Mike Pence ist die personifizierte Tea Party. Er kandidiert für Donald Trump als Vizepräsident. Und dem blieb auch keine andere Wahl, wenn er die Partei hinter sich bringen will.
Er ist eloquent, mit seriösem Auftreten, aber er kann auch charmant sein mit einem gewinnenden Lächeln. In Washington beschreibt man ihn als einen, der Brücken bauen und verbinden kann. Aber wenn es um die Sache geht, dann ist er beinhart. Er sei „Christ, Konservativer und Republikaner“, sagt er von sich. „Und zwar in genau der Reihenfolge.“
Der 57-jährige Mike Pence, Gouverneur von Indiana, ist fiskal-konservativ und gegen höhere Staatsverschuldung. Er will den „schlanken Staat“ und viel Macht auf die Bundesländer der USA übertragen. Er ist strikt gegen Obamas Gesundheitsreform und hat in Indiana das schärfste Anti-Abtreibungsgesetz der USA verabschiedet. Freier Waffenbesitz ist für ihn selbstverständlich.
Die Marke Donald Trump
Als Baulöwe, Casinobetreiber, Golfclubbesitzer und Ausrichter von Schönheitswettbewerben hat der New Yorker ein Vermögen von zehn Milliarden Dollar angehäuft – nach eigenen Angaben.
Trumps Satz „You’re fired“, mit dem er in der Show „The Apprentice“ ehrgeizige Jungunternehmer feuerte, wurde zum geflügelten Wort.
Trump spendete auch an Demokraten wie die Clintons, tritt nun aber für die Republikaner an.
2015 machte er USA-weit Schlagzeilen, als er ein Gesetz für die „Wiederherstellung der Religionsfreiheit“ unterstellte, das Kritiker als Schlupfloch bezeichnen damit Geschäftsleute ungestraft Schwule diskriminieren können. Und er hat die Unterstützung der ultra-konservativen „Tea Party“-Bewegung in den USA. Mehr noch: Er sei sogar schon „Tea Party“ gewesen bevor sie jemand kannte, charakterisiert er sich selbst. Mike Pence ist die Tea Party.
Lange war es still um sie, jetzt ist wie wieder da. Die Tea Party-Bewegung ist schwer zu fassen und widersetzt sich den üblichen Kategorisierungen einer Partei. Es ist eine Graswurzel-Bewegung, die mit der Präsidentschaft von Barack Obama ihren Aufstieg feierte. Ihren Namen führt sie auf die „Boston Tea Party“ von 1767 zurück, ein Aufstand der amerikanischen Siedler gegen die britische Kolonialmacht.
Vor allem Männer
Die Bewegung ist dezentral organisiert und hatte zu ihren Glanzzeiten geschätzte 1000 Gruppen in den USA. Bekannte Aktivisten sind Sarah Palin, Ex-Governeurin von Alaska, Ron Paul, dessen Sohn Rand Paul später sang- und klanglos gegen Donald Trump im Vorwahlkampf untergegangen ist, genauso wie die Tea-Party-Lieblinge Ted Cruz, Ben Carson oder Marco Rubio. Die Bewegung hatte auf breiter Front verloren.
Nach Erhebungen des „Institute for Research & Education on Human Rights“ (IREHR), das die Bewegung seit ihrer Gründung kritisch begleitet, waren die Zeiten des stürmischen Wachstums allerdings ohnehin schon vorbei. Mitte 2015 hatten die wichtigsten Gruppen zusammen rund 556.000 Mitglieder, ein kleines Plus von drei Prozent gegenüber Vorjahr. Die Zahl der Sympathisanten der Gruppierungen mit den stark nationalistischen und, zumindest in den Anfangsjahren, stark rassistischen Ansichten stieg allerdings laut IREHR-Erhebungen weit stärker auf rund sechs bis acht Millionen Amerikaner. Tea-Party-Seiten auf Twitter sahen ein Plus von 50 Prozent in den Followern gegenüber 2014, 25 Prozent mehr drückten „Like“ auf Facebook. Das war kurz bevor der politische Stern des Donald Trump zu steigen begann.
Die Zugehörigkeit der Tea-Party-Mitglieder und Sympathisanten zu etablierten Parteien ist unklar, in Umfragen geben sie sich meist als Mitglieder der republikanischen Partei zu erkennen. Aber auch konservative Demokraten oder Libertäre gelten als Unterstützer. Die Bindeglieder zwischen den einzelnen Gruppen waren politische Positionen, die als unabdingbar für „echte“ Konservative bezeichnet werden: Ablehnung einer generell verpflichtenden Krankenversicherung, absolute Priorität für Steuersenkungen oder das Bekenntnis zum uneingeschränkten Recht auf Waffenbesitz. Ebenso werden die Freihandelsabkommen abgelehnt sowie eine Erlaubnis von Abtreibungen.
