Angebot an die OSZE Deutsche Drohnen über der Ostukraine?

Deutschland und Frankreich wollen der OSZE anbieten, den Waffenstillstand in der Ostukraine überwachen zu helfen. Linken-Chef Gregor Gysi ist klar gegen einen solchen Einsatz. Österreich hat bereits Drohnen geliefert.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Um die Waffenruhe zu kontrollieren, könnten Drohnen wie diese zum Einsatz kommen. Quelle: dpa

Berlin/Donezk/Moskau Die Bundesregierung hat ein deutsch-französisches Angebot angekündigt, um den Waffenstillstand in der Ostukraine überwachen zu helfen. „Wir sind zuversichtlich, dass es uns jetzt gelingt, der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) ein gemeinsames deutsch-französisches Angebot für diese von der OSZE gewünschte Hilfe unterbreiten zu können“, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer, am Montag in Berlin.

Dies könne in den nächsten „Stunden oder Tagen“ geschehen. Allerdings widersprach die Bundesregierung Erwartungen, dass der Einsatz etwa noch in dieser Woche beginnen könnte. Es gebe offene rechtliche, militärische und politische Fragen. Möglicherweise sei auch ein Mandat des Bundestages nötig, sagte der Sprecher von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD).

Aus dem Verteidigungsministerium war bekanntgeworden, dass eine Drohnen-Aufklärung über der russisch-ukrainischen Grenze und ein Ausbildungszentrum für kurdische Kämpfe im Nordirak erwogen werden. Auch der französische Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian hatte am Sonntagabend eine deutsch-französische Überwachungsmission in der Ostukraine „in den kommenden Tagen“ angekündigt.

Die Planung für einen deutsch-französischen Einsatz geht auf den Nato-Gipfel vor vier Wochen zurück. Zudem habe es zwischen dem 16. und 20. September eine deutsch-französische Erkundungsmission in der Ostukraine gegeben, teilte der Sprecher des Verteidigungsministeriums mit. Es sei aber weder eine politische Entscheidung getroffen worden, noch stehe fest, wie viele Soldaten etwa für den Schutz eingesetzter Drohnen nötig wären.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat deshalb offengelassen, ob sie für einen deutschen Drohnen-Einsatz ein Bundestagsmandat für nötig hält. Die SPD fordert dieses. „Wenn sich daraus weitere deutsche Beiträge ableiten, wird auch der Bundestag notwendige Entscheidungen unmittelbar treffen“, sagte etwa SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich zu Reuters.


Deutschland bewirbt sich um den Vorsitz der OSZE

Das Minsker Abkommen vom 19. September hatte der OSZE eine zentrale Rolle bei der Überwachung des Waffenstillstands zwischen ukrainischen Truppen und den prorussischen Separatisten in der Ostukraine zugewiesen, der immer wieder gebrochen wird.

Deutschland bewirbt sich für den Vorsitz der OSZE im Jahr 2016.

Linken-Fraktionschef Gregor Gysi kritisierte die Einsatzüberlegungen. Deutschland dürfe sich nicht an dem wichtigen OSZE-Einsatz beteiligen, weil die Bundesregierung im Ukraine-Konflikt niemals neutral gewesen sei, sagte er dem Sender ntv. Auch verbiete sich aus historischen Gründen ein Einsatz deutscher Soldaten in der Ukraine.

Umstritten ist auch das vom Verteidigungsministerium erwogene ständige Ausbildungszentrum für kurdische Kämpfer im Nordirak. Das Auswärtige Amt verwies darauf, dass dazu auch eine Verständigung mit der Zentralregierung in Irak nötig sei.

In Bagdad seien aber bisher weder ein Verteidigungs- noch ein Innenminister ernannt worden, die Gesprächspartner sein könnten. Kurden-Präsident Massud Barsani hatte von der Leyen Ende September bei ihrem Besuch in Erbil um ein langfristiges Engagement der Bundeswehr bei der Ausbildung der Peschmerga gebeten.

In der SPD wird dagegen darauf verwiesen, dass eine Ausbildungshilfe für die Kurden im Nordirak über das bisher geplante Maß hinaus enorme rechtliche Probleme aufwerfe.

