25 Jahre Deutsche Einheit Die Worte eines gefesselten Riesen

Ende 1989 war die Mauer gefallen, die Reise Deutschlands noch ungewiss. In Dresden hielt Helmut Kohl damals als BRD-Bundeskanzler eine Rede. 25 Jahre spricht er dort wieder und wird geehrt für den heute historischen Tag.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Der von Krankheit schwer gezeichnete Bundeskanzler a.D. Helmut Kohl auf der Festveranstaltung

Dresde Als der frühere Bundeskanzler der Republik Österreich und Kohl-Freund Wolfgang Schüssel in seiner Festrede von dem verlässlichen Riesen spricht, „der heute gefesselt vor uns sitzt“, wird es noch stiller im Lichthof des Dresdner Albertinums. Helmut Kohl (84) sitzt in der ersten Reihe. Sichtlich schwer krank, im Rollstuhl, die Miene starr.

Ein paar Stühle links von ihm die 85-jährige Elfriede Römer. Schon einmal trafen die beiden hier zusammen, auf den Tag genau vor 25 Jahren. Als Kohl, nur ein paar Schritte entfernt vor der Ruine der Frauenkirche, die nach seinen Worten vielleicht schwierigste Rede seines Lebens hält.

Der 19. Dezember 1989 sei ein Wendepunkt gewesen. Und ein Signal, dass die Menschen in der DDR die Einheit wirklich wollten - und zwar schnell. Schneller, als er gedacht hätte.

Kohl spricht die rund 600 von der Konrad-Adenauer-Stiftung geladenen Gäste als „Landsleute“ an. Landsleute, das hatte er auch damals gesagt. Und dann auch irgendwann den inzwischen historischen Satz: „Mein Ziel bleibt - wenn die geschichtliche Stunde es zulässt - die Einheit unserer Nation.“

Auf einer Leinwand werden Filmaufnahmen gezeigt. Ein jüngerer, gesunder Helmut Kohl ist zu sehen vor den Ruinen des im Zweiten Weltkriegs zerstörten Gotteshauses. Groß, mächtig, doch in seinen Formulierungen sehr bedacht. Die Kirche ist heute wiederaufgebaut.

Kohls zurückhaltende und vorsichtige Art habe einen wesentlichen Beitrag zur Einheit geleistet, sagt Schüssel. Denn in den Zeiten des Umbruchs, als auch ein Waffeneinsatz gegen die sich in Freiheit erhebenden Völker des zusammenbrechenden Ostblocks keineswegs ausgeschlossen war, sei das friedliche Zusammenwachsen der beiden deutschen Staaten keineswegs sicher gewesen. Aber immer habe man gewusst: „Im Zweifel können wir uns auf diesen Riesen - der heute hier gefesselt vor uns sitzt - im Zweifel können wir uns auf diesen Burschen verlassen.“

Kohl gibt das Lob weiter: „Hunderttausende haben geholfen, dass wir diesen Weg gehen konnten.“ Der Besuch in Dresden habe ihm gezeigt, „dass wir viel Kraft haben, wenn wir es selbst wollen“. Weh tue ihm heute, wenn er von jungen Menschen höre, „die Zweifel in die Zukunft setzen“, sagt Kohl. „Wir haben viel erreicht, aber wir können noch mehr erreichen.“

Der Applaus ist lang, die Menschen stehen noch, als Kohl an ihnen vorbei aus der Halle geschoben wird. „Es war berührend, es war bewegend, vieles schwer verständlich, aber die Botschaft ist rübergekommen“, sagt Rudolf Seiters, unter Kohl Chef des Kanzleramts.

Und Elfriede Römer? Aufgeregt sei sie nicht gewesen, Kohl wiederzusehen, sagt sie. Obwohl es das erste Mal war, seit jenen schicksalhaften Dezembertagen. 1989 sei es schon ein bisschen aufregender gewesen. Damals hatte sie dem Kanzler aus dem Westen vor Zehntausenden jubelnden Menschen Blumen überreicht. Und damals, so verrät sie heute, „hat er mich auf die Wange geküsst“.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%