Im Gespräch: CEP-Chef John van Reenen "Deutsche Manager sind sehr gut"

Um die Unternehmensführung in deutschen Konzernen ist es überraschend gut bestellt. Das ergibt sich aus dem Managementranking des renommierten Londoner Centre for Economic Performance. "Deutsche Manager sind sehr sorgfältig, wenn es um die Organisation ihrer Produktion geht", lobt Institutschef John van Reenen im Handelsblatt-Gespräch.

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Herr Professor van Reenen, Sie machen Studien, in denen Sie Tausende Unternehmensführer interviewen. Wie ist es um die Qualität der Unternehmensführung in Deutschland bestellt?

Ziemlich gut. Ganz vorne liegen in unserem Ranking die Unternehmen aus den Vereinigten Staaten. Ihnen auf den Fersen ist aber eine "Premier League" aus Japan, Schweden und Deutschland. Dagegen sind Frankreich, Großbritannien und Italien nur zweite Liga. Einige europäische Länder wie Portugal und Griechenland sind noch schlechter. Ganz schlecht um die Managementqualität steht es in Entwicklungsländern wie China und Indien.

Wie haben Sie das gemessen?

Wir haben zusammen mit McKinsey ein Verfahren entwickelt, mit dem man Management-Praktiken messen kann. Dann haben wir insgesamt 4 000 Manager in zwölf Länden interviewt.

Sind die "guten" Unternehmen wirklich besser geführt - oder entsprechen sie nur eher der neuesten angelsächsischen Management-Mode?

Nein, sie sind wirklich objektiv besser. Und gutes Management zahlt sich aus: Wenn man unseren Indikator für die Qualität der Unternehmensführung mit Kennziffern für die Produktivität der Unternehmen vergleicht, zeigt sich ein sehr enger Zusammenhang.

Spielen die Eigentümerstrukturen eine Rolle dafür, ob eine Firma gut gemanagt und besonders produktiv ist?

Eindeutig ja. Multinationale Unternehmen sind besser geführt - ganz besonders solche, die aus den USA kommen. Und Familienunternehmen, die vom Sohn oder Enkel des Gründers geleitet werden, sind ein Desaster. Nicht jedes einzelne, aber im Durchschnitt.

Hat auch die Struktur der Wirtschaft eines Landes Einfluss auf die Unternehmensführung?

Vor allem ein gesamtwirtschaftlicher Faktor ist mitentscheidend dafür, wie gut Firmen geführt werden: die Schärfe des Wettbewerbs auf dem Gütermarkt. Je härter es zugeht, desto eher werden schlechte Unternehmen aus dem Markt gedrängt. Dann können sich besser gemanagte Firmen schneller ausbreiten. Von Land zu Land und von Branche zu Branche unterscheidet sich die Wettbewerbsintensität. Diese Unterschiede spiegeln sich in Produktivitätsdifferenzen.

Was können deutsche Manager besonders gut?

Sie sind sehr systematisch und sorgfältig, wenn es um die Organisation ihrer Produktion, um die Arbeitsabläufe im Unternehmen geht. Wir haben die Manager zum Beispiel gefragt: Was passiert, wenn in der Fabrik etwas schiefläuft? Der schlechteste Umgang und in manchen Ländern durchaus verbreitet ist: nichts tun. Typisch ist auch: Man behebt das konkrete Problem, sucht aber nicht nach der Ursache. Nächste Woche tritt der Fehler dann wieder auf. Deutsche Unternehmen versuchen zu verstehen, was der Grund für die Probleme ist und beheben sie ein für alle Mal.

Betrifft das nur die Industrie?

Im Dienstleistungsgewerbe sind wir mit unseren Untersuchungen noch nicht ganz so weit. Aber erste Ergebnisse für den Einzelhandel deuten darauf hin, dass deutsche Manager auch im Service-Sektor gut sind.

Was können deutsche Unternehmen von amerikanischen lernen?

Den besseren Umgang mit ihrem Personal. Unternehmen, die ihre Leute gut führen, sind deutlich produktiver. In amerikanischen Firmen machen vor allem die Karriere, die besonders gute Arbeit leisten und sich überdurchschnittlich anstrengen. In Deutschland und anderen Ländern gilt bei Beförderungen viel stärker das Senioritätsprinzip. US-Firmen geben sich auch viel mehr Mühe, gutes Personal zu halten und die besten Leute einzustellen. Und sie gehen besser mit Versagern um.

Indem sie sie feuern?

Das allein wäre nicht "best practice". Das beste Vorgehen ist: Man identifiziert systematisch diejenigen, die schlechte Arbeit leisten, und versucht, ihnen auf die Beine zu helfen. Zum Beispiel durch Weiterbildung. Erst wenn das nicht hilft, sollte man sich von Underperformern trennen. Das tun europäische Unternehmen nicht besonders gerne.

Die Kündigungsschutz-Gesetze machen das aber auch schwerer als in den USA.

