Alles andere wäre auch nicht opportun. Die Staatsanwaltschaft Kassel ermittelt noch immer gegen den Mann, unter anderem wegen Insolvenzverschleppung, aber auch einiger anderer unappetitlicher Geschichten. Und einen europaweiten Haftbefehl gibt es ebenfalls. Gute Geschäftspartner sehen anders aus.
Der Gescholtene selbst aber brüstet sich in dem NDR-Film mit Großem: Axa, Hallesche, Hanse-Merkur – er mache mit vielen Versicherern Geschäfte. „Das Geld kommt zu mir, auf welchem Weg ist doch egal.“ Tatsächlich gehen Branchenbeobachter davon aus, dass Vertriebsgenie Göker im Auftrag anderer Makler indirekt für große Versicherungen arbeitet.
Es ist die alte Mischung aus Größenwahn und Unverfrorenheit Gökers, die auch diesen Film wieder faszinierend macht. Zwei Jahre lang hat Filmemacher Klaus Stern Mehmet Göker immer wieder in der Türkei begleitet, stößt mit der Kamera auch in intimste Lebensbereiche des Pleitiers vor. Auch wenn nicht immer ganz klar ist, was Realität und was für den Film sorgsam gewählte Inszenierung ist. Immerhin lässt Göker in den nächsten Tagen auch eine Biographie seiner selbst veröffentlichen, geschrieben vom Boris-Becker-Biographen, und legt es erkennbar auf öffentliche Inszenierung an.
Und doch legt der Film mehr offen, als er verklärt. Etwa als er Szenen zeigt, wie hochrangige Versicherungsmanager sich bei Göker anbiedern. Oder wie Göker sein Unternehmen mit seinen meist jungen Mitarbeitern führt. „Cem, es ist wie fast immer bei dir“, brüllt er einen jungen Mann nach einem Arbeitstag an. „Es ist konstant Sch...“. Und doch lieben ihn die meisten der jungen Männer, die er um sich schart, um sie nach seinem Vorbild zu formen.
Junge Männer bewundern Göker als Wegbereiter
Meist junge Männer mit schlechter Ausbildung aus deutschen Migranten-Familien, die in Göker den Wegbereiter für eine Zukunft sehen, an die sie lange nicht geglaubt haben – und deswegen den Bootcamp-artigen Alltag in Gökers türkischer Wohn- und Büro-Anlage hinnehmen.
Bei aller Großmäuligkeit aber kann der kamerafreudige Göker, der auch in der Türkei lebt, um sich einem EU-weiten Haftbefehl zu entziehen, den wahren Zustand von Befindlichkeit und Geschäft nicht wirklich vertuschen.
Es sind die eher leisen Zwischentöne des Films, die das ganze Breitbeintum Gökers entlarven: Dass er etwa in der ersten Hälfte Lamborghini fährt, in der zweiten eine gebrauchte Mercedes E-Klasse. Dass ihm ab Oktober 2014 die liquiden Mittel ausgehen und der sonst so abgebrühte Göker vor laufender Kamera panisch wird.
Es sind Szenen wie diese, die den Film zu einem Festspiel für kapitalistische Voyeure machen. Und zeigen, dass auch in diesem Fall dem Kasseler Regisseur Stern, wie in vielen Filmen zuvor, ein weiteres Mal gelungen ist, die Schwächen des Kapitalismus' und seiner Protagonisten aufs feinste zu sezieren.
Ausstrahlung "Versicherungsvertreter 2. Mehmet Göker macht weiter": Montag, 7. September, 23.15 Uhr, NDR