Euro-Krise Deutschlands gefährliche Machtpolitik

Bundespräsident Wulff will der EZB Anleihenaufkäufe verbieten. Das ist zwar im deutschen Interesse, langfristig ist eine solche Politik aber riskant. Ein Kommentar von Norbert Häring

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Bundespräsident Christian Wulff hat sich als oberster Repräsentant Deutschlands in den Chor derer eingeschaltet, die jeder Form einer erhöhten Solidarität innerhalb Europas und der Eurozone eine Absage erteilen. Die Anleihekäufe durch die Europäische Zentralbank (EZB) seien problematisch kritisiert er und macht damit deutlich, dass er solche Käufe keinesfalls als Teil eines künftigen Krisenmechanismus sehen möchte. 189 deutsche Volkswirte haben in einer gemeinsamen Resolution am Mittwoch im gleichen Sinne gefordert, dass sich gefälligst jedes Land am eigenen Schopfe aus dem Sumpf ziehen soll, ohne Hilfe von den Starken, weil diese nur zu Verweichlichung und Unvorsicht führe.

Diese Haltung ist vordergründig und kurzfristig im deutschen Interesse. Jede Form der finanziellen Solidarität schmälert den großen Zinsbonus, den Deutschland als Folge der Krise von den Finanzmärkten gewährt bekommt. Dieser bringt den deutschen Kapitalgesellschaften einen großen Wettbewerbsvorteil durch niedrigere Kapitalkosten und dem Staat hohe Zinseinsparungen. Weil sich Deutschland so bockig gibt, kann es sich seine Hilfszusagen teuer abkaufen lassen. Berlin ist dadurch zum Machtzentrum der Währungsunion geworden.

Doch langfristig ist diese Haltung riskant. Münchhausen erzählte davon, wie er sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf gezogen habe. Keiner glaubt es. Auch den peripheren Euroländern wird dieses Kunststück nicht gelingen. Abgesehen von der letzten griechischen Regierung, die in großem Umfang Haushaltsdaten gefälscht hat, haben sie sich auch nicht selbst in den Schlamassel geritten. Man erinnere sich: Irland galt als großes Vorbild in der Wirtschaftspolitik. Auch Spanien hatte Haushaltsüberschüsse. Portugal werden keine schwerwiegenden wirtschaftspolitischen Verfehlungen zur Last gelegt. Sein Hauptfehler ist, dass es Griechenland zu ähnlich ist, und daher von den Finanzmärkten mit der gleichen Elle gemessen wird.

Letzte Ursache der Krise ist ein Strukturproblem der Währungsunion ohne politische und fiskalische Union. Kein einzelnes Land hat das verursacht und kein einzelnes Land kann es lösen. Auch mit massiven Lohneinschnitten wird sich Portugal nicht so industrialisieren können, dass es mit der deutschen Industrie mithalten kann. Was Deutschland diesen Ländern anbietet ist ungebremste Verarmung. Sie können sich im Moment nicht wehren, aber sobald sie es können, werden sie es tun. Im Rahmen der Europäischen Union, in der jedes Land, auch die Kleinen, mitbestimmen darf, muss jedoch jedem ein hinreichend großes Interesse am Erfolg des Projekts gelassen werden. Geschieht das nicht, kommt irgendwann der große Knall oder der allmähliche Zerfall.

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