Annäherung zwischen Kuba und USA Der Papst kommt – kommt auch das Geld?

Der Papst besucht Kuba und die USA. Auch US-Unternehmen nehmen nach der diplomatischen Annäherung das Land ins Visier. Es locken zwölf Millionen potenzielle Kunden – doch der Weg auf die Insel ist steinig.

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Ein Plakat zum bevorstehenden Papst-Besuch in Havanna. Papst Franziskus besucht vom 19. bis 28. September erstmals Kuba und die USA. Quelle: dpa

New York Im Grau des Sozialismus, zwischen Zweckbauten, Denkmälern und einem Abbild Che Guevaras, wird Papst Franziskus das erste Mal zu den Kubanern sprechen. Auf dem Platz der Revolution in Havanna hält er am Sonntag eine Messe. Danach geht es für den Pontifex auf rissigem Asphalt weiter Richtung Revolutionspalst, vorbei an verwitterten Kolonialbauten. Im Palast trifft er auf Kubas Präsident Raúl Castro.

Bis Dienstagabend bleibt Papst Franziskus auf Kuba. Dann fliegt er direkt weiter in die Vereinigten Staaten. In den Straßen Washingtons, New Yorks und Philadelphias blinkt ihm der amerikanischen Konsumtraum entgegen: grün-schwarze Starbucks-Nixen, leuchtende McDonald’s-Bögen, grelle Werbung für Klamotten-Labels.

Kuba und die USA trennen noch immer Welten. Der Papst will sie mit seinem symbolischen Besuch in beiden Ländern verbinden. Auch US-Unternehmen wollen von der diplomatischen Annäherung profitieren: Die marode Wirtschaft Kubas verspricht die Chance, kräftig auf der Insel zu investieren. Doch bei allen historischen Signalen: Kuba wird nicht so schnell amerikanisch.

Die Hürden bleiben für die US-Unternehmen auf absehbare Zeit hoch. Die meisten Konzerne können aus juristischen Gründen immer noch keine Geschäfte mit Kuba machen oder die Geschäfte lohnen sich noch nicht. „Derzeit beobachten wir, dass viele US-Unternehmen auf Kuba Träume anstelle der Realität verfolgen“, sagt John Kavulich, Präsident des amerikanisch-kubanischen Handels- und Wirtschaftsrats.

Obama hofft auf die Republikaner – wahrscheinlich vergeblich

Es gibt Vorreiter in den USA, die aber noch lange nicht das große Geld machen. So bietet die US-Fluggesellschaft JetBlue neuerdings Direktflüge an, American Airlines will im Dezember nachziehen. Aber das sind nur Charterflüge, Amerikaner benötigen immer noch ein Visum, das Reisen ist für sie ungewohnt schwierig. Auch die Mietplattform Airbnb und der Streamingdienst Netflix versuchen ihre Dienste auf Kuba zu etablieren. Aber der Markt ist klein, nur wenige Kubaner haben einen brauchbaren Internetanschluss. Die US-Invasion wird im Zeitlupentempo erfolgen. Es locken zwölf Millionen potenzielle Kunden. Laut einer noch unveröffentlichten Studie des Kreditversicherers Euler Hermes, die dem Handelsblatt vorliegt, könnten die US-Exporte nach Kuba bis 2020 jährlich um rund eine Milliarde US-Dollar steigen – auf dann sechs Milliarden Dollar.

Jedoch liegt der Prognose zugrunde, dass das Handelsembargo bald gekippt wird. Noch kämpfen US-Unternehmen mit einem Meer von Statuten, Regeln und Verordnungen in den USA, das ihnen verbietet, auf der Karibikinsel Geschäfte zu machen. Um das zu ändern, muss der amerikanische Kongress das Embargo aufheben. Doch die Republikaner werden dem Wunsch Obamas nach einer Abschaffung der Handelsbeschränkungen sicherlich nicht nachgeben. Der republikanische Präsidentschaftsbewerber Marco Rubio etwa, Sohn eingewanderter Kubaner, schreibt auf seiner Website: „Die kubanische Regierung ist ein Feind der Vereinigten Staaten. Geld, das nach Kuba fließt, geht direkt an das Regime, das bei jeder Gelegenheit gegen US-Interessen arbeitet.“

Telekommunikationskonzerne halten sich zurück

Beispiel Telekommunikationsbranche. Kuba hinkt der westlichen Welt in Sachen Internet um Jahrzehnte hinterher: Nur fünf Prozent der Einwohner haben nach Angaben der Stiftung Freedom House Zugang zum freien, unzensierten Netz. Dazu ist es unerschwinglich. Für eine Stunde Surfen müssen Kubaner rund ein Fünftel ihres monatlichen Lohns zahlen.

