IT-Strategie Vom Stiefkind zum begehrten Partner

Es sind unruhige Zeiten für IT-Manager. Lange Zeit wurde die Informationstechnologie in Unternehmen als Stiefkind behandelt und mehr unter Kostenaspekten betrachtet. Seit ein paar Jahren aber wächst ihre strategische Bedeutung: IT wird als einer der entscheidenden Faktoren für den künftigen Erfolg eingestuft.

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Potenzieller Erfolgsgarant: IT-Abteilungen in Unternehmen. Foto: dpa Quelle: dpa

FRANKFURT. Die Firmen brüten mit ihren IT-Managern deshalb über passende Strategien. Doch viele wissen nicht, wie und wo sie beginnen sollen. "Wir haben festgestellt, dass fast jedes Unternehmen mindestens drei IT-Strategien in den Schubladen hat, die aber nie umgesetzt wurden", sagte Walter Brenner, Direktor des Instituts für Wirtschaftsinformatik an der Universität St. Gallen, gestern auf der Handelsblatt-Tagung "Die beste IT-Strategie" in Frankfurt. Brenner ist Mitglied der Jury für den von dieser Zeitung vergebenen "IT Strategy Awards".

Dennoch wächst der Handlungsdruck. Marktforscher der Gartner-Gruppe haben den Chief Information Managern (CIO) eine radikale Neuausrichtung vorhergesagt. Bis zum Jahr 2010 würde sich die Hälfte aller IT-Abteilungen um die Formulierung des Bedarfs und die Vermittlung von Services kümmern und nicht mehr um die Erbringung der IT-Leistung. "Die CIOs werden die operativen und technologischen Fähigkeiten in ihren Teams bündeln müssen", prognostiziert John Mahoney, Vice-President von Gartner.

Der Hintergrund des Wandels: Unternehmen müssen heute viel schneller als früher reagieren, da sich auch die Marktgegebenheiten immer schneller verändern - getrieben unter anderem durch neue technologische Möglichkeiten. Entsprechend sind die Folgen für die IT. In einer Studie der Beratungsfirma Deloitte nannten jüngst die meisten Unternehmens-Lenker "Flexibilität" als die wesentliche Anforderung an ihre eigene IT, also die Fähigkeit, neue Ideen und Geschäftsmodelle schnellstens umzusetzen.

Damit hat die IT freilich ein dickes Pflichtenheft vor sich. Der wohl wichtigste Punkt: Die IT muss zum festen Bestandteil der Unternehmensstrategie werden. Andreas Resch, Vorsitzender der Geschäftsführung der Bayer Business Services und Jury-Mitglied des Handelsblatt-Awards, nennt ein Beispiel: "Es geht nicht darum, bei jeder strategischen Entscheidung sofort die IT mit ins Boot zu holen. Aber wenn ein Unternehmen die grundsätzliches Strategie verfolgt, durch Akquisitionen zu wachsen, sollte der IT-Manager das wissen", fordert er. Schließlich benötige man dazu eine ganz andere IT als bei einem organisch wachsenden Unternehmen.

Doch die enge Einbindung der IT scheitert häufig schon an der Kommunikation zwischen den strategisch orientierten Vorstandsmitgliedern und den in technologischen Details denkenden IT-Chefs.

Hans-Joachim Popp, CIO des für den "IT Strategy Award" nominierten Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), kennt die Herausforderung. "Kommunikation mit den Kunden bedeutet für uns Kommunikation auf drei Ebenen: mit den Entscheidern, den informierten Nutzern und den normalen Anwendern", beschreibt er die Situation. Jeder braucht eine andere Ansprache. Top-Entscheidern sollte man IT-Komplexität am besten mit anschaulichen Beispielen verdeutlichen, etwa dem Austausch eines Motors in voller Fahrt, rät Popp seinen Kollegen.

