Finanzkrise Was jetzt aus den Hedgefonds wird

Die goldenen Zeiten der Hedgefonds sind vorbei. Jetzt dürfen sie nicht einmal mehr auf fallende Kurse der Bankaktien wetten.

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Schlechte Zeiten brechen auch Quelle: dpa

Auf der Fensterbank seines Büros in Midtown Manhattan drängelt sich ein Dutzend Stoffbären, gleich neben den Stellrahmen mit Fotos von Frau, Töchtern und Sohn. David Einhorn, der im nächsten Jahr 40 Jahre alt wird, wirkt mit seinem bubenhaften Gesicht und seiner sanften, fast schüchternen Stimme deutlich jünger. Doch der Hedgefonds-Manager, Gründer von Greenlight Capital, liebt es alles andere als sanft: Gescheiterte Top-Banker an der Wall Street, die zuletzt viele Millionen Dollar Vermögen verloren haben, halten Einhorn für die Inkarnation des Bösen; für einen, der mit Wetten auf fallende Aktienkurse traditionsreiche Finanzinstitutionen in den Untergang treibt. Monatelang hetzte Einhorn bei jeder sich bietenden Gelegenheit gegen Bear Stearns und Lehman Brothers. Beide Investmentbanken existieren nun nicht mehr.

Einhorns Fonds steht für eine der wenigen aktuellen Erfolgsgeschichten einer Branche, die unter der Finanzkrise genauso leidet, wie die von ihr attackierten Investmentbanken. 2008 werden Hedgefonds so schlecht abschneiden wie seit mindestens zehn Jahren nicht mehr. Enttäuschte Kunden fordern ihre Einlagen zurück. Banken fallen als Geldquelle per Kredit praktisch aus, quer durch die Branche zieht sich der quälende Prozess des Abbaus von Schulden, mit denen die meisten Fondsmanager ihre Einsätze vervielfachten.

Damit nicht genug. Nun werden ihnen auch noch diverse Varianten des Leerverkaufs von Aktien verboten. Leerverkäufer – an der Wall Street Shortseller genannt – stoßen Aktien ab, die sie sich zuvor geliehen haben, und kaufen sie später möglichst billig an der Börse zurück, bezahlen mit den günstiger erworbenen Papieren ihre Aktienschuld und kassieren den Rest als Gewinn. „Man konnte mit Leerverkäufen eine Bank kaputt schießen“, sagt Franz Waas, Chef der DekaBank in Frankfurt. „Das musste unbedingt gestoppt werden.“

Selbst die Stars der vergangenen Jahre sind ratlos

In den USA wurde für fast 900 Aktien ein Verbot von Leerverkäufen erlassen, die deutsche Finanzaufsicht belegte elf heimische Finanztitel mit Leerverkaufsverboten, darunter Allianz und Deutsche Bank. Der New Yorker Generalstaatsanwalt Andrew Cuomo und die Finanzaufsicht SEC ermitteln gegen 50 Hedgefonds. Die Manager sollen mit gezielten Gerüchten und falschen Informationen versucht haben, Kurse zu manipulieren.

Doch sind die Leerverkäufer tatsächlich schuld, wenn Banken unter ihrem Scheinvermögen zusammenbrechen? Jim Chanos, Branchenlobbyist und Gründer des Hedgefonds Kynikos Associates, hält dagegen: „Shortseller sind ein leichtes Ziel und werden schnell als die Finsterlinge der Wall Street hingestellt“, sagt er. Wenn es aber etwa um Bilanzierungstricks bei Unternehmen gehe, seien „die Shortseller die Detektive, während die Regulierer zu häufig im Aktenstaub wühlen“. Chanos selbst warnte als einer der Ersten vor Manipulationen in den Büchern des Energiehandelsriesen Enron. Auch jetzt haben Shortseller bereits vor Monaten vor den Problemen an den Kreditmärkten gewarnt, die nun den US-Kapitalismus unterminieren.

Die von der Krise durchgeschüttelten Märkte müssten eigentlich den idealen Nährboden für Hedgefonds bilden. Die ursprüngliche Idee war ja, sich gegen unerwartete Kursbewegungen abzusichern (,to hedge‘) und in jedem Fall Geld zu verdienen – ob die Kurse nun nach oben, unten oder seitwärts laufen. Das haben in diesem Jahr bisher aber nur wenige Manager geschafft. Nach einer Analyse von Casam-Hedge, einer Research-Tochter von Crédit Agricole, die Daten von rund 6.000 Hedgefonds auswertet, lagen im ersten Halbjahr 2008 von 15 Hedgefonds-Strategien nur fünf knapp im Plus, zehn dagegen mit bis zu elf Prozent im Minus. Verglichen mit den 14 Prozent, die der MSCI Welt-Aktienindex im ersten Halbjahr verlor, wäre das noch annehmbar.

Doch die Daten der sehr verschlossenen Branche sind mit Vorsicht zu genießen. Denn Fonds mit besonders mieser Rendite rücken Zahlen sehr spät oder gar nicht heraus, liquidierte Fonds fallen zudem aus den berechneten Indizes, die deshalb ein geschöntes Bild abgeben. Dabei wird es gerade in diesem Jahr einen Rekord an Hedgefonds-Pleiten geben. Bis Ende Juni schlossen bereits 350 Hedgefonds, 15 Prozent mehr als im Vorjahr. Experten gehen davon aus, dass die Blütezeit der Branche vorbei ist. „Es wird einen Schrumpfprozess geben“, sagt Christophe Bernard vom Vermögensverwalter Union Bancaire Privée in Genf. „Ich wäre nicht überrascht, wenn das insgesamt verwaltete Vermögen von 2.000 auf 1.500 Milliarden Dollar zurückgeht. Die Zahl der Hedgefonds-Manager wird in den nächsten 18 Monaten um mindestens 25 Prozent fallen. Es gibt einfach zu viele schwache Spieler.“

Zuletzt warf der mit 2,8 Milliarden Dollar ausgestatteten Ospraie Fund, der in Rohstoffe investierte, nach fast 40 Prozent Verlust 2008 das Handtuch. Der Dalton Melchior Japan Fund brachte das Kunststück fertig, sein Vermögen binnen zwei Jahren von gut 500 auf nur noch rund 20 Millionen Pfund Sterling zu atomisieren.

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