurt ihren Geschäften mit einer Großrazzia ein Ende bereitet. Damals waren etwa 1200 Ermittler und 15 Staatsanwälte in sieben Bundesländer ausgerückt, um gegen die Bande mutmaßlicher Anlagebetrüger vorzugehen. Erst knapp zwei Jahre später stand die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft.

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