Monatelanges Warten auf einen Facharzt-Termin soll auch für Kassenpatienten bald der Vergangenheit angehören. Und so soll es funktionieren: Der Patient holt sich eine Überweisung vom Arzt mit dem Hinweis auf die Dringlichkeit, er ruft bei der Terminservicestelle an und innerhalb von vier Wochen bekommt der gesetzlich Krankenversicherte seine Behandlung beim Facharzt. Eine Vier-Wochen-Garantie sozusagen.
Anfang 2016 sollen diese neune Servicestellen nun ihre Arbeit aufnehmen, kündigte kürzlich ein Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) an. Stichtag: 23. Januar.
Damit setzt die KV eine gesetzliche Vorgabe um, die im Sommer vom Bundestag beschlossen worden war. Am 23. Juli dieses Jahres trat das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (Versorgungsstärkungsgesetz, kurz VSG) in Kraft.
In den Augen von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) ein großer Erfolg. Unter anderem weil Privatversicherte bei Fachärzte meist viel schneller einen Termin bekommen, war längst die Zwei-Klassen-Medizin in aller Munde. Das Gesetz soll den oft monatelangen Wartezeiten der Kassenpatienten nun den Garaus machen. Können die Terminservicestellen keinen Termin in der vorgegebenen Frist von vier Wochen - plus einer Woche für die Arztsuche - vermitteln, können sich die betroffenen Versicherten direkt an einen Facharzt im Krankenhaus wenden.
Kritik der Kassenärzte
Damit das Projekt in dieser Form Ende Januar Realität werden kann, müssen noch wenige Hürden genommen werden. Das meiste scheint in trockenen Tüchern. Wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtete, sollen Ärzte und Kassen sich etwa geeinigt haben, wie viele Termine vorgeschlagen würden (wahrscheinlich drei) und welche Entfernungen Versicherte bei einer Anfrage an die Servicestelle gegebenenfalls hinnehmen müssen (bis zu 30 Minuten). Laut dem Bericht fehlt noch das endgültige Ja der Ärzte-Gemeinschaft.
Medizinerjargon
Über der Nase liegt ein wichtiges Organ des Menschen – das Gehirn. Mit dieser Floskel verheimlichen die Ärzte, dass sie einen Patienten für nicht so intelligent halten.
Will ein Arzt nicht in Anwesenheit des Patienten über einen Befund sprechen, will er dies „außerhalb der Mauern“, also außerhalb des Patientenzimmers tun.
Hält ein Arzt einen Patienten für nicht so intelligent, wählt er diesen Ausdruck. Er attestiert ihm somit, dass er „einen an der Waffel“ hat und ihm auf den Keks geht – abgeleitet vom Namen des Keksherstellers Bahlsen.
So wie die Diarrhoe ist die Logorrhoe eine Art von Durchfall – dieser Begriff trifft auf eine Person zu, die ein unstillbares Redebedürfnis besitzt.
c.p. oder die Langfassung caput piger heißt wörtlich übersetzt „fauler Kopf“. Ärzte nennen so Patienten, die sich in der Therapie ihrer Krankheit nicht richtig einbringen.
Jeder kennt Flatulenzen, weithin als Blähungen bekannt. Spricht ein Mediziner vom Flatus Transversus, attestiert er dem Patienten einen „quersitzenden Furz“ – ihm fehlt nichts.
„Gomer“ ist die Abkürzung für „Get Of Out My Emergency Room“, und bezeichnet zumeist ältere Patienten, die an mehreren Krankheiten leiden und nicht mehr geheilt werden können.
