ZEIT ONLINE: Vor Kurzem hat ein ehemaliger Drohnenpilot der US-Luftwaffe, Brandon Bryant, in einem Fernsehinterview seinen Arbeitsalltag geschildert und über seine massiven psychischen Probleme gesprochen. Allen Piloten ginge dieser Job an die Nieren, sagte Bryant. Stimmt das?
Dr. Jean Otto: Ja, Drohnenpiloten leiden zum Teil sehr stark, auch wenn sie tausende Kilometer vom Einsatz entfernt und in sicherer Umgebung sind.
ZEIT ONLINE: Sie haben die psychische Belastung von Drohnenpiloten mit der von Kampfjetpiloten verglichen. Wer leidet mehr?
Otto: Das kann man nicht sagen. Unser Team ist zu dem Ergebnis gekommen, dass einer von zwölf Drohnenpiloten und einer von 17 Kampfjetpiloten durch den Job psycho-soziale Probleme bekommt. Als wir diese Zahlen aber nach Alter, Beschäftigungslänge, Ausbildung und Herkunft kontrolliert haben, sind die Unterschiede verschwunden.
ZEIT ONLINE: Das bedeutet, Drohnenpiloten werden genauso oft psychisch krank wie Kampfjetpiloten?
Otto: Genau. Die Arbeit der beiden Gruppen mag sich auf den ersten Blick unterscheiden, die Folgen sind aber die gleichen. Drohnenpiloten haben genauso häufig Angststörungen, posttraumatische Belastungsstörungen und neigen genauso zu Drogenmissbrauch und Selbstmordgedanken wie Piloten im Einsatzgebiet.
ZEIT ONLINE: Welche Krankheitsbilder sind am häufigsten?
Otto: Am meisten leiden die beiden Gruppen unter Anpassungsschwierigkeiten, das heißt, es fällt ihnen schwer, nach dem Einsatz in den Alltag zurückzukehren. Danach kommen Depressionen und schließlich Probleme in der Partnerschaft.
ZEIT ONLINE: Wie erklären Sie sich, dass sowohl die Häufigkeiten der psychischen Krankheiten als auch die Krankheitsbilder bei beiden Gruppen gleich sind? Es ist ja etwas ganz anderes, ob man vor einem Computerbildschirm sitzt und eine Drohne steuert oder ob man ein Flugzeug über ein Krisengebiet fliegt.
Otto: Das stimmt. Allerdings war diese Frage nicht Teil unserer Untersuchung. Wir haben lediglich die Krankenakten der Teilnehmer miteinander verglichen und Häufigkeiten ausgezählt. Das heißt, über das Warum können wir nur spekulieren.
ZEIT ONLINE: Was vermuten Sie?
Otto: Nun, die Belastung ist unterschiedlich, aber die Ausgangspositionen sind gleich. Die Teilnehmer sind etwa gleich alt, haben einen ähnlichen Bildungsstand – College oder höher – und ähnliche Karriereverläufe. Allerdings hat jede der beiden Gruppen spezifische Belastungen.