Ein anderes Problem: Da sich die IT-Abteilungen laut Gartner künftig viel stärker als bislang um die Vermittlung von IT-Dienstleistungen kümmern werden, gewinnt die Wahl der richtigen Servicepartner an Bedeutung. Zwar gehört die Auslagerung von IT-Aufgaben an externe Partner (Outsourcing) für viele Unternehmen schon heute zum Alltag. Dennoch lauern viele Gefahren, warnt Gerald Artelt, Bereichsleiter IT-Strategie bei der Net-Bank, ebenfalls Finalist des "IT Strategy Awards". "Ein Outsourcing-Partner muss jederzeit austauschbar sein, und kein Vertrag sollte eine längere Laufzeit als fünf Jahre haben", empfiehlt er seinen IT-Kollegen.

Angesichts dieser Herausforderungen rät Brenner von der Universität St. Gallen den CIOs in Ruhe an die neuen Aufgaben zu gehen. "Natürlich gibt es Modelle für eine richtige IT-Strategie. Aber diese Ideallinie ist häufig visionäres Geschwätz. Am Ende ist eine gute IT-Strategie immer auch ein Kompromiss."

Wer Clemens Keil lauscht, dem Chief Information Officer (CIO) des Bremsenspezialisten Knorr-Bremse, bekommt jede Menge Superlative zu hören. Da ist von "Business Excellence" die Rede oder von "Zero Tolerance". Die Botschaft ist klar: Bremsen sind eine sensible Angelegenheit. Da sind zuverlässige Prozesse Pflicht, auch in der IT.

"IT-Excellence ist Voraussetzung für Business-Excellence", gibt Keil vor, der mit seiner Strategie den "IT Strategy Award" des Handelsblatts gewonnen hat. Das Familienunternehmen hat bereits jene Empfehlungen umgesetzt, die Berater wie die Gartner-Gruppe allen Verantwortlichen jüngst ins Stammbuch geschrieben haben: Sie sollten die IT nicht nur an das übergeordnete Managementsystem ausrichten, sondern vielmehr zu dessen integralem Bestandteil machen. "Die Geschäftsführung holt die IT an den Tisch, nicht die IT die Geschäftsführung", bringt Keil den Ansatz auf den Punkt.

Ein weiteres Geheimnis ist die richtige Mischung von zentralen und dezentralen Zuständigkeiten. So ist alles, was strategische IT-Prozesse betrifft, in der Holding des Unternehmens in München angesiedelt. Die operativen IT-Prozesse dagegen sind Hoheit der einzelnen Divisionen und Landesgesellschaften. Auch in diesem Punkt ist die IT das Spiegelbild der grundsätzlichen Managementstrukturen des Unternehmens. "Das System muss das Geschäft abbilden, sonst ist es eine akademische Hülle", sagt Keil. Ein weiterer Vorteil des Konzepts: Aufgaben werden für bestimmte Regionen in so genannten Shared-Service-Centern gebündelt, das bringt bereichsübergreifende Synergien.

Zudem kann Knorr-Bremse durch den gesteuerten Dezentralismus die Vorteile von Niedriglohnländern nutzen. Dabei ist die IT stets eng mit dem operativen Geschäft und den Entscheidungen hier verbunden. "Jährliche IT-Assessments sorgen für eine kontinuierliche Verbesserung", nennt Keil ein Beispiel. Hinzu kommen standardisierte IT-Prozesse. "Unser Ziel ist es, den Anteil der IT-Kosten bis zum Jahr 2009 auf unter 1,9 Prozent zu drücken bei gleichzeitig steigender Servicequalität", erläutert Keil.

Es kam ziemlich dick für die IT-Experten der Stadtwerke Düsseldorf, Teilnehmer der Endrunde um den "IT Strategy Award" vom Handelsblatt. Zunächst übernahm der Energiekonzern EnBW 54 Prozent des Versorgers - mit massiven Folgen für die IT. Plötzlich sollte man die IT-Kosten auch gegenüber dem französischen EnBW-Gesellschafter EdF berichten.

"Wir haben erst mal von den einschlägigen Marktforschern Daten über die durchschnittlichen IT-Kosten unserer Branche besorgt, um zu schauen, wo wir überhaupt stehen", erinnert sich Matthias Mehrtens, Hauptabteilungsleiter Informationsservice der Stadtwerke. Und dann forderte auch noch die Liberalisierung der Märkte ihren Tribut von der IT: Energiefirmen müssen Vertrieb und Produktion voneinander trennen, und das betrifft auch für die dahinter liegenden IT-Lösungen. Gleichzeitig sollte aber der Datenfluss trotz der gesellschaftsrechtlichen Trennung sichergestellt sein.

