Umweltpolitik Atomlager Asse: Gabriels Lieblings-GAU

Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) beweist großes Geschick im Umgang mit gefährlichen Substanzen: Das marode Atommülllager Asse kommt unter seine Fittiche – somit kann der Genosse die im Streit um die Kernenergie politisch hochsensible Endlager-Frage künftig nach eigenem Gutdünken spielen.

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Bundesumweltminister Sigmar Quelle: dpa

Auf einmal also Asse. Da leckt das Atommülllager seit Jahrzehnten – und plötzlich ist das Geschrei groß: Das Land Niedersachsen entzieht dem Landesbergamt die Aufsicht, leitet zwei Disziplinarverfahren ein. Der Bund lädt zum Krisengipfel, Umweltminister Gabriel schlägt Alarm. Und die Grünen wollen mit dem Lager am liebsten gleich die ganze Atomdebatte an den Pranger stellen.

Fest steht: Das marode Atommülllager Asse ist ein Problem, das nach einer sofortigen und sauberen Lösung verlangt. Der niedersächsische Salzstock ist in den 60-er Jahren als Versuchs-Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle in Betrieb genommen worden – jetzt droht er einzustürzen. Unter ihm begraben lägen dann 130.000 Fässer, darunter auch mehrere Kilo hochgiftigen Plutoniums.

Seit Jahrzehnten strömt Wasser in das Bergwerk ein, unter Tage sammeln sich verstrahlte Laugen. Soweit so unschön – aber all das ist längst bekannt. Was die Gemüter seit wenigen Wochen erhitzt, ist eher eine formale Frage: Wer ist verantwortlich, wer hat was versäumt und wen nicht informiert? Gabriels Vorwurf: Betreiber, Behörde und Strahlenschutzaufsicht haben schlicht gepennt.  

Sein gerade veröffentlichter Statusbericht zeigt: Dem Betreiber hat offenbar die Sachkenntnis gefehlt, Sicherheitsgefahren wurden verschwiegen, Anweisungen nicht eingehalten, stattdessen erhöhten Bauarbeiten im Salzstock die Risiken. Asse sei „löchrig wie ein Schweizer Käse“, schimpft Gabriel. Da stellt sich doch die Frage: Wieso riecht er diesen ganzen Käse erst jetzt?

Gefallen an gefährlichen Substanzen

Offenbar hat der Umweltminister auf einmal großen Gefallen an gefährlichen Substanzen – und reißt das heikle Thema an sich. Seit der heutigen Krisensitzung ist klar: Der säumige Betreiber, das Helmholtz-Zentrum, muss den Stab an das Strahlenschutzamt abgeben, die Aufsicht über die Asse wandert damit von Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) an Genossen Gabriel.

Der wiederum gibt vor, er wolle er das lecke Lager nicht nutzen, um die Atomdebatte aufzuheizen. Von wegen! Der Umweltminister kann selbstverständlich frohlocken, denn er weiß genau: Für die Endlager-Debatte ist Asse ein psychologischer GAU. Und zwar ein GAU, der ihm wie gerufen kommt: Schließlich schwindet mit der Akzeptanz für Lagerstätten logischerweise auch die für Atomenergie.

Wann immer künftig das in der Großen Koalition heftig umstrittene Thema Kernkraft an Fahrt gewinnt – weil diese Energiequelle als günstig, sauber und allzeit verfügbar gilt –, kann Gabriel mit neuen Erkenntnissen aus dem Versuchslager kontern. Hier eine Störfallanalyse, dort ein Langzeitsicherheitsbericht – schon sind die Argumente der Atomlobby vom Tisch gewischt.

Im Wahlkampf – wenn die Emotionen um Energiepreise, Stromlücke und Klimawandel dann noch höher schlagen – hat Gabriel ein unschlagbares As im Ärmel: Ein As mit Namen Asse.

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