Das stimmt. Es gibt eine starke Korrelation zwischen der Flexibilität des Arbeitsmarktes und der Personalführung. In Ländern, in denen der Arbeitsmarkt flexibler ist, ist das Personalmanagement viel besser. Allerdings gibt es auch Dinge, die Europäer leicht anders machen könnten. Es gibt ja kein Gesetz, das es ihnen verbietet, gute Leute statt Altgediente zu befördern.

Also fehlt es auch an Kreativität?

Ich will Ihnen ein Beispiel geben. Als Geldautomaten aufkamen, gab es Länder, in denen die Banken es schafften, ihre Mitarbeiter umzuschulen und für Beratungsaufgaben einzusetzen. Deutsche Banken taten sich damit schwer.

Ein Unternehmen kann sich wohl nicht den Regeln und der Kultur seines Heimatlandes entziehen.

Manche Firmen zeigen, dass es möglich ist, diese Hürden zu überwinden. Multinationale Konzerne aus den USA schaffen es sehr gut, ihre Management-Praktiken und Strukturen zu exportieren. Selbst in Indien oder China, wo die Management-Qualität insgesamt viel schlechter ist, sind US-Multis fast genauso gut geführt wie in ihrer Heimat.

Was folgt aus dieser Erkenntnis?

Eine optimistische Botschaft. Es ist nicht unmöglich, seinen Management-Stil zu verbessern, selbst in Ländern wie China oder Indien. In Europa ist die Personalführung in den US-Multis meist besser als in den heimischen Unternehmen, obwohl sie den gleichen gesetzlichen Vorgaben folgen müssen. Die DNA eines Landes hindert Unternehmen nicht, Dinge auf eine bestimme Art und Weise zu machen. Sie kann eine Hürde sein, aber die kann man überwinden.

Wie wichtig ist moderne Informationstechnologie für die Produktivität von Unternehmen?

IT spielt eine große Rolle - aber offenbar nur, wenn die Unternehmen gut gemanagt sind. Um neue Technologien optimal zu nutzen, muss man meist seine Arbeitsorganisation ändern, die Mitarbeiter müssen sich umstellen. Gut geführte Unternehmen kriegen das hin, schlecht gemanagte haben dabei erhebliche Probleme. Das ist wahrscheinlich eine Erklärung dafür, warum Amerikaner die Chancen moderner Informationstechnologie schneller und besser genutzt haben.

Was folgt aus all dem für die Wirtschaftspolitik?

Durch die Globalisierung wird der weltweite Wettbewerb härter. Wir erleben einen darwinistischen Prozess. Um damit gut umgehen zu können und sich an neue Bedingungen gut anpassen zu können, muss die Wirtschaft flexibel sein. Das ist die Herausforderung für Europa. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in Europa 50 Jahre lang eine gewaltige Aufholjagd. Mitte der neunziger Jahre hatten wir Amerika fast eingeholt. Das ist ein gewaltiger Erfolg. Aber jetzt braucht man andere Fähigkeiten. Wir müssen Institutionen entwickeln, die es uns leichter machen, mit einer neuen Ära klarzukommen, in der es mehr Innovationen und Veränderungen gibt. Das ist eine politische und soziale Herausforderung genauso wie eine ökonomische.

Wo sollte die Politik ansetzen?

Dass wir Reformen brauchen, ist eine Binsenweisheit. Der entscheidende Punkt ist: In welcher Reihenfolge gehen wir die Dinge an? Wir müssen die Schritte so wählen, dass die Reformen durchsetzbar sind. Das ist von Land zu Land unterschiedlich. In Deutschland gab es unter Bundeskanzler Gerhard Schröder eine entschlossene Bewegung in Richtung flexible Arbeitsmärkte, die Hartz-Reformen sind der richtige Weg. Jetzt wird in Deutschland das bereits Erreichte teilweise wieder zurückgedreht.

Weil die Reformen extrem unpopulär sind. Warum ist der Rat von Ökonomen unbeliebt?

Zum Teil liegt es vielleicht daran, dass Volkswirte nicht gut sind beim Vermarkten ihrer Ideen. In Deutschland ist die Arbeitslosigkeit wahrscheinlich durch die Hartz-Reformen gesunken. Aber die Menschen schreiben es nicht der Agenda 2010 zu. Wir Volkswirte sind davon überzeugt, aber es ist enorm schwierig, das dem Mann auf der Straße zu erklären. Da müssen wir uns mehr Mühe geben. Aber es gibt auch ein fundamentales Problem: Jede Reform hat Gewinner und Verlierer. Und bei Arbeitsmarkt-Reformen sind diejenigen, denen es wehtut, viel klarer zu identifizieren als die Leute, die davon profitieren. Daher schreien die Verlierer viel lauter auf.

Müssen Reformen denn immer wehtun?

Es gibt durchaus Dinge, die einfacher sind als der Umbau des Arbeitsmarktes. Ein gutes Beispiel ist die Wettbewerbspolitik. Höhere Konkurrenz auf den Gütermärkten kann ein Treiber für viele andere Reformen sein. Daher sollte sich die Politik zuerst auf den Gütermarkt konzentrieren.

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