N wie Nano-Technologie Klein, aber oho!

Sie sind einen millionstel Millimeter groß und für viele Industriezweige außerordentlich interessant. In der Medizin sollen Nanoteilchen Krebs bekämpfen. Eine Technologie mit großem Potenzial – und ein paar Fragezeichen.

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Nanotechnologie ist für viele Industriezweige interessant: Die Kleinst-Teilchen verändern die Eigenschaften von Oberflächen. Quelle: dpa

Nano ist eine Größenbezeichnung. Ein Nanometer ist einen milliardstel Meter groß – oder eben nicht groß, eher unvorstellbar klein. Das Wortstammt vom altgriechischen „Nanos“ – der Zwerg. Teilchen, die kleiner sind als 100 Nanometer, werden nach einer EU-Regelung als Nanoteilchen bezeichnet. Ein Proteinmolekül hat fünf Nanometer, ein menschliches Haar ist immerhin schon 80.000 Nanometer breit. Viele Industriezweige nutzen die Kleinst-Teilchen. Sie haben hochwillkommene Eigenschaften – und ungeklärte Risiken.

Nanostrukturen machen Materialien leichter, widerstandsfähiger und schmutzabweisender. Die Natur dient dabei als Vorbild: Schmetterlingsflügel etwa haben eine nanometergroße Gerüststruktur und trotz geringstem Gewicht eine hohe Festigkeit. Lotospflanzen sind bekannt für ihre flüssigkeitsabweisenden Blätter. Das gelingt durch ihre nanostrukturierte Oberfläche, auf der Schmutzpartikel keinen Halt finden.

Generell haben Materialien in Nanogröße andere Eigenschaften als in „Originalgröße“: Sie sind etwa hitzebeständiger oder lösen sich besser auf. Das machen sich Hersteller von Lacken, Kunststoffen und sogar Lebensmitteln zunutze. Während „normale“ Oberflächen Schmutz und Wasser bei Kontakt aufnehmen, können sie auf einer nanostrukturierten Oberfläche nicht haften bleiben und perlen ab. Autolacke werden deshalb mit einer abweisenden Nanoversiegelung beschichtet. Auf Brillengläsern verbessern Nanoschichten die Festigkeit und den Verschleiß. In einigen Sonnencremes sorgen Titandioxid- und Zinkoxidpartikel in Nanogröße dafür, dass sich die Creme leicht auf der Haut verteilen lässt. Siliziumdioxide von einigen Hundert Nanometern dienen als Rieselhilfe im Salz und machen Outdoor-Textilien schmutzabweisend. Nanosilber hat antimikrobielle Eigenschaften und wird in Wandfarbe, Kühlschränken und Verpackungen verwendet. Lebensmittel wie Obst werden mit Nanopartikeln überzogen und sehen so länger frisch aus, und Ketchup fließt dank Nano-Zusätzen bis zum letzten Rest aus der Flasche.

Nanoröhrchen für neue Materialien

Ein besonderes Augenmerk haben Industrie und Politik auf Kohlenstoff-Nanoröhrchen gerichtet. Die Carbon-Nanotubes (kurz: CNT) sind röhrenförmige Gebilde aus wabenförmig angeordneten Kohlenstoffatomen. Sie sind sehr leicht, dabei aber extrem stabil und leiten Strom und Wärme sehr gut. Beispielsweise sind Tennisschläger mit Nanotubes bei gleichem Gewicht bruchfester. Mit CNTs versehener Beton ist deutlich stabiler und elastischer.

Für die Automobil- und Flugzeugbranche sind Carbon Nanotubes gleich mehrfach interessant: Durch ihre hohe elektrische Leitfähigkeit eignen sich CNT sehr gut als Katalysatoren in dadurch leistungsstärkeren und energieeffizienteren Brennstoffzellen. Diese Eigenschaft verspricht auch eine höhere Belastbarkeit von Batterien in Elektroautos.

Bauteile in Autos und Flugzeugen bestehen zunehmend aus Kunststoffen; das spart Gewicht, der Energieverbrauch reduziert sich. Doch bei Baugruppen, die extremen Gewichten und Temperaturen ausgesetzt sind, stoßen Kunststoffe schnell an ihre Grenzen. Durch CNT-Zusätze erhöht sich ihre thermische und mechanische Belastbarkeit, die entstehende Wärme kann besser abgeleitet werden. Noch befindet sich hier vieles in der Forschungs- und Entwicklungsphase, doch CNT gelten als wichtige Komponente für innovative Werkstoffe und eine umweltfreundliche Mobilität.

Präzisionswaffe gegen Krebs

Auch in der Medizin gilt „Nano“ als Zukunftstechnologie, vor allem im Kampf gegen Krebs. Herkömmliche Behandlungen wie die Chemotherapie greifen nicht nur krankes, sondern immer auch gesundes Gewebe an. Kapseln aus Nanopartikeln helfen, Wirkstoffe zielgenau zu erkrankten Zellen zu transportieren ohne gesundes Gewebe zu schädigen. Sie können auch als Träger für Kontrastmittel zur Lokalisierung und zur Diagnose von Krebszellen verwendet werden. Pharmafirmen testen und produzieren immer neue Nanopartikel mit neuen Eigenschaften. Zum Beispiel befindet sich auf der Oberfläche der Nanopartikel ein Molekül, das Krebszellen an ihrer Oberflächen-Struktur erkennt und sie dann gezielt angreift.  

Eine weitere Therapiemethode setzte magnetische Nanopartikel ein, die mehrere Billiarden Eisenoxidteilchen enthalten. Diese werden direkt in die Krebsgeschwulst gespritzt und dort erhitzt. Es entsteht ein magnetisches Wechselfeld, das die Teilchen in Schwingung versetzt und so hohe Temperaturen im Tumor erzeugt. So werden die Zellen zerstört oder zumindest empfindlicher für die begleitende Chemotherapie.

Ungeklärte Risiken

Der Markt für Nanoprodukte wächst rasant. Schätzungen zufolge, gibt es in Europa bereits 500 frei verkäufliche Produkte mit Nanomaterialien, darunter rund 100 Lebensmittelprodukte. So gelangen die winzigen Teilchen in Haut, Magen-Darm-Trakt, Nase und Lunge. Wie sich das genau auswirkt, ist noch weitgehend unklar. Ein Umstand, der viele Menschen beunruhigt. Die Umweltschutzorganisation BUND etwa beklagt, dass die Erforschung der Risiken und Nebenwirkungen von Nanoprodukten ihrer Vermarktung stark hinterherhinke. Fest steht: Nanopartikel können die Darmschleimhaut durchdringen, weil sie so extrem winzig sind. Forscher der US-amerikanischen Cornell-University trugen Nanopartikel auf menschliche Darmzellkulturen auf. Die Zellmembranen wurden dadurch dünner und durchlässiger, Bakterien können so leichter in die Darmflora eindringen und für Entzündungen sorgen. In diesem Zusammenhang fanden auch andere Studien Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für die Darm-Krankheit Morbus Crohn durch den Verzehr von Nanopartikeln.

Ist Nano also der Weg zu neuen interessanten Materialeigenschaften und einer medizinischen Revolution? Oder sind die winzigen Partikel eine abstrakte Gefahr für Umwelt und Gesundheit? Ein Beweis, welche Nanopartikel sich wie genau auswirken, fehlt. Die ungeklärten Risiken sind wohl auch der Grund, warum Nanoprodukte nicht offensiver vermarktet werden: Hinter den Zwergen stehen riesige Fragezeichen.

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