Druck auf Erzfeinde „Kosovo ist Serbien“

Die Spannungen zwischen Kosovo und Serbien nehmen kontinuierlich zu. Längst ist ein Krieg der Worte zwischen den Balkanländern ausgebrochen. Nun macht Brüssel Druck auf die beiden Erzfeinde.

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Serbien hatte vor kurzem einen Zug mit der Aufschrift „Kosovo ist Serbien“ aus Belgrad geschickt. „Das war für uns eine reine Provokation“, sagte ein kosovarischer Diplomat am Dienstag. Quelle: dpa

Wien Mitrovica ist noch immer eine geteilte Stadt im Kosovo. Die von den Franzosen finanzierte Brücke zwischen dem albanischen und dem serbischen Teil der früheren Industriestadt ist seit Jahren für den Autoverkehr gesperrt. Panzersperren verhindern den Transit. Nur Menschen können über den Fluss Ibar zwischen den von Serben und Albanern bewohnten Stadtteil wechseln.

Ausgerechnet in die geteilte Stadt Mitrovica mit rund 71.000 Einwohnern, hatte Serbien vor kurzem einen Zug mit der Aufschrift „Kosovo ist Serbien“ aus Belgrad geschickt. Er wurde von der kosovarischen Polizei gestoppt. „Das war für uns eine reine Provokation“, sagte ein kosovarischer Diplomat am Dienstag.

Die Spannungen zwischen den beiden Ländern Ex-Jugoslawien nehmen kontinuierlich zu. Längst ist ein Krieg der Worte zwischen Serbien und Kosovo ausgebrochen. Serbiens Präsident Tomislav Nikolic drohte zuletzt der kosovarischen Regierung ungewöhnlich scharf: „Wenn Serben umgebracht werden, werden wir die Armee schicken. Wir werden alle hingehen. Auch ich werde gehen, das wäre für mich nicht das erste Mal.“ Kosovos Präsident und frühere UCK-Führer Hashim Thaci entgegnete nach dem Stopp des Propagandazuges in Richtung Belgrad: „Ich hoffe, die Lektion aus dieser Provokation wurde gelernt.“

Nun will Brüssel den Krieg der Worte zwischen den Erzfeinden auf dem Balkan beenden. EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hat am Dienstagabend Serbiens Präsident Nikolic und Premier Aleksandar Vucic, sowie den kosovarischen Präsidenten Thaci nach Brüssel zum Gespräch geladen. Dass sich die Kontrahenten in der belgischen Hauptstadt an einen Tisch setzen, geschieht nicht ganz freiwillig.

Serbien will schleunigst in die EU und muss daher Kompromissbereitschaft demonstrieren. Ministerpräsident Vucic gibt sich als Pro-Europäer, der aber auch die nationalistische Karte zückt, falls es notwendig ist. Vucic war Propaganda-Minister unter dem serbischen Kriegsverbrecher Slobodan Milosevic. Aber auch der ehemalige Chef der kosovarischen „Befreiungsarmee“ UCK und heutige Präsident Thaci will seine Fähigkeit zu guten nachbarschaftlichen Beziehungen unter Beweis stellen. Denn die kosovarische Regierung ist auf das Geld aus Brüssel angewiesen. Die EU investiert bis zum Jahr 2020 mehr als 645 Millionen Euro in den Balkanstaat mit seinen nur 1,8 Millionen Einwohnern. Damit ist die EU der mit Abstand größte Investor im Kosovo, wo Korruption und Vetternwirtschaft noch immer an der Tagesordnung ist.

In Brüssel herrscht unterdessen längst Ernüchterung. Auf Konferenzen geben sich die Regierungen des Balkans häufig einsichtig, flexibel und proeuropäisch. Doch die Umsetzung der vereinbarten Zugeständnisse scheitert im politischen Alltag schnell.

In Serbien und Kosovo sinkt derweil die Begeisterung für Brüssel. Nach letzten Umfragen gibt es in Serbien nicht einmal mehr eine Mehrheit für einen EU-Beitritt. Auch im Kosovo ist die Frustration groß. Denn Europas jüngstes Land wünscht sich nichts sehnlicher als Reisefreiheit für seine Bürger. Es ist eine der wenigen europäischen Staaten, deren Bürger ein Visum für die EU brauchen. Doch die Chancen für eine Aufhebung der Visapflicht für Kosovaren gelten als gering. Das erhöht den politischen Druck auf die Regierung in Pristina.

Mit der Drohung Serbiens notfalls das Militär einzusetzen, hat die Beziehung zwischen beiden Staaten nun einen neuen Tiefpunkt erreicht. Schon Anfang Januar verschlimmerten sich die ohnehin schon miserablen Beziehungen zwischen Belgrad und Pristina, nachdem der frühere Kosovo-Premier und UCK-Führer Ramush Haradinaj aufgrund eines serbischen Haftbefehls in Frankreich in Untersuchungshaft kam.

Belgrad erkennt Kosovo ohnehin nicht als eigenständiges Land an. Der Kosovo wird als abtrünnige Provinz betrachtet. Auch einige EU-Länder haben das Balkan-Land nicht anerkannt, darunter Griechenland und Spanien. Das überwiegend von Albanern bewohnte Kosovo hatte sich 2008 von Serbien losgesagt. Nur im Nordkosovo bilden die Serben die Mehrheit.

Das Misstrauen auf beiden Seiten ist gewaltig. Ob und wann die symbolträchtige Brücke über den verschmutzten Fluss Ibar in der geteilten Stadt Mitrovica wieder eröffnet wird, erscheint angesichts des Krieges der Worte ungewisser denn je.

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