Lateinamerika auf Wachstumskurs Aufschwung in Lateinamerika hält an

Trotz der weltwirtschaftlichen Eintrübung bleiben die Volkswirtschaften Lateinamerikas dieses Jahr auf Wachstumskurs - wenn auch mit angezogener Handbremse. Vor allem Mexiko schwächelt derzeit. Schuld ist die enge Bidung an die USA. Warum Weltwirtschaftskrise und hohe Inflation das Wachstum nicht nachhaltig bremsen können.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Zuckerrohrplantage in Brasilien: Vor allem der Rohstoffboom befeuerte zuletzt das Wachstum in Lateinamerika. Quelle: dpa

MEXIKO-STADT. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Region werde um 4,7 Prozent steigen, prognostiziert die Uno-Wirtschaftskommission für Lateinamerika (Cepal) in ihrem jüngsten Bericht. Damit läge das Wachstum zwar einen Prozentpunkt niedriger als im Vorjahr. Doch der Aufschwung in Lateinamerikas Ökonomien hält im sechsten Jahr in Folge an. Die weltweite Finanzkrise trifft vor allem Mexiko und die Staaten Mittelamerikas, die eng mit der US-Wirtschaft verwoben sind.

"Das ist die längste Wachstumsphase in den vergangenen 40 Jahren", betonte Cepal-Generalsekretärin Alicia Bárcena. Dass die Wirtschaftsdynamik nun etwas nachlässt, kommt für Rodolfo Navarrete, Chefvolkswirt vom Investmenthaus Vector in Mexiko-Stadt, nicht überraschend: "Das war absehbar, aber die Region wächst noch immer akzeptabel." Etliche lateinamerikanische Staaten können mit den Wachstumsraten der großen asiatischen Schwellenländer China und Indien konkurrieren, denen die Asiatische Entwicklungsbank für 2008 ein Wachstum von zehn beziehungsweise 7,4 Prozent prognostiziert.

Für 2009 erwartet Cepal, dass sich das Wachstum in Iberoamerika erneut auf dann vier Prozent abschwächen wird - die niedrigste Quote seit 2004. Ursächlich hierfür seien auch die Gründe, die schon in diesem Jahr zu einem Nachlassen der Konjunktur in der Region geführt hätten. So haben die gestiegenen Öl- und Nahrungsmittelpreise zu einem teilweise drastischen Anstieg der Inflation geführt, was wiederum in einigen Staaten eine Erhöhung der Zinsen nach sich gezogen hat.

Wegen der engen Bindung an die USA schwächelt derzeit vor allem Mexiko. Die zweitgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas kann ihr BIP im laufenden Jahr laut Cepal nur um 2,5 Prozent steigern und ist damit ein weiteres Mal das Schlusslicht in der Region. Auch für 2009 erwarten die Ökonomen keine Verbesserung.

Zu einer Konjunkturbremse entwickelt sich vor allem in Mexiko und Zentralamerika der Faktor Kriminalität: "Der Krieg gegen das organisierte Verbrechen und die zunehmende Gewalt schrecken Investoren ab", sagt Mexikos Zentralbankchef Guillermo Ortiz dem Handelsblatt (siehe: "Sechs Fragen an Guillermo Ortiz") Das mexikanische Finanzministerium kalkulierte jüngst die Kosten der Kriminalität auf einen Prozentpunkt des BIP, was rund zehn Mrd. Dollar entsprechen würde. Nicht besser sieht es in Zentralamerika aus. Nach Berechnungen des Uno-Entwicklungsprogramms UNDP kostet die Bandenkriminalität die Staaten auf der Landbrücke zwischen Nord- und Südamerika zusammen 7,7 Prozent ihrer Wirtschaftskraft oder 6,5 Mrd. Dollar pro Jahr.

Die schwächelnde Konjunktur in den Industriestaaten und manchen Schwellenländern führt weiterhin dazu, dass die Nachfrage an Rohstoffen, die in den vergangenen Jahren das Wachstum vor allem in Südamerika getragen hat, nachlässt. Brasilien wächst so laut Cepal 2009 nur noch um vier Prozent, und in Argentinien schwächt sich die Wachstumsrate von prognostizierten sieben Prozent in 2008 auf fünf Prozent ab. Vorsorglich kündigte die Regierung von Cristina Fernández de Kirchner daher an, die Schulden in Höhe von 6,7 Mrd. Dollar beim Pariser Club zu tilgen, um so wieder Kreditwürdigkeit bei internationalen Geldgebern zu erlangen.

Peru und Panama mit jeweils sieben Prozent BIP-Zuwachs und Kuba mit sechs Prozent werden kommendes Jahr laut Cepal die Wachstumsstars der Region sein. Panamas Wirtschaft profitiert vor allem vom Ausbau des Kanals, das kräftige Wachstum Kubas erklärt sich vornehmlich durch die wirtschaftliche Unterstützung durch Venezuela, China, Brasilien und Iran.

Als positiver Nebeneffekt der langen Wachstumsphase geht die Armut in Lateinamerika deutlich zurück. Seit 2002 sei die Zahl der Menschen, die pro Tag nur zwei Dollar zur Verfügung haben, um neun Prozentpunkte gefallen, schreibt Cepal. Das Wirtschaftswachstum habe mehr Menschen in Lohn und Brot gebracht und zugleich die Qualität der vorhandenen Arbeitsplätze verbessert. Zudem trügen Auslandsüberweisungen der Arbeitsmigranten einen großen Teil zur Beseitigung der Armut bei. Noch immer aber haben 190 Millionen Menschen oder 35 Prozent der Bevölkerung in Lateinamerika nicht genug zu essen oder kein anständiges Dach über dem Kopf.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%