"Das war für uns ein Ansatzpunkt, über neue Technologien wie SOA nachzudenken", sagt Mehrtens. Service orientierte Architekturen (SOA) sind Plattformen, mit denen Programme unterschiedlicher Hersteller miteinander verbunden werden können. Die Geburtsstunde für eine neue IT-Strategie bei den Düsseldorfern war da. Um die Kosten nicht ausufern zu lassen, entschieden sich die Verantwortlichen für mehrgleisiges Vorgehen. Auf der einen Seite vertraute man erprobten Standards. Anderseits prüfte man, ob nicht auch bereits bestehende Anwendungen, die bei dem Versorger bislang gute Dienste geleistet hatten, weiterhin eingesetzt werden könnten. "Das bedeutete zwar nicht in jedem Fall eine hundertprozentige Abdeckung der Anforderungen, aber es ging darum, diese bestmöglich und zugleich wirtschaftlich zu unterstützen", begründet Mehrtens den Schritt, mit dem man auf Funktionalität an anderer Stelle verzichtete.

Über die SOA-Technologie wurde sichergestellt, dass neue Technologien ohne großen Programmieraufwand "angeflanscht" werden konnten - beispielsweise eine einfachere Ermittlung der Adressen von säumigen Kunden oder die Online-Bonitätsprüfung neuer Kunden.

Es war eine typische Situation, die Thorsten Draeger, Leiter der Abteilung IT-Operations bei der mittelständischen Firma AMG, seinerzeit vorfand. Die Daimler-Tochter, ein Spezialist für Motorenentwicklung und -produktion, war über Jahre hinweg stark gewachsen. An allen möglichen Stellen war angebaut und erweitert worden. "IT war kein strategisches Kernfeld, es gab keine strategische Steuerung", beschreibt Draeger das Szenario. Die IT-Zentrale wurde nur dann ins Boot geholt, wenn die Probleme mit den Vor-Ort-Lösungen zu groß wurden. Ein unhaltbarer Zustand. Die IT musste neu ausgerichtet werden - man wollte weg vom "Hey-Joe-Prinzip", nach dem IT-Mitarbeiter unter dem Motto "Kannste mal eben..." Jobs erledigen. Die IT sollte sich als Partner für die Fachabteilungen etablieren.

Keine leichte Aufgabe, kam sie doch an der ein oder anderen Stelle einem Kulturwandel gleich. Fachabteilungen mussten plötzlich von IT-Themen loslassen. Die Lösung: ein Bauherren-Architekten-Modell. Die Fachabteilung bleibt Eigner der Daten, kann als Bauherr die konkreten Anforderungen vorgeben und wird so eng eingebunden. Die IT wiederum ist als Architekt der Systemgestalter, behält die Ordnungshoheit und kann bei Bedarf externe Spezialisten dazuholen. Am Ende sollten klare Prozesse stehen. In mehrmonatigen Workshops wurde zunächst der Ist-Zustand aufgearbeitet. In weiteren Workshops wurde dann zusammen mit den Fachbereichen eine klare IT-Strategie erarbeitet.

"Wichtig ist dabei das Rollenverständnis: Was darf die Fachabteilung, was die IT", sagt Draeger. Eine besondere Herausforderung war und ist immer noch die Einbindung in die Konzern-IT von Daimler. "Die IT-Strukturen eines Konzerns für eine getaktete Produktionslinie passen eben nicht unbedingt zu einem Hersteller von Sonderanfertigungen. Hier gibt es noch sachlichen Klärungsbedarf", erläutert Draeger. Doch die bisherige Arbeit hat sich nach seinen Worten ausgezahlt, die IT werde von den Fachabteilungen als Partner akzeptiert. AMG schaffte es in die Endrunde des vom Handelsblatt vergebenen "IT Strategy Awards".

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