Die Auslandseinsätze dürften auch Thema des Koalitionsausschusses am Dienstagabend im Kanzleramt in Berlin sein.


Die ersten Drohnen sind in der Ostukraine eingetroffen

Derweil sind die ersten Drohnen zur Kontrolle der brüchigen Waffenruhe in der Ostukraine in Kiew eingetroffen. Österreich habe zwei unbemannte Fluggeräte geliefert, sagte OSZE-Sprecher Michael Bociurkiw der Deutschen Presse-Agentur am Montag. Zwei weitere Aufklärungsdrohnen seien bestellt, sagte er. Sie sollen von zivilen Experten zur Kontrolle der ukrainischen Regierungstruppen und prorussischen Separatisten bedient werden.

Zu der Ankündigung Deutschlands und Frankreichs gab Bociurkiw keine Stellungnahme ab. Er bekräftigte aber, dass das Begleitpersonal der Bundeswehr zum Schutz des Einsatzes unbewaffnet sein müsse. Auch die ukrainische Führung hatte dies am Wochenende klar gemacht.

OSZE-Chef Didier Burkhalter und Kremlchef Wladimir Putin sprachen sich in einem Telefonat für eine strenge Überwachung der Waffenruhe aus.

Der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk sagte bei einem Treffen mit OSZE-Vertretern in Kiew, er erwarte, dass die Drohnen so schnell wie möglich zum Einsatz kommen. Er warf Russland vor, sich nicht ausreichend für die Umsetzung des vereinbarten Friedensplans für die Ostukraine einzusetzen.

Die moskautreuen Aufständischen in der Ostukraine kritisierten eine mögliche Bundeswehrmission. „In Wirklichkeit kommen die deutschen Soldaten vermutlich, um gegen uns zu kämpfen“, sagte einer der Separatistenführer in Donezk, Alexander Kofman, der russischen Regierungszeitung „Rossijskaja Gaseta“. Die OSZE-Mission sei nur ein „Vorwand“, um ausländische Militärfachkräfte zu legitimieren.


„Wir wissen, dass die Sanktionen auch uns selbst schaden“

Die Aufständischen warfen der ukrainischen Armee vor, am Flughafen von Donezk die Waffenruhe allein am Sonntag insgesamt 27 Mal gebrochen zu haben. Regierungseinheiten hätten Stellungen mit Mehrfachraketenwerfern und Artillerie unter Feuer genommen und zudem den strategisch wichtigen Ort Kruglik beschossen. Die Militärführung hatte zuvor unterstrichen, sie schieße nur bei Angriffen zurück.

Der Stadtrat von Donezk teilte mit, am Wochenende seien mindestens sieben Zivilisten bei Beschuss ums Leben gekommen. Zuvor waren zwei Tote bekannt gewesen. Auch am Montag berichtete die Verwaltung wieder von Beschuss.

Innerhalb von 24 Stunden wurde dem Sicherheitsrat in Kiew zufolge mindestens ein ukrainischer Soldat im Konfliktgebiet getötet. 13 Soldaten wurden demnach verletzt.

Der Russland-Beauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler, beklagte, dass er bei einem Besuch in Moskau in den vergangenen Tagen mit einem Gesprächsangebot an russische Abgeordnete abgeblitzt sei. Die negative Antwort aus der Staatsduma sei ein schlechtes Signal, sagte er der russischen Zeitung „Kommersant“ (Montag).

Erler schloss neue Strafmaßnahmen gegen Russland nicht aus, sollte Moskau nicht mäßigender auf die Separatisten einwirken. „Wir wissen, dass die Sanktionen auch uns selbst schaden“, sagte der SPD-Politiker.

Der Rubel setzte seine Talfahrt in der Ukrainekrise fort. Erstmals mussten am Montag zeitweise für einen US-Dollar mehr als 40 Rubel gezahlt werden. Auch im Vergleich zum Euro gab die russische Währung nach: Ein Euro kostete am Montagmittag 50,11 Rubel. Als Gründe für das Rekordtief gelten die westlichen Sanktionen gegen Moskau sowie eine schwache russische Konjunktur und der derzeit moderate Ölpreis.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%