Immobilien-Blase "Tsunami" an Kreditausfällen rollt auf US-Wirtschaft zu

Der US-Wirtschaft droht eine neue Schuldenkrise. Nach billionenschweren Verlusten aus windigen Häuslebauerkrediten und Konsumfinanzierungen in den letzten zwei Jahren kommen nun Probleme in ähnlicher Größenordnung aus dem Gewerbeimmobilienmarkt auf die Banken zu: Wegen der Überschuldung der Bauherren droht vielen Banken die Pleite. Das wiederum gefährdet die Konjunktur.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Nach billionenschweren Verlusten aus geplatzten Häuslebauerkrediten kommen auf die US-Banken nun Probleme in ähnlicher Größenordnung aus dem Gewerbeimmobilienmarkt zu. Quelle: dpa

NEW YORK. "Wie nie zuvor in der Geschichte wird in den nächsten drei Jahren eine riesige, hurrikanartige Welle fällig werdender Hypotheken hochverschuldeter Bauherren über die US-Wirtschaft hereinbrechen", sagte Toni Wood, Unternehmensberater und Autor des im Mai erscheinenden Buches "The Commercial Real Estate Tsunami" dem Handelsblatt.

Im Boom hastig und nur auf wenige Jahre abgeschlossene Baufinanzierungen für Bürogebäude, Hotels, Einkaufszentren und Mietskasernen im Rekordvolumen von 1,4 Billionen Dollar brauchen in den kommenden drei Jahren eine Anschlussfinanzierung, schätzen Experten. Aber frisches Geld wird auf dem ausgetrockneten Kreditmarkt kaum zu finden sein.

Die Furcht der Experten: Explodierende Insolvenzzahlen in der Baubranche und weiterer Bankenzusammenbrüche könnten die Erholung der Konjunktur abwürgen. 3000 Banken droht der Kollaps. Auch Experten wie die Harvard-Professorin Elizabeth Warren schlagen Alarm: "Bis zu 3000 mittelgroße Banken haben eine gefährliche Konzentration von Gewerbeimmobilienkrediten in ihren Büchern." Damit seien knapp 40 Prozent der US-Banken in ihrer Existenz bedroht.

Bislang hat die Finanzkrise "nur" 216 Institute kollabieren lassen. Betroffen von den neuerlichen Problemen sind vornehmlich kleine und mittelgroße Institute, die - anders als die Wall-Street-Häuser - Verluste aus dem Immobiliengeschäft nicht mit Gewinnen aus den Investment-Banking kompensieren können.

"Die Banken sehen diese Probleme auf sich zukommen und schrauben die Kreditvergabe zurück. Das trifft die sich gerade erholende Wirtschaft", befürchtet Warren, die in Washington den Untersuchungsausschuss zum Bankenrettungsprogramm Tarp leitet.

Die Notwendigkeit sich neue Hypotheken beschaffen zu müssen, trifft die Betreiber von Einkaufszentren und Bürogebäuden zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Der Wert ihrer Gebäude ist nach einer Erhebung des Warrenausschuss seit 2007 im Schnitt um 40 Prozent gesunken.

Vielen Krediten am Gewerbeimmobilienmarkt im Gesamtvolumen von 3,1 Billionen Dollar steht also kein entsprechender Wert mehr gegenüber. Die Deutsche Bank rechnet daher damit, dass 65 Prozent der zu Refinanzierung anstehenden Hypotheken ausfallgefährdet ist. Gleichzeitig explodieren die Leerstände in den Gebäuden, so dass die für die Bedienung der Schulden dringend benötigten Mieteinnahmen fallen. Vielen Betreibern geht also das Geld aus.

Die "perfekte Mischung" für eine Insolvenz, meint Buchautor Wood. Zahlreiche Banken verlängerten aber die auslaufenden Hypotheken einfach, obwohl sie wüssten, dass die Sicherheiten kaum noch etwas wert sind. Sie klammern sich verzweifelt an die Hoffnung auf bald wieder steigende Preise. "In der Branche macht das Wort Hopium, die Kombination aus Hope und Opium die Runde. Man berauscht sich an der Hoffnung und will die Wahrheit nicht sehen", sagte Wood.

Tanya Azarchs, Bankenanalystin der Ratingagentur Standard & Poor`s (S&P )sieht das ähnlich. "Wir glauben, dass diese Taktik kaum mehr bewirken wird, als das Problem in die Zukunft zu verschieben", urteilte sie zuletzt in einer Studie. Besserung scheint in der Tat nicht in Sicht. Trotz der Stabilisierung der Konjunktur steigen die Leerstandsquoten weiter. Das gilt selbst für den eigentlich als krisenresistent geltenden Büromarkt von Downtown Manhattan.

Der Immobilienmakler Cushman & Wakefield rechnet damit, dass die Leerstandsquote in Manhattan bis 2011 um weitere zwei Prozentpunkte auf 14 Prozent steigen wird. Das entspricht vier Mal der Bürofläche des Empire State Buildings. Der Grund: Wie auch auf vielen anderen Märkten landesweit, wurden vor der Krise geplante Neubauprojekte trotz aller Widrigkeiten durchgezogen und schaffen nun Überkapazitäten. Diese drücken die Mieteinnahmen.

"Spätestens wenn weder die Einnahmen, noch der Wert der Häuser eine Verlängerung bestehender Kredite möglich machen, stehen die Banken vor einer schwierigen Entscheidung. Sie müssen die Gebäude zwangsversteigern, die Kredite restrukturieren oder auf eine andere Weise die Verluste minimieren, die sie dann buchen müssen", urteilt S&P-Analyst Azarchs.

Zwangsversteigerungen würden aber nur weitere Besitzer von Gewerbeimmobilien in arge Probleme bringen. "Die Lage wird sich nicht klären, bis die Preise wirklich einen Boden gefunden haben", sagte Wood. "Wir müssen uns darauf einstellen, dass der Tsunami kommt. Je länger die Banken das ignorieren und eine Marktbereinigung verhindern, desto heftiger wird der Einschlag."

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%