Defizitabbau Frankreich hinkt Euro-Zone hinterher

Frankreich schreibt gute Wirtschaftszahlen, hinkt der Euro-Zone aber hinterher. Kritiker werfen der Regierung vor, zu wenige Reformen vorangetrieben zu haben. Es droht ein Streit um den laxen Schuldenabbau des Landes.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Frankreichs Wirtschaft ist wieder auf dem Vormarsch, im Vergleich mit anderen europäischen Ländern in der Eurozone bleibt das Land aber zurück. Quelle: dpa

Paris/Berlin Die französische Wirtschaft hinkt der Euro-Zone hinterher. Die Konjunktur von Deutschlands wichtigstem Handelspartner legte nach Schätzung des Statistikamts Insee im ersten Quartal nur um 0,1 Prozent zu. Denn die Verbraucher hätten sich mit ihren Ausgaben zurückgehalten.

Die Statistiker gehen davon aus, dass Frankreich erst im zweiten Quartal mit plus 0,3 Prozent das Wachstumstempo vom Euro-Raum erreicht. Manche Ökonomen hingegen sind deutlich pessimistischer und erwarten vorerst keine Initialzündung. „Wir sind immer noch sehr skeptisch, was die Konjunktur angeht und die nötigen Strukturreformen“, sagte Marco Wagner von der Commerzbank am Freitag. „Ich glaube nicht, dass es jetzt mit der neuen Regierung einen Ruck gibt.“ Die Bundesregierung erwartet allerdings, dass Frankreich die EU-Vorgaben für den Defizitabbau einhält.

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, hat sich hingegen dafür ausgesprochen, Frankreich mehr Zeit für die Senkung seines Haushaltsdefizits zu geben. Es sei einerseits wichtig, dass die Regeln des Stabilitätspaktes respektiert würden, sagte der Spitzenkandidat der europäischen Sozialisten am Freitag im französischen Fernsehsender BMF-TV. Es sei andererseits wichtig, auf die spezifischen Möglichkeiten der Mitgliedstaaten zu schauen, die Vorgaben umsetzen zu können. Die EU müsse deshalb respektieren, wenn Frankreich für Reformen mehr als drei Jahre benötige. Auf die Nachfrage, ob er Frankreich damit mehr Zeit zur Senkung seines Defizitziels geben wolle, sagte Schulz: „Wenn es nötig ist, ja.“

Wagner traut der französischen Wirtschaft im ersten Quartal nur eine Stagnation zu und für das laufende Vierteljahr nur ein Mini-Wachstum von 0,1 Prozent. Kritiker werfen Präsident Francois Hollande vor, er habe zu wenig Reformen vorangetrieben. Nach der Schlappe bei der Kommunalwahl krempelte der Sozialist die Regierung umfassend um. Frankreich befindet ist nach Ansicht von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in einer schwierigen innenpolitischen Situation.


Frankreich braucht Reformen

Andererseits habe Frankreich gute Wirtschaftszahlen, bessere, als man es zuletzt erwartet habe. „Frankreich bleibt ein starkes Land“, sagte Schäuble in der ARD. Das Land brauche aber, ebenso wie Italien, Reformen. „Wir brauchen ein starkes Frankreich“, betonte er. Schäuble hält aber beide großen Euro-Länder für stabil. „Die wanken nicht.“

Konflikt mit der neuen Pariser Regierung scheint in der EU jedoch programmiert. Finanzminister Michel Sapin signalisierte gleich zum Amtsantritt, dass Frankreich von Brüssel noch einmal mehr Zeit haben wolle, um seinen Haushalt zu sanieren. Sowohl Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem als auch Schäuble forderten Frankreich allerdings bereits auf, seine Verpflichtungen einzuhalten und das Defizit 2015 unter die erlaubte Grenze von drei Prozent zu drücken. „Wir vertrauen darauf, dass Frankreich seine Verpflichtungen aus dem Stabilitätspakt einhält“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag. Frankreich müsse sich zudem seiner Verantwortung „auch für das Funktionieren des Paktes“ bewusst sein. Commerzbank-Analyst Wagner ist da skeptisch: „Ich bin davon überzeugt, dass das nächstes Jahr nichts wird mit der Drei-Prozent-Grenze.“

Schulz sprach sich in einem Interview auch dafür aus, die Maastricht-Kriterien generell zu überprüfen. „Ich bin absolut dafür, dass man über die drei Prozent und die 60 Prozent (bei den Gesamtschulden) in einem sozialen Rahmen nachdenkt“, sagte der SPD-Politiker. Er wurde umgehend von CDU- und CSU-Politikern kritisiert. „Mit seiner Forderung in Paris zur Missachtung der Maastricht-Kriterien steckt Martin Schulz das Messer in den Rücken des Stabilitäts- und Wachstumspaktes“, sagte der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Herbert Reul (CDU). Scharfe Kritik kam auch vom Vorsitzenden der CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Markus Ferber.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%