Intershop-Gründer im Interview „Wir brauchen einen Neuen Markt“

Heute legt Zalando den größten deutschen Technologie-Börsengang seit dem Ende des Neuen Markts hin. Stephan Schambach, Gründer der E-Commerce-Plattform Demandware, fordert mehr Börsengänge und eine „deutsche Nasdaq“.

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Stephan Schambach, Gründer der E-Commerce-Plattform Demandware wünscht sich mehr Börsengänge. Quelle: PR

So spektakuläre Börsengänge wie die von Zalando und Rocket Internet haben deutsche Anleger seit Jahren nicht mehr gesehen. Da fühlen sich viele Investoren an die Zeiten des Neuen Marktes erinnert, als viele Internet-Firmen an die Börse drängten. Einer, der diese Zeiten miterlebt hat, ist Stephan Schambach. Er gründete 1992 das Softwareunternehmen Intershop und brachte es an die Börse.

Zwischenzeitlich hatte das Unternehmen einen Börsenwert von mehreren Milliarden Euro – bis die Blase platzte. Heute ist Schambach Aufsichtsrat der E-Commerce-Plattform Demandware, die er 2004 gründete und im März 2012 an die New Yorker Börse NYSE gebracht hat. Im Interview mit dem Handelsblatt fordert der Unternehmer ein neues Börsensegment für junge Technologiefirmen in Deutschland.

Mit Rocket Internet und Zalando gehen zwei Internetfirmen an die Börse. Erleben wir gerade die Rückkehr des Neuen Marktes?
Die Börsengänge von Rocket Internet und Zalando sind schon allein wegen ihrer  Größenordnung nicht mit dem Neuen Markt zu vergleichen. Die damaligen Emissionen waren viel kleiner. Grundsätzlich wäre es gut, wenn es in Deutschland mehr Börsengänge wie den von Zalando geben würde.

Sie wünschen sich also eine Wiederkehr?
Wenn Sie so wollen. Wir brauchen wieder einen Neuen Markt in Deutschland.  Dutzende deutsche Firmen sind gezwungen an amerikanische Börsen zu gehen, weil hierzulande die Bedingungen für Börsengänge so schlecht sind. Diese Firmen sind dann aber als amerikanische Firmen gelistet, so dass Deutschland nicht mehr von der Entwicklung der Firmen profitiert.

Wenn es um Aktienkultur geht, gilt Deutschland  als unterentwickelt…
Wenn diese Abwanderung weitergeht, wird Deutschland von der digitalen Wirtschaftsentwicklung in den USA abgeklemmt und bleibt nur staunender Beobachter. In den USA sind im Jahr 2013 mehr als 200 Firmen an die Börse gegangen, in Deutschland gab es zur selben Zeit nur sieben Börsengänge. Deshalb gibt es bislang auch kein deutsches Google oder Facebook.

Wie könnte ein Neuer Markt 2.0 aussehen?
Deutschland braucht eine deutsche Nasdaq. Also eine Börse für schnell wachsende Technologiefirmen, die auch Firmen listet, die nur ein Zehntel der Größe von Zalando erreichen. Dann würde mehr Venture-Capital von internationalen Investoren nach Deutschland fließen. Das beschleunigt die extrem wichtige Wachstumsfinanzierung für junge Firmen. Die Bedingungen für institutionelles Venture-Capital müssten allerdings vereinfacht werden.

Das müssen Sie erklären.
Momentan verhindert die Politik, genauer das deutsche Steuergesetz, dass Venture-Capital nach Deutschland fließt. Zum Beispiel muss die Mehrwertsteuer auf die Management-Fee abgeschafft werden. Solch ein Gesetz, das die Bedingungen für Wagniskapital erleichtert, liegt längst vor. Jetzt muss es nur endlich auf den Weg gebracht werden.


„Neuer Markt 2.0 steht im Koalitionsvertrag“

Viele Privatanleger haben extrem schlechte Erfahrungen mit dem Neuen Markt gemacht. Sie werden kaum Fürsprecher für ein solches Segment finden.
Wir brauchen dafür auch keine Wähler. Wir brauchen Unternehmen und Aktien-Investoren. Und davon gibt es genügend in Deutschland. Privatanleger, die sich damit nicht wohl fühlen, müssen ja nicht investieren. Das Thema Neuer Markt 2.0 steht übrigens auch im Koalitionsvertrag.

