"Jasmin-Proteste" China geht mit Gewalt gegen Regimekritiker vor

Immer öfter treten in China dubiose Schlägertypen in Erscheinung, die für Polizei oder Staatssicherheit die Drecksarbeit erledigen. Ihre jüngsten Angriffe auf ausländische Journalisten sind dabei kein Einzelfall.

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Klein Platz für Kritiker: Chinas Staatsgewalt greift hart durch, um das Regime zu schützen. Quelle: handelsblatt.com

Die Prügel für ausländische Korrespondenten in Peking sind nach Ansicht von Diplomaten ein weiteres Zeichen für eine zunehmende Gewaltbereitschaft chinesischer Sicherheitsorgane. Als die Journalisten am Sonntag in Peking über geplante „Jasmin-Proteste“ - nach dem Vorbild Tunesiens und den Aufständen in anderen arabischen Ländern - berichten wollten, tauchten plötzlich kleine Schlägertrupps auf. Sie zerrten Reporter mit Kameras gewaltsam in Geschäfte oder Gassen, wo sie keiner mehr sehen konnte, und nahmen ihnen dort gewaltsam die Ausrüstung ab. Es war keine Überreaktion einzelner Beamter, sondern eine „wohlabgestimmte Taktik“, wie die Vereinigung der Auslandskorrespondenten in China (FCCC) kritisierte.

Drei Journalisten wurden verletzt, einer durch Tritte ins Gesicht schwer. Rund zwei Dutzend wurden festgenommen, misshandelt oder mussten zwangsweise ihr Material herausrücken. „Gerade diese Typen in Zivil schlagen zu“, zeigte sich ein europäischer Diplomat beunruhigt. Es war das erste Mal, dass ausländische Korrespondenten auf diese Weise eingeschüchtert wurden. Doch Chinas Bürgerrechtler erleben schon länger, dass häufiger zu Gewalt, angeheuerten Schlägern und mafiösen Methoden gegriffen wird, um sie zum Schweigen zu bringen. Gerade in den vergangenen Wochen häuften sich brutale Attacken.

Als der Menschenrechtsanwalt Liu Shihui vor gut einer Woche in der Stadt Guangzhou dem Aufruf zu „Jasmin-Spaziergängen“ folgen wollte und auf einen Bus zum Volkspark wartete, stopften ihm plötzlich fünf Schläger einen Sack über den Kopf. Sie traten ihn brutal mit Füßen, schlugen ihn mit Stöcken und stachen ihm mit einem Messer in die Beine. „Ich denke, das zeigt, dass die chinesische Kommunistische Partei ein faschistisches Regime ist“, sagte der Anwalt vom Krankenbett dem US-Sender Radio Free Asia (RFA).

Ein ähnlicher Zwischenfall ereignete sich an dem Wochenende auch in Peking: Ein Kleinbus ohne Nummernschilder stoppte neben dem Aktivisten Liu Anjun. Mehrere Angreifer sprangen heraus, schlugen auf ihn sowie zwei Kollegen und einen Passanten ein, wie eine Augenzeugin dem US-Sender berichtete. Liu Anjun, der mit seiner „Sunshine“-Gruppe Obdachlosen und Bittstellern hilft, wurde mitgenommen. Ihm gelang noch ein Anruf, in dem er die Schläger als Polizisten identifizierte.

„Wir sind besonders besorgt, dass zunehmend auf außergesetzliche Methoden zurückgegriffen wird, um mit Kritikern umzugehen - wie etwa anhaltender Hausarrest, Schläge und Entführungen“, sagte Nicholas Bequelin, Forscher der Menschenrechtsorganisation Human Right Watch. So wie nach der Vergabe des Friedensnobelpreises an den inhaftierten Bürgerrechtler Liu Xiaobo im Oktober wurden auch jetzt wieder Dutzende Dissidenten unter Hausarrest gestellt oder verschleppt.

Seit mehr als vier Monaten wird die Frau des Nobelpreisträgers, Liu Xia, wie eine Gefangene in ihrer Pekinger Wohnung festgehalten. Es gelang ihr, über einen alten Computer einen Hilferuf zu schicken. Sie werde als „Geisel“ gehalten: „Ich weine. Niemand kann mir helfen.“ Auch der bekannte blinde Bürgerrechtler Chen Guangcheng und seine Fraustehen seit seiner Entlassung nach vier Jahren Haft im September in seinem Dorf Dongshigu unter Hausarrest. Wie Menschenrechtsgruppen berichteten, verprügelten örtliche Polizisten und Mitglieder der Staatssicherheit das Ehepaar vor drei Wochen in ihrem Heim. Anlass war offenbar ein Video, das der 39-Jährige über seine strenge Bewachung gedreht hatte. Darin bescheinigt er dem Regime „ein Gefühl der Krise“. Ausländische Journalisten, die ihn besuchen wollten, wurden an Straßensperren nicht etwa von normalen Polizisten,sondern von lokalen Sicherheitsleuten gewaltsam und sogar mit Steinwürfen vertrieben. Auf Beschwerden forderte das Außenministerium die Journalisten auf, „die Wünsche der Leute vor Ort bei ihren Interviews zu respektieren und ähnliche Zwischenfälle zu vermeiden."

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