Spezialversicherungen Versichert gegen Scheidung oder Entführung

Ein chinesisches Start-up sichert gegen spezielle Schicksalsschläge. In den Marktnischen scheint es noch ungedeckten Bedarf zu geben - und ein solidarisches Versichertenkollektiv, auf das sich neue Anbieter einstellen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Versichert gegen Scheidung oder Entführung Quelle: imago images

Tang Loaec schickt seinen Kunden regelmäßig Beziehungstipps auf ihr Handy. Dabei arbeitet er nicht für eine Partnerbörse, sondern für ein Versicherungs-Start-up in China. Je länger eine Ehe hält, desto besser für sein Konzept. Denn Loaec bietet nicht nur Versicherungen gegen Kindesentführung oder Krankheit der Eltern, sondern auch gegen Scheidungen.

Loaec hat in Shanghai das Start-up Tongjubao gegründet, das eine Versicherung zwischen Privatpersonen vermittelt und sich damit auf die Grundidee jeder Versicherung besinnt: die Absicherung im Kollektiv. Kunden zahlen zum Jahresbeginn in einen großen Topf ein. Kommt es zu einem Schaden, wird das Geld herausgenommen. Passiert nichts, erhalten die Versicherten einen Großteil ihres Geldes am Jahresende zurück. Das Start-up selbst behält je nach Versicherung bis zu 25 Prozent der Prämie.

Dienstleistungen zwischen Privatpersonen sind in China derzeit en vogue – nicht nur bei Versicherungen. Immer mehr Chinesen verleihen Auto, Wohnung oder Geld. Auf chinesischen Kreditplattformen wird mittlerweile vier Mal mehr Geld verliehen als im Rest der Welt zusammen. Der 50-jährige Loaec überträgt dies nun auf die Versicherungsbranche. „Menschen brauchen Schutz, aber sie hassen Versicherungen“, sagt er. Den Grund sieht er im Interessenkonflikt von Versicherern: Je mehr Schäden sie anerkennen, desto weniger würden sie verdienen. „Werden hingegen in unserem Modell weniger Schäden akzeptiert, profitieren nur die anderen Versicherten“, sagt Loaec, der vorher 25 Jahre im Bankensektor tätig war.

Er will auf die aktuellen Herausforderungen der Menschen in China reagieren. Dieser Versuch führt zum abenteuerlichen Produktportfolio, zu dem neben Policen gegen Scheidung, Kindesentführung und Krankheit der Eltern auch eine Versicherung gegen verlorene Personalausweise zählt.

Die Eheversicherung ist die erste Police, die das Unternehmen an den Start gebracht hat. In den Siebzigerjahren lag die Scheidungsrate in China fast noch bei null Prozent. Heute ist sie in einigen großen Städten auf bis zu 30 Prozent geklettert.

Auszahlung für Zweitmiete und Kindersuche

Schließt jemand eine Eheversicherung über Tongjubao ab und lässt sich dann scheiden, erhält er im ersten Jahr jeden Monat Geld, um beispielsweise eine zweite Wohnung zu mieten. Dafür muss er allerdings mindestens sechs Monate verheiratet gewesen sein. Die Beitragshöhe kann in verschiedenen Stufen gewählt werden und entscheidet über die später mögliche Ausschüttung. Für 535 Euro Beitrag im Jahr können sich Kunden beispielsweise rund 19 350 Euro Auszahlung bei einer Scheidung sichern. „Das Geld hilft unseren Kunden, ihr Leben nach der Scheidung neu zu organisieren“, sagt Loaec.

Die Idee kommt gut an: Besonders Frauen mit Kindern oder Eltern, die den zukünftigen Ehemann nicht mögen oder sich Sorgen um die Absicherung ihres Kindes machen, seien interessiert. Seit November haben Kunden rund 10 000 solcher Policen abgeschlossen. Kunden findet Loaec vor allem übers Internet, aber auch bei Hochzeitsmessen.

Die drei Güterstände in der Ehe

Nische für Start-ups - auch in Deutschland

Mittlerweile gibt es weltweit Start-ups, die an ähnlichen Ideen arbeiten. In Deutschland beispielsweise das Unternehmen Friendsurance. Das Berliner Start-up kooperiert aber mit klassischen Versicherern.

Tongjubao ist vollkommen eigenständig. Das gelingt vor allem durch die Konstruktion der Policen, wie die Versicherung gegen Kindesentführung zeigt. In China werden pro Jahr laut Schätzungen rund 200 000 Kinder entführt. Tongjubao zahlt bei einer Entführung aber nicht das Lösegeld, sondern nur die Suche nach dem Kind.

Dafür kooperiert es mit Nichtregierungsorganisationen und Agenturen, die sich auf die Suche von entführten Kindern spezialisiert haben. „Die Suche ist zeitkritisch, und vom ersten Tag an können die Eltern so die Suche koordinieren und finanzieren“, sagt Loaec. Das Geld fließt hier nicht an die Versicherten, sondern direkt von Tongjubao an die Partnerorganisationen. So verhindert das Unternehmen auch die Möglichkeit eines Versicherungsbetruges.

Seit März kooperiert das Unternehmen mit einem großen Finanzdienstleister des Landes, HuaXia Finance. Vorher hat bereits eine US-amerikanische Venture-Capital-Firma investiert. „Unsere Verkaufszahlen zeigen, dass Nachfrage besteht“, sagt Loaec. Wie erfolgreich seine Idee wirklich ist, zeigt sich Ende des Jahres: Dann bekommen die Versicherten im besten Fall ihr Geld zurück.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%