Die Positionen gegenüber Frauenrechten macht sich in der Geschlechterverteilung bemerkbar: Laut IREHR-Studie ist die Partei zu 65 Prozent männlich. Wie weit die Tea Party sogar von der republikanischen Parteibasis entfernt ist, hat Christoph S. Parker, Politikprofessor an der Universität von Washington untersucht. So sind bei den Republikanern zwar 59 Prozent gegen eine generelle Krankenversicherung, bei der Tea Party aber 93 Prozent der Befragten. Nur sechs Prozent der Republikaner sehen von Präsident Barack Obama eine „existenzielle Bedrohung“ für Amerika ausgehen, aber 71 Prozent bei der Tea Party.
Tea-Party-Anhänger finden Trump zu liberal
2012, mit der Wiederwahl von Barack Obama, fiel die frustrierte Bewegung weitgehend in sich zusammen. Das zu verhindern war ihr erklärtes Ziel. Leitfiguren wie Sarah Palin verschwanden von der politischen Bühne und liefen zum Schluss zu Donald Trump über. Doch da liegt das Problem: Donald Trump ist Tea-Party-Anhängern überhaupt nicht konservativ genug. Seine Haltung gegenüber illegalen Einwanderern können sie noch teilen. Aber bei Abtreibung, Krankenversicherung und Waffen erscheint er ihnen zu liberal. Sie sehen in ihm einen Nationalisten und Populisten, aber keinen Konservativen.
Jetzt kommt der Auftritt von Mike Pence: Seine Aufgabe ist es, diesen ultra-konservativen Rand der Partei wieder einzufangen und für das Trump-Lager zu gewinnen. Sonst könnten sie vielleicht aus Verbitterung im November auf einen Gang an die Wahlurne verzichten. Im schlimmsten Falle könnte die Tea Party Trumps seinen Wahlkampf ruinieren. Dann müsste er an zwei Fronten kämpfen.
Denn da ist noch der „House Freedom Caucus“ im Washingtoner Kongress. Eine Anfang 2015 gebildete Gruppe von geschätzt 40 republikanischen Mitgliedern des Repräsentantenhauses. Sie gelten als kompromisslos konservativ und stark Tea Party-orientiert. Der House Freedom Caucus gilt als treibende Kraft hinter dem Fall von John Boehner, dem früheren Sprecher des Hauses, dem drittwichtigsten Politiker Amerikas. Diese selbst unter den Republikanern stark umstrittene Gruppe könnte gegen den Kandidaten Trump Front machen und später auch einem Präsidenten Donald Trump extreme Schwierigkeiten bereiten, wenn er in ihren Augen den Konservativen-Test nicht besteht.
Pence soll Partei zusammenführen
Daneben gibt noch Organisationen wie den einflussreichen und der Tea Party nahestehenden PAC (Political Action Committee) „Club for Growth“. Er schlägt sich seit langem offen mit Donald Trump herum und will ihn durch die Hintertür aushebeln. Der finanzstarke PAC unterstützt für die gleichzeitig anstehenden Senats- und Repräsentanten-Wahlen zahlreiche Kandidaten wie Ted Cruz, Marco Rubio oder Rand Paul, die alle noch eine Rechnung mit Trump offen haben. Das Kalkül: Ein Kongress, vollgepackt mit Trump-Kritikern, wird die Politik des Milliardärs in die richtigen Bahnen lenken.
Da müsste dann halt Politprofi Mike Pence wieder ran. Der Tea-Party-Mann mit den silbergrauen Haaren, der sanften Stimme und den vielen Jahren Erfahrung im Washingtoner Polit-Zirkus. „Einer der Gründe, warum ich Pence gewählt habe, da will ich ganz offen sein, ist die Wiedervereinigung der Partei“, räumte Trump bei der Vorstellung von Pence in New York am Samstag ein. „Ich“, so Trump, „bin Außenseiter. Und das will ich auch sein.“ Schon zuvor hatte er Kritik an seiner Person aus der Führungsspitze der Partei mit drastischen Worten abgekanzelt. Sie sollten „einfach still sein“ und „ihn mal machen lassen“, fertigte er Politiker wie den Speaker oft he House, Paul Ryan, in einer Wahlkampfrede wie Schuljungen ab. Und Ryan war der Wunschkandidat der Tea Party.