Hybridanleihen Zinsen statt Sicherheit

Europas Unternehmen sind auf Übernahmejagd. Das Geld borgen sie sich mit Hybridanleihen. Wie Privatanleger davon profitieren können.

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Wolfgang Reitzle lässt es gern krachen. Kleine Schritte sind dem Linde-Vorstandschef fremd. Mehr als zwölf Milliarden Euro will Reitzle für den britischen Konkurrenten BOC zahlen; weil die Portokasse das nicht hergibt, muss er sich das Geld bei Banken pumpen. Um die Kredite abzulösen, will Linde eine noch junge Form von Wertpapieren verkaufen: Hybridanleihen, Zwitter aus Eigen- und Fremdkapital. Mit bis zu 1,6 Milliarden Euro wäre es die bisher größte Hybridanleihe in Deutschland. Seit die Unternehmen wieder vom Übernahmefieber geschüttelt werden, sind Hybridanleihen in Mode. Kaum noch ein Milliardendeal, der nicht auch über das kompliziert gestrickte Rentenpapier finanziert wird. Die Emissionsliste der vergangenen Monate ist gespickt mit Prominenz wie Commerzbank (Eurohypo), Allianz (RAS), Porsche (VW) oder TUI (CP Ships). Früher nutzen vor allem Banken und Versicherungen Hybridkapital als Finanzierungsquelle. Doch inzwischen besorgen sich auch immer mehr Unternehmen außerhalb des Finanzsektors auf diese Weise frisches Kapital. Allein im vergangenen Jahr sammelten europäische Unternehmen sieben Milliarden Euro mit Hybridanleihen ein, 2006 könnten es mehr als zehn Milliarden Euro werden, schätzt die HypoVereinsbank. Die neue Liebe der Finanzvorstände kommt nicht von ungefähr. Seit etwa einem Jahr rechnen die großen Ratingagenturen die Hybridanleihen von Industrieunternehmen mit bis zu 75 Prozent des Emissionsvolumens dem Eigenkapital zu. Hybridanleihen kratzen somit anders als herkömmliche Anleihen nicht an der Bonität des Unternehmens. Im Gegenteil, im Urteil von Standard & Poor’s und Moody’s sehen die Konzerne mit Hybridkapital sogar gesünder aus als ohne. Weiterer Vorteil aus Sicht der Manager: Die Zinszahlungen kann das Unternehmen wie bei herkömmlichen Anleihen steuerlich absetzen. Wegen dieser Vorteile und weil die Hybrids für Anleger riskanter sind als andere Festverzinsliche, zahlen die Unternehmen deutlich höhere Zinsen. Kupons von sechs oder sieben Prozent pro Jahr sind keine Ausnahme.

Bis vor Kurzem waren diese Hochzinspapiere professionellen Investoren vorbehalten. Jetzt machen Allianz, Bayer & Co. auch Jagd auf das Geld von Privatanlegern. Schon ab 1000 Euro Einsatz können sie einsteigen. Das Timing für den Werbefeldzug könnte kaum besser sein. Trotz Magerrenditen und seit drei Jahren steigenden Aktienkursen verkaufen sich festverzinsliche Wertpapiere nach wie vor glänzend. 2005 flossen laut Bundesbank 45 Milliarden Euro außerhalb des Finanzsektors in Anleihen. Angesichts von Renditen um 3,6 Prozent für sichere, aber langweilige Bundesanleihen, sind die ungleich höheren Hybridzinsen mehr als verlockend. Doch Vorsicht. Wer sich die Superzinsen sichern will, muss einige Kröten schlucken. Die Besonderheiten: - Nachrangig: Geht der Emittent Pleite, müssen sich Besitzer von Hybridanleihen ganz weit hinten einreihen. Erst wenn sämtliche Ansprüche anderer Gläubiger bedient wurden, kommen sie an die Reihe – wenn dann noch etwas zu verteilen bleibt. Noch schlechter dran sind nur die Aktionäre. - Zinskupon ohne Garantie: Es gibt keine Garantie, dass der Zins jedes Jahr fließt wie versprochen. Spezielle Klauseln erlauben es den Unternehmen, Zinszahlungen zu verschieben oder ganz ausfallen zu lassen. Meist sind diese Kriterien an die Geschäftsentwicklung des Unternehmens geknüpft. - Unendliche Laufzeit: Das Unternehmen zahlt das geborgte Geld nicht zu einem festgelegten Stichtag zurück. Der Anleger muss darauf vertrauen, dass der Schuldner seine Anleihe zum nächstmöglichen Termin kündigt. Meist ist das nach zehn Jahren der Fall. Bis zu diesem Termin sind alle Anleihen mit einem fixen Zinskupon ausgestattet. „Wegen dieser Besonderheiten hängen Hybridanleihen stärker als andere Rentenpapiere am Unternehmenserfolg und der Aktienkursentwicklung“, sagt Jens Spaniol, verantwortlich für Rentenprodukte bei der Dresdner Bank. Entsprechend stärker schwanken die Kurse der Hybrids. So simpel wie Aktien lassen sich Hybridanleihen nicht untereinander vergleichen. „Jedes Hybridpapier ist zurzeit so individuell wie ein Fingerabdruck“, sagt Axel Gatzen, Anleihenanalyst der WGZ-Bank. Selbst Profis haben Probleme, die mehrere hundert Seiten dicken Emissionsprospekte auf Anhieb zu durchschauen. „Dabei ist es meist das Kleingedruckte, das den Unterschied zwischen guten und unattraktiven Angeboten ausmacht“, warnt Gatzen.

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