Geldautomaten der anderen Art Geld abheben im Drive-In

Geld abheben, ohne das Auto zu verlassen: In Mainz steht seit kurzem ein Automat, der das möglich macht. Eine ungewöhnliche Investition – schließen die Banken derzeit doch eine Filiale nach der anderen.

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An diesem Geldautomaten in Mainz kann man vom Auto aus Bares ziehen. Quelle: Pressefoto

Mainz Hier, in einem Mainzer Gewerbegebiet vor den Toren der Stadt, ist alles autogerecht: Großzügig gebaute Straßen, kaum Fußgänger und eine Jet-Tankstelle gleich am Straßenrand. Seit ein paar Wochen steht auf der anderen Straßenseite noch eine weitere – zumindest sieht sie so aus. Tatsächlich ist es aber ein Geldautomat. Die Mainzer Volksbank zumindest nennt ihre im Oktober neu eingeführte Errungenschaft „Geldtankstelle“.

Optisch wirkt der Bau deckungsgleich mit einer normalen Tankstelle. Der Unterschied: Statt Zapfsäulen gibt es zwei Geldautomaten. Einen niedrigen für kleine PKW und einen für größere Gefährte. Ohne aussteigen zu müssen können Autofahrer hier Geld abheben. Das dunkle Blau und grelle Orange sorgen für maximale Aufmerksamkeit. An diesem trüben Herbstnachmittag ist das Grau der Straße längst in den Himmel übergegangen und der Automat sticht noch etwas stärker aus der kahlen Landschaft heraus.

Ortswechsel. In der Innenstadt sitzt Barbara Bug-Naumann, die Generalbevollmächtigte der Mainzer Volksbank, in ihrem Büro. Wie kommt man auf die Idee, sechs Kilometer von der Innenstadt und zwei von der nächsten Straßenbahnhaltestelle entfernt ein Objekt dieser Art zu platzieren? „Es ist ein stark prosperierendes Gewerbegebiet. Viele Leute kommen auf dem Weg von und zur Arbeit hier vorbei“, sagt Bug-Naumann. Wer Geld braucht, müsse nur kurz von seiner gewohnten Route abweichen. Kein langer Weg in die Innenstadt, keine Parkplatzsuche, kein Fußweg. „Die Leute erledigen Sachen immer mobiler und zeitsparender“, sagt Bug-Naumann. Hier soll der mobile Automat ansetzen.

Betrachtet man die aktuellen Trends und Entwicklungen in der Branche, ist es ein ungewöhnlicher Schritt. Das Filialnetz der deutschen Banken dünnt seit Jahren gewaltig aus. Schätzungen gehen davon aus, dass die Zahl der Filialen bis 2030 um 40 Prozent sinkt. Niedrige Zinsen und verändertes Kundenverhalten zwingen viele Banken zu unangenehmen Schritten.

Deshalb ist die Investition auch umstritten. „Die Meinungen gehen auseinander“, sagt Bug-Naumann. In den sozialen Netzwerken sprechen manche von Geldverschwendung, andere wundern sich hämisch etwa, warum es keine Cheeseburger oder Hähnchen-Nuggets bei der Abhebung dazu gibt. Ein User wirft die Frage auf, ob so etwas in Zeiten, in denen „Banken eine Gebühr nach der anderen erfinden, um kostendeckend zu arbeiten“, wirklich notwendig sei. „Für uns ist das keine Spielerei“, widerspricht Bug-Naumann. „Wir glauben, dass es unseren Kunden guten Nutzen stiftet.“ Wie gut die neue Anlage tatsächlich genutzt wird, wolle man beobachten. „Wir schauen uns die Entwicklung jetzt erst einmal an, gehen aber davon aus, dass es gut funktionieren wird.“

Davon ist auch Bernd Nolte überzeugt. Für den Chef der Beratungsfirma 4P Consulting  ist diese Idee allerdings weniger eine Innovation. „Das ist alter Wein in neuen Schläuchen. Drive-Through-Geldautomaten gab es schon in den 90er Jahren – dann hat es sich plötzlich verloren.“


Wolfsburger Pioniere

Vereinzelt wird das Konzept seit ein paar Jahren wieder aufgenommen. In Niedersachsen etwa steht schon seit ein paar Jahren ein Drive-In-Automat. Wo genau? Natürlich in der Autostadt Wolfsburg. Seit dem vergangenem Jahr findet sich auch an einem Braunschweiger Einkaufszentrum ein Drive-In-Schalter. Beide Automaten würden hervorragend angenommen. „Das kann aber auch daran liegen, dass wir eine sehr autoaffine Region sind“, sagt ein Sprecher der Volksbank Braunschweig-Wolfsburg.

Etwas anders sieht es in Pirna aus. In der sächsischen Schweiz war die Volksbank Pirna vor fünf Jahren auf der Suche nach einer neuen Filiale. Durch Zufall stieß man auf eine leerstehende Tankstelle – und kam so auf die Idee, die Tankstelle in eine neue Filiale zu integrieren. Wo früher Zapfsäulen standen, steht jetzt ein Geldautomat. Im ehemaligen Kassenraum gibt es zwei kleine Beratungsräume. Das Konzept scheint sich bewährt zu haben. „Man merkt, dass die Nutzung über die Jahre mehr geworden ist, gerade bei der jüngeren Generation“, sagt Jens Hohlfeld, Geschäftsstellenleiter der Filiale.

Die Schließungen von vielen Filialen könnte jetzt auch an anderen Orten eine Wiederbelebung bedeuten. „Der deutsche Durchschnittskunde erwartet eine Bargeldversorgung innerhalb von zehn bis 15 Autominuten“, sagt Berater Nolte. Drive-In-Automaten an wichtigen Standorten ohne Filialen könnten Banken dabei helfen, diese Zeitspanne einzuhalten – allerdings nicht gänzlich ohne Probleme: Erstens seien sie „nicht ganz preiswert“ und zweitens bei Überfällen „eine ganz heikle Nummer“.

Insbesondere der Preis könnte einer stärkeren Verbreitung entgegenstehen. Für die freistehenden Geldautomaten bedarf es besonderer Sicherheitsvorkehrungen. 500.000 Euro hat das Mainzer Objekt gekostet, wenn man Grundstückspreis, Bebauung, Geldautomaten und das auffällige Design zusammenrechnet.

Auf das Ergebnis ist man in Mainz deshalb stolz. Aber, sagt Bug-Naumann, so schön die Optik auch sei: „Wenn man davorsteht, ist es ein Geldautomat wie jeder andere auch.“

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