Stehen junge Unternehmen heute anders da als zur Jahrtausendwende?
Im Gegensatz zu Zeiten des Neuen Marktes ist die Qualität und Quantität der deutschen Start-ups substanziell gestiegen. Die Vorrausetzungen sind besser als damals. Insbesondere Berlin ist ein Top-Standort für junge Gründer geworden. Die digitale Wirtschaft könnte zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor für Deutschland werden. In den USA werden 35 Prozent der Wirtschaftsleistung in der Digitalwirtschaft erzielt. Wir können in Deutschland in zehn Jahren genauso weit sein. Deshalb hat auch die Politik ein Interesse an einem neuen Börsensegment.  Denn von einer solchen Börse profitieren nicht nur Spekulanten.

Apropos Spekulation: Rocket Internet und Zalando sind hoch bewertet, aber werfen kaum Gewinne ab. Ist das nicht bedenklich?
Rocket Internet und Zalando sind zwei ganz unterschiedliche Unternehmen. Das Geschäftsmodell von Zalando finde ich super. Die E-Commerce-Branche hat hohe Wachstumsraten und die Firma verkauft Mode, ein Bereich, den selbst Amazon verschlafen hat. Hier gibt es die Basis eine wertvolle Firma aufzubauen.

Und Rocket Internet?
Rocket Internet ist anders zu bewerten. Hier geht ein Finanzvehikel an die Börse, das als Black-Box fungiert. Es ist für einen Privatanleger nicht möglich bei der Vielzahl von Beteiligungen überhaupt nachzuvollziehen, was da passiert. Rocket ist deshalb vor allem eine hoch risikoreiche Wette auf das Management. Den Börsengang von Rocket Internet sehe ich deshalb wesentlich kritischer als den von Zalando.

Also gilt für junge Technologiefirmen der Grundsatz: „Erst wachsen und dann verdienen“?
Digitale Geschäftsmodelle müssen schnell wachsen, um überleben zu können. Es gilt der Grundsatz: „The winner takes it all“. Aber man darf die Profitabilität niemals aus den Augen verlieren. Zalando beispielsweise könnte sehr schnell profitabel werden, wenn das Unternehmen sein Wachstum verlangsamen würde, indem es zum Beispiel die Ausgaben für Werbung herunterfahren würde.

Vielen digitalen Unternehmen in den USA geht es ähnlich…
Sie haben zweistellige Umsatzwachstumsraten und schreiben dennoch Verluste. Aber das wollen die Investoren so – sie wollen, dass das Wachstum weitergeht. In der Regel sind Aktien von jungen Technologiefirmen keine Renditeaktien.


„Den Hype um Zalando und Rocket Internet nutzen“

Sie haben zu Zeiten des Neuen Marktes Intershop an die Börse gebracht. Auf die Rally folgte 2001 der brutale Absturz, Anleger mussten schlimme Verluste wegstecken. Was würden Sie heute anders machen?
Ich bereue keinen meiner Schritte. Damals ist eine weltweite Blase geplatzt, unter der eben auch mein Unternehmen litt. Aber eines hätte ich bei der Internet-Shop-Gründung anders gemacht: Ich hätte den Börsengang sofort in den USA starten sollen.

Warum?
Wer ein Technologieunternehmen gründet und vielen Millionen an Risikokapital braucht, muss in die USA gehen, denn dort haben die Risikokapital-Investoren die Chance ihr Geld beim IPO an der Nasdaq oder New York Stock Exchange wiederzubekommen. Solch ein System für Börsengänge gibt es hierzulande schlichtweg nicht. Bei der Gründung meines zweiten Unternehmens, Demandware, bin ich ja dann direkt in die USA gegangen.

Juckt es Ihnen in dieser spanenden Phase mit großen Börsengängen wieder unter den Fingern? Wollen Sie wieder mitmischen?
Ja, wir befinden uns in der Tat in einer sehr spannenden Phase. Meine Firma Demandware ist ja 2012 an die Börse gegangen. Außerdem bin ich als Angel-Investor bei einigen jungen Firmen beteiligt, die hoffentlich mal groß werden und investiere auch in Börsengänge.

Und haben Sie in Zalando investiert?
Individuell kann ich dazu nichts sagen. Ich bin aber sehr interessiert an der ganzen Entwicklung (lacht).

Glauben Sie, dass Rocket Internet und Zalando andere Firmen motivieren, auch an die Börse zu gehen?
Dass es jetzt gerade zufällig zeitgleich zwei große Börsengänge in Deutschland stattfinden, ist zu begrüßen, aber das ist noch lange kein Trend.  Die Bedingungen, für Firmen an die Börse zu gehen, sind in Deutschland nach wie vor sehr schlecht.  Aber der Zeitpunkt ist perfekt, um ein neues Börsensegment zu eröffnen. Es wäre verschenkte Zeit, wenn wir jetzt wieder Jahre damit warten. Man sollte den großen Hype um Zalando und Rocket Internet nutzen.

Herr Schambach, danke für das Gespräch.

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