Von Seiten der Ärzte wird hier und da weiterhin öffentlich Stimmung gegen den Nutzen der Terminservicestellen macht. So etwa von Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), im „Deutschen Ärzteblatt“ vergangene Woche. Im Gespräch mit der Ärztepublikation verwies er darauf, dass es sich bei den Servicestellen um eine Leistung für als dringlich eingestufte Fälle ausschließlich mit Überweisung handele. „Letztlich geht es hier um einen gesetzlichen Auftrag für dringliche Termine und nicht um eine zusätzliche Serviceoption der Krankenkassen“, wird Gassen im Ärzteblatt zitiert. In solchen wirklich medizinisch dringlichen Fällen sei aber laut dem KBV-Chef ein solches Verfahren überhaupt nicht notwendig, da in diesen Fällen ein schneller Termin schon heute üblich sei. Die Vier-Wochen-Frist nennt er demzufolge „beliebig“.
Viele Patienten und Kritiker dürften das anders sehen. Sowohl Krankenkassen, der Bundesgesundheitsminister, Verbraucherschützer und Umfragen und Studien sprachen in der Vergangenheit immer wieder davon, dass – zumindest subjektiv – die Wartezeit auf Facharzt-Termine (zu) lang ist.
Bislang geben Experten, wie etwa von der Stiftung Warentest, Patienten deshalb eine Handvoll hilflos anmutender Tipps, wie sie – auch mit Überweisung – schneller an einen Termin kommen. Etwa dadurch, dass sie den Hausarzt beziehungsweise dessen Sprechstundenhilfe in der Facharztpraxis anrufen lassen, um einen Termin zu erbitten oder in der Facharztpraxis akute Beschwerden benennen und diese genau schildern, um die Dringlichkeit noch einmal deutlicher zu machen – andere Hilfen gibt es derzeit noch nicht.
Vorbild: Facharzt-Terminhilfe der Krankenkassen
Es sei denn, die eigene Krankenkasse bietet einen ganz eigenen Terminservice für den Facharztbesuch an. Rund 50 der über 120 Krankenkassen in Deutschland haben für ihre Versicherten schon einen derartigen Service.
So beispielsweise die Kaufmännische Krankenkasse KKH. Dort kann jeder Versicherte, der vom Hausarzt wegen eines gesundheitlichen Problems an einen Facharzt überwiesen wurde, den KKH Facharzt-Terminservice in Anspruch nehmen, wenn „der vom Facharzt in Aussicht gestellte Termin zu spät“ ist.
Der Service der Kasse tut im Grunde, was auch die neuen Terminservicestellen machen sollen: Nach einem Anruf beim Facharzt-Terminservice nimmt dieser zunächst Kontakt zu dem entsprechenden Facharzt auf, um einen früheren Termin zu erfragen und sucht ansonsten nach Terminen bei anderen Fachärzten. Der Versicherte soll dann innerhalb von zwei Werktagen Rückmeldung und möglichst einen neuen, schnelleren Termin bekommen. „In den meisten Fällen ist es uns möglich, zeitnah einen Termin beim Facharzt zu organisieren“, sagt KKH-Pressesprecher Simon Kopelke, „aber natürlich hängt das auch von der jeweiligen Facharztgruppe ab.“
Ein ähnliches Angebot hält zum Beispiel auch die Techniker Krankenkasse (TK) für ihre Versicherten bereit. Durch die eigenen positiven Erfahrungen mit der Terminvermittlung hält man dort ein bundesweit organisiertes System in den Händen der Kassenärztlichen Vereinigungen für das richtige Signal: „Terminvergabestellen sind in jedem Fall eine positive Ergänzung, da sie schließlich mehr Transparenz bei den Arzt-Terminen schaffen sollen und das dürfte sich damit erfüllen“, sagt Hermann Bärenfänger, Pressesprecher der TK.
Mehr als 80 Prozent mit Termin schon jetzt zufrieden
Dass die Vier-Wochen-Garantie nicht einzuhalten sei, decke sich nicht mit den Erfahrungen, die die TK mit ihrem hauseigenen Service gemacht habe, sagt Bärenfänger: „Derzeit bekommen 82 Prozent der Versicherten den Termin innerhalb des von ihnen selbst gesteckten Korridors, sprich innerhalb von einem gewissen Umkreis und einer gewissen Zeit.“
Seit einem Jahr bietet die TK ihren Versicherten über den Telefonservice hinaus die Möglichkeit, Termine über ein Online-Buchungssystem zu finden. In Kooperation mit dem Bundesverband Deutscher Dermatologen können Ärzte hier ihre Termine online selbst einstellen und Versicherte sich im Internet einen für sich passenden Termin heraussuchen. „Damit haben wir sowohl auf Patienten- als auch auf Ärzte-Seite sehr gute Erfahrungen gemacht“, sagt Bärenfänger.