Eigentlich eine ideale Geschäftschance. US-Telekommunikationsfirmen dürfen seit Januar ihre Dienstleistungen auf Kuba anbieten. Verbreiten sich erst einmal Twitter oder Facebook auf der Insel, so das Kalkül Obamas, wird die Zivilgesellschaft gestärkt – und der Druck auf das Castro-Regime nimmt zu.


Castro-Regierung beharrt auf Kontrolle

Doch amerikanische Telekommunikationskonzerne halten sich bislang zurück. Auf Anfragen verweigern die großen Spieler wie AT&T oder Verizon eine Auskunft. T-Mobile, die amerikanische Tochter der Deutschen Telekom, teilte mit, derzeit keine Kuba-Pläne zu haben. Einzig der kleine Anbieter IDT will eine direkte Telefonverbindung nach Kuba aufbauen.

Die Befürchtung, Geld und Zeit für ein Abenteuer zu verschwenden, schreckt manch Unternehmen ab. Noch immer hält das kubanische Staatsunternehmen Etecsa das Monopol auf Internet- und Telefondienstleistungen. Ob es sich im großen Stil Kooperationen mit amerikanischen Unternehmen öffnet, ist nach Meinung von Wirtschaftsberatern mehr als unklar. Gerade der Telekommunikationssektor ist für die Castro-Regierung ein sensibler Bereich. Dass sie die Kontrolle über das Internet komplett an US-Firmen abgebe, sei unwahrscheinlich, so Kuba-Experte John Kavulich in der Zeitung „USA Today“.

Das Beispiel Telekommunikation zeigt: Ob US-Unternehmen bald auf Kuba Geld verdienen können, hängt in hohem Maße ab von den Kubanern. Ein US-Beamter, der über den Internetausbau auf der Insel verhandelt, sagte der Nachrichtenagentur Reuters: „Es gibt echtes Potenzial, wenn es echten Willen gibt auf Seiten der Kubaner. Schafft Kuba eine Umgebung, die Investitionen attraktiv macht, werden Investitionen fließen.“

„Wir sind bereit, jetzt loszulegen“

Noch schwieriger haben es andere US-Unternehmen, die wegen des Embargos noch nichts tun dürfen. Sie sitzen auf heißen Kohlen. Arne Sorensen, Vorstandvorsitzender der Hotelkette Marriott, zum Beispiel fürchtet, dass amerikanische Firmen den Anschluss verlieren. In einem Blogeintrag schreibt er, dass Unternehmen aus aller Welt noch mehr als früher darum wetteiferten, sich auf Kuba zu etablieren – um ihrer amerikanischen Konkurrenz möglichst wenig vom Kuchen übrig zu lassen. Er betont: „Wir sind bereit, jetzt loszulegen.“

Aber alles ist nicht verloren: Obama nutzte Anfang des Jahres seine exekutive Macht, um am Kongress vorbei erste Handels- und Reiseerleichterungen zu verfügen. Amerikaner können freier nach Kuba reisen – wenn auch nach wie vor nicht offiziell als Tourist – und vor Ort ihre Kreditkarten nutzen. Von den neuen Handelsregeln versprechen sich einzelne Branchen Verbesserungen: Für amerikanische Banken beispielsweise ist es einfacher geworden, zuvor autorisierte Überweisungen an kubanische Finanzinstitute abzuwickeln. Im April strich die amerikanische Regierung zudem Kuba von der Liste der Staaten, die Terrorismus fördern.

US-Administration hat ein Hintertürchen

Theoretisch kann die Obama-Regierung das Embargo umgehen, indem sie weiteren Wirtschaftszweigen eine sogenannte „Generallizenz“ für den Handel mit Kuba erteilt. Die Bedingung: Branchenvertreter müssen glaubhaft machen können, dass die exportierten Güter oder Dienstleistungen die humanitäre Situation der Kubaner verbessern werden.

Im Fall von Fast-Food-Ketten dürfte das kaum gelingen. Auch bei seinem nächsten Besuch auf Kuba werden Papst Franziskus keine leuchtenden McDonald’s- oder Starbucks-Logos empfangen.

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