Bürgerkrieg Israel sähe syrische Grenze lieber bei Assad

Israel hält sich aus dem syrischen Bürgerkrieg heraus. Doch Islamisten an der Nordgrenze sorgen für Nervosität. Erzfeind Assad wäre Israel immer noch lieber als die selbsternannten Gotteskrieger.

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Ein israelischer Jeep kontrolliert die Grenze zwischen Israel und Syrien. Quelle: dpa

Madschdal Schams/Golan Kaum hat er die ersten Sätze gesprochen, knallt es hinter ihm. Die Explosion hallt durch das Tal in den Golanhöhen, Rauch steigt auf. „Das sind Baschar al-Assads Truppen“, sagt Kobi Marom. Fast kann man sie vom israelischen Gebiet aus sehen, die Soldaten und die Waffen in Syrien, die Kämpfe sowieso. Bis zum Grenzzaun ist es kein Kilometer.

1967 hat Israel die Golanhöhen im Sechstagekrieg erobert und 1973 im Jom-Kippur-Krieg einen syrischen Wiedereroberungsversuch zurückgeschlagen. 1974 schlossen beide Länder einen Waffenstillstand, den UN-Truppen beobachten. Danach war es jahrzehntelang an der syrisch-israelischen Grenze weitgehend ruhig.

Der frühere syrische Machthaber Hafis al-Assad und seit dessen Tod 2000 sein Sohn Baschar al-Assad forderten das Gebiet zwar zurück, wollten aber keinen weiteren Krieg mit dem hochgerüsteten Israel riskieren. Doch seit der Bürgerkrieg in Syrien tobt, blicken Israelis wie Marom wieder besorgt nach Osten.

Marom ist ehemaliger Oberst der israelischen Armee und Terrorismusexperte. Vergangenen Mittwoch nahmen Rebellen Kunaitra ein, den einzigen Grenzübergang zwischen Israel und Syrien. Er wird nun von der Al-Nusra-Front kontrolliert, einem Ableger des Terrornetzes Al-Kaida. Wenn Marom jetzt an der Grenze zu Syrien entlangfährt, passiert er nicht nur Weinstöcke und israelische Militärstützpunkte, sondern auch die Stellungen der Islamisten auf der anderen Seite des Zauns.

Wer die israelische Armee dieser Tage fragt, ob die Entwicklung das Militär beunruhige, erhält die immer gleiche Antwort: „Wir haben damit gerechnet, dass die Rebellen Kunaitra bald übernehmen - aber Israel ist sicher.“ Aber allen offiziellen Beschwichtigungen zum Trotz berichten israelische Medien, Israel habe die Sicherheitsstufe auf den Golanhöhen hochgesetzt. Die Erfolge der Aufständischen machen die Militärs offenbar nervöser, als sie zugeben.


Terrororganisation IS Israel

„Für die Islamisten war Kunaitra ein großer Erfolg“, sagt Marom. Wenn sie es hielten, wäre fast die gesamte Grenze in ihrer Hand. Dass die Gegner des syrischen Regimes immer mehr an Boden gewinnen, kommt Israel ungelegen: Auch wenn die Gruppen jetzt gegen das Assad-Regime kämpfen, sind sie für Israel nicht ungefährlich.

Erst vor wenigen Tagen drohte die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) Israel offen. Sie werde „jeden Abtrünnigen niederschlagen, der als Hindernis auf dem Pfad in Richtung Palästina steht“, hieß es nach Medienberichten in einer Mitteilung des IS. Es sei nur „eine Frage von Zeit und Geduld“, bis der IS „Palästina erreicht, um die barbarischen Juden zu bekämpfen“. Und die „Befreiung“ Jerusalems haben sich die Islamisten auch auf die Fahnen geschrieben.

Derzeit hat sich der Islamische Staat im Osten Syriens ausgebreitet – bis nach Israel reicht er noch nicht. Doch der Al-Kaida-Ableger in Kunaitra scheint nur wenig moderater. „Sie könnten sogar anfangen, Raketen auf Israel zu feuern“, sagt Kobi Marom. In diesem Fall müsste Israel die Rebellen angreifen. „Wir sind zu jeder Eskalation bereit“.

Bislang zögert Israel, sich in den innersyrischen Konflikt einzumischen. Mehrere Mörsergranaten, die auf israelischem Gebiet einschlugen, beantwortete die Armee mit Artilleriefeuer – aber mehr auch nicht. Doch auch ohne Waffengewalt beziehe das Militär indirekt Position, sagt der ehemalige Offizier Marom. Kürzlich hätte Assads Luftwaffe Stellungen der Rebellen nahe Israel bombardiert, obwohl der Grenzübergang seit 1974 eine demilitarisierte Zone ist. Angriffe dieser Art seien dort verboten, sagt Marom. Die israelische Armee duldete sie dennoch.

Der Grund: Israel sähe den Grenzübergang Kunaitra lieber wieder in Assads Händen. „Viele Israelis bevorzugen Assad als Nachbarn“, sagt Marom. Sie mögen sich denken: Besser ein autoritärer, aber verlässlicher Herrscher vor der Haustür als unberechenbare Islamisten.

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