Was Ärzte verdienen
Allgemeinmediziner verdienen im Vergleich am wenigsten. Ihr Jahreseinkommen liegt nach Abzug der Praxiskosten, aber noch mit persönlichen Abgaben und Steuern bei 116.000 Euro. Das hat das Statistische Bundesamt 2013 ausgerechnet.
Um die kleinsten und schon etwas größeren Erdenbewohner kümmert sich der Kinderarzt. Er verdient 124.000 Euro im Jahr.
Eine Schädigung des Gehirns nach einen Schlaganfall zeigt dieses Bild eines Professors aus Jena. Neurologen und Psychiater liegen mit ihrem Einkommen von 128.000 Euro auf dem drittletzten Platz.
Künstliche Hüftgelenkkugeln aus Biokeramik mit einem vergrößerten Durchmesser von 36 Millimetern sind eine Entwicklung einer Orthopädie-Firma aus Ostthüringen. Neue Hüften, aber auch Prothesen verschreibt der Orthopäde. Mit 186.000 Euro Jahreseinkommen hätte es beinahe für den Spitzenplatz gereicht.
Radiologen verdienen mit Abstand am besten: Ihr Jahreseinkommen liegt bei 264.000 Euro; damit verdienen sie knapp 80.000 Euro mehr als der zweitplatzierte Orthopäde.
Nach dem Organskandal - hier die Entnahme einer Niere im Universitätsklinikum Jena - haben vor allem Urologen an Prestige verloren. Ihrem Verdienst hat das bislang nicht geschadet: Mit 167.000 Euro Jahreseinkommen liegen sie auf Platz 4
Erkrankungen wie der graue Star lassen sich mit diesem Gerät besonders gut erkennen. Mit einem Jahreseinkommen von 170.000 Euro im Jahr liegt der Augenarzt auf Platz 3 der bestverdienenden Mediziner in Deutschland.
Hier bereitet sich der Chirurg auf die Operation einer gebrochenen Hand vor. Er hat ein Jahreseinkommen von 148.000 Euro im Jahr.
Jedes Jahr sterben etwa 18.000 Frauen an Brustkrebs, 48.000 Fälle werden diagnostiziert. Vorsorgeuntersuchungen sollten beim Frauenarzt gemacht werden. Er verdient mit 145.000 Euro etwas mehr als der HNO-Arzt.
Mit diesem Vergrößerungsglas wird hier die Hautkrebs-Früherkennung durchgeführt. Für mehr als 218 000 Menschen ist die Diagnose tödlich. Der Hautarzt hat 155.000 Euro zur Verfügung.
Über 100 Jahre alt ist der Ohrstöpsel schon alt. Um die Gesundheit drei unserer Sinnesorgane kümmert sich der Hals-Nasen-Ohren-Arzt. Dafür wird er mit jährlich 144.000 Euro entlohnt.
Der Internist, der sich vor allem um Organe im inneren des Menschen wie Herz und Nieren kümmert, liegt mit seinem Verdienst bei 158.000 Euro im Jahr.
Auch bei der DAK wird laut der Krankenkasse der hauseigene der Arztterminservice geschätzt und erfolgreich genutzt. In der Regel könne ein Termin erfolgreich vermittelt und die Wartezeit damit deutlich verkürzt werden, teilte Helge Dickau von der DAK Gesundheit auf Anfrage der WirtschaftsWoche Online mit. „Allerdings sollten die Patienten bei Ort, Uhrzeit und auch dem Arzt flexibel sein“, so Dickau. Ob die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen ebenso vorteilhaft für die Versicherten sein werden, sei aber derzeit nicht abzuschätzen. „Der Erfolg wird auch davon abhängig sein, wie viele freie Termine die Ärzte bei der KV melden“, gibt Dickau zu Bedenken.
