Folgen der Arbeitskämpfe Wie stark schaden Streiks dem Standort?

Lange galten die Deutschen als streikfaul, doch das scheint nun vorbei zu sein. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) fürchtet, dass dieses Jahr erneut 580 000 Arbeitstage streikbedingt ausfallen könnten.

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Die Schäden von Streiks für die Volkswirtschaft sind umstritten. Quelle: dpa

DÜSSELDORF. "Damit verliert Deutschland einen seiner wichtigsten Standortvorteile: den sozialen Frieden", sagt IW-Experte Hagen Lesch.

2006 - im letzten von der Streikstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) erfassten Jahr - streikten 168 723 Arbeitnehmer, betroffen waren 545 Betriebe; insgesamt fielen 428 739 Arbeitstage durch Streik aus - so viel wie seit 1993 nicht mehr.

Für 2007 kann die BA noch keine Angaben machen, doch die Kampfbereitschaft steigt: Etwa 70 Prozent der Ausfalltage 2007 hingen mit dem Konflikt bei der Deutschen Telekom zusammen, schätzt IW-Experte Lesch. Die Lokführer trugen acht Prozent zu den 580 000 Tagen bei. Außerdem gab es Warnstreiks in der Metall- und Elektroindustrie.

Ein beunruhigender Trend? Schaut man sich die Streiktage je 1 000 Beschäftigte im langjährigen europäischen Vergleich an, so galt Deutschland lange als extrem friedlich: Zwischen 1996 und 2005 fielen hier im Jahresschnitt 2,4 Arbeitstage je 1 000 Beschäftigte durch Arbeitskämpfe aus - weniger als in der Schweiz, Polen oder den Niederlanden.

Am streiklustigsten waren die Spanier mit 144,9 Streiktagen je 1 000 Beschäftigte. Legt man nur das Jahr 2006 zugrunde, gab es in Deutschland zwölf Streiktage.

Umstritten sind die Schäden für die Volkswirtschaft. "Ich glaube, die Streiks der letzten Monate haben gesamtwirtschaftlich überhaupt keine Folgen", sagt Heiner Dribbusch vom gewerkschaftseigenen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut. "Wenn etwa einen Tag die Busse nicht fahren, haben dafür die Taxis mehr zu tun. Wo ist da der gesamtwirtschaftliche Schaden?"

Tatsächlich scheinen Prognosen zu Streik-Folgekosten häufig interessegeleitet: So schätzte im Herbst das DIW die Kosten eines Streiks im Güterverkehr auf 50 Mill. Euro pro Tag. Der Bundesverband Logistik und Entsorgung nannte bis zu zwei Mrd. Euro, was bei einem arbeitstäglichen BIPvon rund 9,5 Mrd. Euro wohl etwas zu hoch gegriffen war.

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