Terminservicestelle: KV Sachsen macht es vor
Werden die Kassenärztlichen Vereinigungen nach der per Gesetz erzwungenen Einführung von Terminservicestellen ähnlich effektiv arbeiten? Wie erfolgreich ein solches Terminservice-System bei den Kassenärztlichen Vereinigungen sein könnte, lässt sich ansatzweise schon heute an einem Projekt aus Sachsen ablesen: Dort vermittelt die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen (KV Sachsen) bereits seit dem 3. November 2014 Facharzttermine für alle gesetzlich Versicherten – unabhängig von der Krankenkasse.
Das „ServiceTelefon Terminvermittlung“ wurde vor gut einem Jahr ins Leben gerufen, um den gesetzlichen Vorgaben vorzugreifen und bereits vor der verpflichtenden Einführung Erfahrungen sammeln zu können.
Das Sachsener System funktioniert daher ähnlich wie das, was per Gesetz ab Januar Pflicht wird: Das „ServiceTelefon“ der KV Sachsen hilft bei der Terminsuche, wenn eine Überweisung mit der Dringlichkeitskennzeichnung „B“ vorliegt und der Patient nach eigenen Versuchen keinen Facharzt-Termin bekommen hat, so die Bedingungen für eine Vermittlung. Eine Vier-Wochen-Frist, wie sie nun im Gesetz festgehalten ist, gibt es allerdings nicht. „Die öffentlich diskutierte unbewertete Vermittlung jedweder Terminwünsche innerhalb von vier Wochen ist praxisfern und nicht umsetzbar“, hieß es bei der Einführung bei der KV Sachsen.
Deshalb gilt für das ServiceTelefon „die durch den Arzt festgestellte medizinische Dringlichkeit als primäres Kriterium für die Wartezeit“. Wie bei den Terminservicestellen per Gesetz vorgesehen, handelt es sich auch in Sachsen nicht um eine Vermittlung von Wunschterminen und Wunschärzten, was die freie Arztwahl in diesen Fällen zwangsläufig einschränkt – ein Makel mit dem Patienten dann leben müssen, wenn sie dafür einen schnelleren Facharzt-Termin bekommen.
Terminfindung im Pilotprojekt beherrschbar
Ein Jahr lang ist das System der KV Sachsen nun im Einsatz. Zeit für eine Bilanz, die einen guten Eindruck von dem vermittelt, was bundesweit ab Januar möglich sein soll:
In der Zeit gingen insgesamt 2123 Anrufe mit einem „vermittlungsfähigen Anliegen“ beim ServiceTelefon der KV Sachsen ein. Von denen konnten laut der KV letztlich 1838 Termine erfolgreich vermittelt werden. 18 Kassenpatienten lehnten den angebotenen Termin ab, 66 zogen die Anfrage wieder zurück.
Das Fazit der KV Sachsen gegenüber WirtschaftsWoche Online: „Die Erfahrungen des ersten Jahres zeigen, dass die Problematik einen angemessen zeitnahen Facharzttermin zu erhalten zwar existiert, aber nicht so groß ist, wie oft in der Öffentlichkeit dargestellt.“
Trotzdem zeigt das Projekt: Es gibt einen Bedarf – und der kann von den Kassenärztlichen Vereinigungen durchaus gestillt werden. Das bestätigt auch die KV Sachsen: „Es ist mit dem sächsischen Modell gelungen, den gesetzgeberischen Auftrag in einer Form umzusetzen, die gut beherrschbar ist und die genau dort Patienten unterstützt, wo die Hilfe am medizinisch nötigsten ist.“
Kassenpatienten dürfen also optimistisch sein, dass mit dem 23. Januar 2016 die Vier-Wochen-Garantie in greifbare Nähe rückt – wenn die Ärzte mitmachen.